Benji ist noch immer nicht ganz wohl dabei, als er an der Seite von Tokino durch die Straßen des Viertels ihrer Schule schlendert. Erstens, weil er diesmal bewusst Haruka so richtig versetzt hat und zweitens, weil er von irgendeinem seiner Klassenkameraden gesehen werden könnte, dass er mit einem Mädchen aus der Parallelklasse alleine unterwegs ist. Das wäre für ihn das aus seiner Heimlichtuerei und wäre für Haruka, sollte sie davon erfahren, ein plausibler Grund auf ihn wirklich sauer zu sein. Zum Glück ist das Ende des Unterrichts bereits länger her und wenn jemand von seinen Mitschülern noch nicht zu Hause ist, dann sind sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bei ihren Club Aktivitäten. Trotzdem stellt Benji sich vor wie Eiji sie beide erwischt, während er noch in der Nähe der Schule herumlungert und dies ausnutzen könnte einen Keil zwischen ihn und Haruka zu treiben, nur um sie beide zu verletzen. Tokino scheint es im Gegensatz zu Benji wenig zu kümmern, ob die beide gesehen werden. Sie schaut ihn zwischendurch mit funkelnden Augen und einem zufriedenen Lächeln an, als wäre er irgendein Preis, den sie stolz immer wieder betrachten muss. Ihm kommt es sogar so vor, dass sie demonstrativ an spiegelnden Oberflächen zwischendurch stehen bleibt, scheinbar um ihr äußeres Erscheinungsbild abzuchecken, aber Benji merkt schon, dass sie sich dabei ziemlich nah neben ihn positioniert, um sich an seiner Seite leicht zu bewundern. Benji kommt sich langsam vor wie eine Trophäe und als sie ein weiteres Mal an einem Schaufenster stehen bleiben ist er bereits so genervt, dass er vor seinem Spiegelbild mit den Augen rollt.
„Sag mal Tokyo, kann es sein, dass du mich wie ein Hündchen durch die Gegend Gassi führst?" Beschwert sich Benji leicht genervt. „Ich habe zudem das Gefühl, dass wir mehr im Kreis laufen als vorrankommen."
„Es heißt Tokino! Und sei wenigstens so höflich und setz ein –Chan hintendran, wenn du mich beim Vornamen nennst." Tadelt Tokino ihn schon fast gelassen, während sie sich eine Spange im Haar ein drittes Mal anders richtet. „Kannst wohl unser Date kaum erwarten. Hab schon bemerkt, dass du nicht der Geduldigste bist. Aber keine Angst, es wird sich für dich lohnen. Ich will nur ein wenig auf meine Kosten kommen, also lass mich das hier genießen."
„Ja, …äh… was das angeht, wo du gerade unser Date erwähnst, du hast mir immer noch nicht gesagt, wohin wir gehen." Stellt Benji mittlerweile ziemlich verwirrt fest und kann sich keinen Reim mehr, auf Tokinos Verhalten machen, wenn er es überhaupt jemals konnte. „Ich dachte, wir gehen in ein Café oder ins Kino oder sowas."
„Ha, ha, ha, für sowas, sind wir beide doch viel zu Fortgeschritten." Lacht ihn Tokino etwas verhöhnend aus. „Wir machen etwas viel Besseres. Du wirst schon sehen. Wir sind auch gleich da."
„Du machst es ja wirklich spannend, Tokyo." Witzelt Benji sarkastisch, nun absolut verwirrt darüber, was sie mit ihm vorhat. „Du wirst mich doch nicht etwa in ein Love Hotel verschleppen?!"
„Klappe Ben Kinobi! Komm jetzt! Wir gehen weiter!" Reagiert Tokino etwas sauer, und wird leicht rot im Gesicht, als hätte er sie bei etwas ertappt. „Und für dich immer noch Tokino-Chan."
Tokino wirkt den Rest des Weges leicht beleidigt und redet fast kein Wort mehr mit Benji, während er sich versucht den bisherigen Weg, den sie gegangen sind zu merken, was sich zumal als sehr schwierig für ihn erweist, da es in Japan keine Straßennamen gibt, wie in Deutschland. Sie erreichen ein kleineres Haus, als dass seiner Familie vor dem Tokino stehen bleibt und sich vorsichtig umschaut, bevor sie mit schnellen Schritten zur Eingangstür huscht, gefolgt von einem immer noch verwirrten Benji und diese mit einem Schlüssel, den zuvor aus ihrer Schultasche gekramt hat aufschließt und Benji an der Hand fast schon in das Haus hineinzieht. Beim hineingehen sagt Tokino keinen Ton, nicht mal ein „Ich bin zurück!" ruft sie ins Haus hinein. Sie zieht ihr Schuhe im Eingangsbereich aus und Benji tut es ihr unaufgefordert gleich. Ihm fällt auf, dass die obligatorische Stufe fehlt, die sonst den Eingangsbereich von dem Rest des Hauses trennt, indem die Straßenschuhe ausgezogen werden. Stattdessen gibt es einen ebenerdigen Übergang von Steinkacheln zu Holzparkett. Er folgt ihr weiter in das Haus hinein und bemerkt die unübersehbaren Umzugskartons, die teilweise geöffnet und teilweise noch so übereinandergestapelt wie abgeliefert in mehreren Ecken des ziemlich großen Hausflurs stehen. Tokino steuert direkt auf die Treppe ins Obergeschoß zu, ohne vorher im Erdgeschoß nach weiteren Bewohnern des Hauses zu sehen und Benji folgt ihr kommentarlos. Er ist sich ziemlich sicher, dass sie genau weiß, dass keiner hier ist. Als sie die gewundene Treppe nach oben steigen, fällt Benji ein ungewöhnliches Schienensystem an der Wand auf, das sich mit der Treppe nach oben windet. Im ersten Stock angekommen erkennt er auch die genaue Funktion der Schienen, denn neben dem Abgang zur Treppe liegt ein, noch nicht fertig angebrachter Sitz, der, wenn installiert, als Treppenlift fungiert. Wahrscheinlich ist einer der Bewohner des Hauses sehr schlecht im Treppensteigen fast Benji seine Beobachtungen zusammen, will aber Tokino nicht genauer danach fragen, denn sie scheint noch immer etwas verstimmt wegen Benjis Kommentar von vorhin. Er folgt ihr weiter in ein Zimmer, das ihr eigenes zu sein scheint, denn als er es betritt, kann er die unwiderrufliche Handschrift einer weiblichen Person als Einrichterin des Raums erkennen. Alles wirkt sehr mädchenhaft auf ihn, aber anders als Harukas Zimmer, obwohl es an hellen Pastelltönen nicht fehlt, setzt Tokino mehr auf grellen bunte Farben und verstärkt auf poppige dekorative Elemente, wie ihre Poster von weiblichen und männlichen Popstars und Models, die ihre sämtlichen Wände zieren und Benji irgendwie zu beobachten scheinen, als wäre er ein unerwünschter Eindringling. Tokino bietet ihm einen Sitzplatz auf dem Bett an und Benji legt seine Tasche ab und lässt sich in ihr aus ihr weiches Plumeau nieder. Sie holt von einem Tablett auf ihrem Schreibtisch eine Flasche Wasser und zwei Gläser, die wohl schon beim Betreten des Raums schon dagestanden haben, ohne, dass sie Benji aufgefallen sind. Irgendwie kommt Benji, das Ganze hier ein bisschen inszeniert vor, als hätte Tokino bereits erwartet, dass sie heute einen Gast mit in ihr Zimmer bringt. Er fragt sich, ob dies jetzt ihr Date ist und fühlt sich schon ein bisschen enttäuscht, dass er nur mit Wasser abgespeist wird. Tokino legt ihre Sachen auf ihren Schreibtischstuhl, macht aber keine Anstalten sich ebenfalls hinzusetzten. Stattdessen wirft sie ihm die Fernbedienung ihres kleinen Flachbildschirms zu, die ein völlig überraschter Benji gerade noch so schafft zu fangen.
„Ich mach mich jetzt zurecht!" Erklärt sie ihm, während sie bereits ihr Zimmer verlassen will. „Du kannst solange fernsehen. Aber nicht rumschnüffeln!"
„Okay?! Rumschnüffeln verboten!" Schaut Benji sie immer mehr verwirrt an, worauf Tokino die Tür hinter sich zu macht und Benji gelangweilt den Fernseher anschaltet und gezwungen ist sich mit sich selbst zu unterhalten. „Ich finde unser Date läuft richtig gut, wir haben einen wirklich guten Draht zu einander. Oder was sagst du dazu, Fernseher, meinst du, da geht heute noch was?"
Ohne große Motivation zappt Benji durch ein paar Programme, kann sich aber für keine Sendung, die ihm gezeigt wird wirklich entscheiden. Es dauert jedoch nicht lange und Tokino kommt zurück nur in ein Handtuch gewickelt. Sie hat sich wohl mal eben schnell geduscht, wird Benji so nebenbei klar, was aber seine Verwirrung nicht schmälert.
„Ich bin fertig, du kannst jetzt ins Bad." Bietet ihm Tokino nun nicht mehr so missgelaunt wie vorhin, dafür etwas leicht verlegen an, während sie fast nackt vor einem verwundert dreinblickenden Benji steht. „Es reicht ja, wenn du dich duschst. Oder willst du lieber ein Bad nehmen?"
„Ach, danke, aber ich brauch keine Dusche oder Bad!" Winkt Benji gleichgültig ihr Angebot ab, aber immer noch verwirrt über die gesamte Situation, will aber nicht unhöflich sein und steht auf um zur Tür zu gehen. „Ich geh solange raus, dass du dich anziehen kannst."
„Waaaasss? Anziehen?" Reagiert nun eine überraschte Tokino mehr als leicht konfus. „Hast du es dir anders überlegt? Willst du es doch nicht tun?"
„Äh, ich bin etwas verwirrt." Gesteht ihr Benji etwas skeptisch. „Langsam wäre ein wenig Kontext fällig. Was genau meinst du mit ES TUN?"
„Na, … du weißt schon?!" Erwidert Tokino zögerlich und jetzt noch mehr verlegen als zuvor. „Miteinander …äh… schlafen?!"
„Und da ist der Kontext." Platzt es einen völlig perplexen Benji heraus, der selber gerade merkt, wie sein Gesicht vor Scham zu glühen beginnt. „Jetzt wird mir so einiges klar. Aber, ich habe nicht erwartet, dass wir heute schon so weit gehen werden, was jedoch nicht heißt, dass ich der Sache abgeneigt bin. Ich bin nur etwas überrascht."
„Dann … dann … willst du immer noch?" Stammelt Tokino verlegen vor sich hin. „Willst … willst du dich immer noch nicht duschen oder so, oder soll ich dir vielleicht den Rücken waschen?"
„Äh … doch, doch. … Irgendwie … schon!" Stammelt jetzt auch Benji verlegen und ihm fällt es schwer Tokino weiter anzusehen, da er merkt, wie seine Erregung steigt, weil er begonnen hat sich vorzustellen, was ihn unter Tokinos Handtuch erwartet. „Ich finde … Rückenwaschen … klingt für den Anfang … nicht … schlecht, oder?!"
Tokino nickt ihm verlegen zustimmend zu und beide gehen ins Bad im ersten Obergeschoß. Obwohl Benji sich versucht gelassen zu geben und ihr klarmacht, dass es für ihn kein Problem ist, wenn Tokino dabei ist, während er sich entkleidet, besteht sie stur darauf draußen vor dem Bad zu warten bis Benji soweit ist und sich ein Handtuch unten herum angelegt hat. Sie werden sich doch gleich sowieso nackt sehen, denkt er sich und schüttelt verwirrt den Kopf, während er ihr ein Zeichen gibt, dass sie reinkommen kann. Mit rotem Kopf und ausweichenden Blick folgt Tokino Benji in das eigentliche Bad, wo ihn Tokino bittet sich auf einen kleinen Hocker zu setzen und sie in der Wanne beginnt heißes Wasser hineinlaufen zu lassen. Nachdem sich Benji etwas unwohl in die Mitte des Raumes niedergelassen hat, beginnt Tokino mit einem Schwamm, der getränkt ist mit Wasser und Seife Benji den Rücken vorsichtig abzufahren. Es ist eine Mischung aus Erregung und nervöser Aufregung, die Benji mehr ein ungutes Gefühl, als ein schönes vermitteln, während Tokino immer noch mit einem Handtuch umwickelt ihm von hinten versucht zärtlich aber leicht zögerlich mit nur dem Schwamm dazwischen zu berühren. Ohne es zu sehen, weiß er genau, was gerade unter seinem Handtuch los ist, dass er selbst auch immer noch trägt.
„Du machst das wirklich gut." Lobt Benji sie, um die Stimmung etwas aufzulockern, denn Tokino ist alles andere als redselig gewesen, seit sie das Bad betreten haben. „Hast du, dass schon öfters gemacht?"
„Was … was soll das denn heißen?" Reagiert Tokino leicht empört. „Glaubst du ich lade öfters Jungs zu mir ein, um mit ihnen … zu … nun, du weißt was ich meine."
„Das wollte ich damit nicht sagen." Korrigiert Benji sie und ist dabei etwas genervt über ihr Reaktion. Er hat ihr ja eigentlich nur ein Kompliment machen wollen. „So wie du redest, glaube ich mehr, dass ist dein erstes Mal."
„Ha, ha, ha! Erstes Mal? Sei nicht albern." Lacht ihn Tokino leicht spöttisch und doch etwas peinlich berührt aus. „Ich bin auf keinen Fall leicht zu haben, aber ich bin nicht unerfahren."
„Du schaffst es ja noch nicht mal, Sex beim Namen zu nennen." Versucht Benji sie zu überzeugen, ihm die Wahrheit zu sagen, weil er ihr immer noch nicht abkauft, dass sie mehr Erfahrung haben soll, als er. „Du kannst ruhig offen zu mir sein. Ich bin nämlich auch noch … Jungfrau."
„Waaaasss? Du verarschst mich doch gerade, oder?" Platzt es einer ungläubigen Tokino entsetzt heraus. „Du bist echt noch Jungfrau? Ich dachte du wärst…"
„Was? Ein Womanizer, Frauenmagnet, geiler Stecher, Casa Nova?" Fügt Benji sarkastisch hinzu ohne sie ausreden zu lassen. „Wann habe ich gesagt, dass ich bereits Erfahrung mit Sex habe?"
„Geiler Stecher? Hi, hi, hi! Sowas habe ich jetzt ehe nicht von dir gedacht." Grinst Tokino hinter seinem Rücken vor sich hin. „Aber du kommst doch aus dem Westen. Seid ihr da nicht total früh bei der Sache?"
„Selbst in Deutschland bespringen wir uns nicht sofort, sobald wir können." Erwidert Benji leicht gereizt über Tokinos Vorurteil. „Nur, weil ich aus dem Westen komme, heißt das nicht, dass ich automatisch in Sachen Sex weiter bin als ihr hier in Japan. Das ist sowieso von Person zu Person unterschiedlich, und ich hatte halt noch keine Freundin. Hattest du denn schon jemanden zum Freund?"
„Ja, aber das geht dich nichts an und ich will nicht darüber reden." Beantwortet Tokino abweisend seine Frage und hört auf Benji den Rücken zu waschen und wirft ihm den Schwamm vor die Füße. „Ich bin jetzt fertig. Den Rest kannst du selber machen, geiler Stecher."
Benji wäscht sich genervt den Rest seines Körpers und begießt sich schließlich mit einem Bottich mit klaren warmen Wasser um den Schaum abzuduschen, während Tokino die Gelegenheit genutzt hat sich unbeobachtet ihres Handtuchs zu entledigen und in die Wanne gestiegen ist. Als Benji sich erwartungsvoll zu ihr umdreht, muss er jedoch etwas enttäuscht feststellen, das sich Tokino mit dem Rücken zu ihm in den hinteren Teil der Wanne verlegen zusammenkauert, und ihm den Platz hinter ihr übriggelassen hat. Obwohl sie so tut als wolle sie gar nicht erst sehen, was Benji unter seinem Handtuch verbirgt, kann er dennoch einen leicht erhaschenden Blick von ihr erkennen, wie er sein Handtuch ablegt und hinter ihr in die Wanne steigt. Trotz der Tatsache, dass beide nun vollkommen nackt in derselben Wanne sitzen, fühlt sich für Benji die Stimmung ziemlich unerotisch an. Tokinos abweisendes Verhalten und ihr Zieren, sich ihm endgültig unverhüllt zu zeigen tragen nicht gerade dazu bei, dass sich die beiden in irgendeiner Form näherkommen, emotional, wie sexuell. Auch wenn es Benji sehr gefällt, was er bisher zu Gesicht bekommen hat. Ihr Rücken verrät nicht viel, lässt aber seiner Fantasie freien Lauf. Tokino hingegen scheint sich nur langsam etwas entspannen zu können. Sie schaut ab und zu verstohlen über ihre Schulter und versucht einen Blick auf Benji zu werfen, doch immer, wenn er ihren Blick erwidern will, schaut sie schnell wieder weg.
„Das ist echt ein großartiges Date." Murmelt Benji sarkastisch vor sich hin nachdem er einen großen Seufzer abgelassen hat. „Kann ich dich etwas Fragen, Tokyo?"
„Ich habe keine Ahnung, wer diese Tokyo ist, von der du immer redest." Spielt Tokino beleidigt die Ahnungslose. „Aber du kannst ja einfach mal fragen, vielleicht antwortet sie dir ja."
„Okay, tut mir leid." Versucht sich Benji ernsthaft zu entschuldigen. „Kanzaki-San? Warum bist du davon ausgegangen, dass wir beim ersten Date miteinander Sex haben? Warum willst du überhaupt mit mir schlafen? Im Moment habe ich nicht den Eindruck, dass du wirklich Lust darauf hast."
„Ich … ich dachte, das ist in Deutschland so, dass man bei einem Date miteinander … schläft." Gesteht Tokino leicht verlegen. „Ich dachte du erwartest, dass wir es heute miteinander tun. Ich wusste ja nicht, dass du null Erfahrung darin hast. Und du bist wirklich noch Jungfrau?"
„Ja, was den Sex angeht schon." Erwidert Benji erneut gereizt, da sie anscheinend mit ziemlich vielen Vorurteilen an ihr gemeinsames Date rangegangen ist. „Geküsst, habe ich schon mal ein Mädchen, aber wir waren kein Paar oder verliebt oder sowas. Und in welchem Universum bitte bedeutet ein Date gleich Sex?"
„Na, wollen Jungs, nicht sowieso, immer nur das eine?" Argumentiert Tokino mit hoch rotem Gesicht. „Ich will nicht sagen, dass ich irgendwie verliebt bin in dich oder so, oder dass ich unbedingt mit jedem Jungen … schlafen möchte, der mir gefällt, aber ich habe Erfahrung mit … Sex und ich finde es schön und … ich finde dich irgendwie süß! Das es dein erstes Mal ist, wusste ich nicht. Ich dachte wir wären beide … auf demselben Level. Ist es so falsch davon auszugehen, dass wir heute miteinander Spaß haben?"
„Falsch nicht, aber schon unerwartet ungewöhnlich." Bemerkt Benji nachdenklich. „Tut mir leid, wenn ich deine Erwartungen nicht erfüllen kann. Wir hatten wohl beide unterschiedliche Vorstellungen von unserem Date. Aber ist meine Unerfahrenheit ein Problem für dich? Willst du jetzt nicht mehr?"
„Naja, ich hatte gehofft, dass du die Führung übernimmst, weil du weißt wie es geht." Gesteht Tokino ihm ehrlich. „Aber auch wenn es nicht wirklich für mich ein Problem ist, dass du noch Jungfrau bist, du trägst nicht gerade viel dazu bei, dass es heute noch zwischen uns passiert."
„Das ist ein Argument." Gibt Benji ihr nachdenklich recht, denn ihm wird gerade klar, dass nicht nur Tokino die Stimmung mit ihrem Verhalten nicht hochkommen lässt, sondern er mit seiner rechthaberischen Art genauso. Vielleicht sollte er wirklich die Führung übernehmen, auch wenn er keine Ahnung hat wie, überlegt er vor sich hin. „Wie wäre es denn, wenn du dich zu mir umdrehst? Ich würde gerne mehr von deiner Schönheit bewundern."
„Du willst mir doch nur auf die Brüste glotzen." Verteidigt sich Tokino mit skeptischen Blick. „Wahrscheinlich willst du sie direkt anfassen und sie drücken, das mag ich nicht so gerne."
„Äh … also ja, ich würde deine Brüste schon gerne sehen, aber ich habe eigentlich an was Anderes gedacht." Erwidert Benji leicht verlegen. „Ich würde dich nämlich gerne küssen, oder willst du das nicht?"
„Küssen? … Mmmh … es ist nicht so, dass ich es nicht möchte, aber..." Überlegt Tokino schwärmerisch vor sich hin. „Aber vorher möchte ich, dass du meinen Namen einmal richtig sagst."
„Okay!" Atmet Benji tief durch, als wolle er zu einem hundert Meter Sprint ansetzen. „Tokino-Chan, darf ich dich küssen?"
Langsam und vorsichtig, bedacht nicht direkt zu viel von sich zu zeigen, dreht sich eine immer noch sehr verlegen dreinschauende Tokino zu ihm um. Sie hält ihre Oberweite zwar immer noch mit ihren Armen bedenkt, doch Benji sieht genug, dass seine Erregung schlagartig wieder steigt. Mit rotem Gesicht schaut sie Benji von oben bis unten musternd an.
„Ja!" Haucht Tokino ihm mit einem süßen Lächeln entgegen. „Küss mich Ben Kinobi, du geiler Stecher."
Mit geschlossen Augen streckt sie ihm ihre Lippen entgegen und Benji rügt vorsichtig und sehr aufgeregt näher zu ihr hin, bedacht darauf sie nicht mit dem Rest seines Köpers direkt zu berühren. Langsam nähert er sich mit seinem Gesicht ihrem und merkt dabei wie sein Herz immer schneller schlägt. Okay, dass kriegst du hin, versucht er sich selbst Mut zu machen. Langsam und zärtlich, aber bestimmt, wie beim letzten Mal, sagt er im Stillen zu sich selbst, während seine Lippen ihren immer näherkommen und sich schließlich leicht zitternd berühren. Es ist ein leichter vorsichtiger Kuss den beide öfters hintereinander wiederholen und dabei immer etwas intensiver werden, bis Benji kurz vor ihrem Gesicht innehält.
„Soll … ich … weitermachen?" Fragt er etwas außer Atem.
„Ja, … mehr … bitte!" Stöhnt sie ihm leicht entgegen.
Sie küssen sich erneut und wieder und wieder. Ihre Küsse werden immer heftiger, so dass ihre Lippen und Zungen sich beginnen ineinander zu verschlingen und ihre Hände den Körper des anderen suchen und sich zärtlich berühren und streicheln, bis durch ihre stürmischer werdenden Bewegungen das Badewasser über den Beckenrand schwappt.
Haruka hat inzwischen für sich endgültig festgestellt, dass sie aus der Nummer nicht durch eine Flucht wieder rauskommt. Aufgegeben sich in irgendeiner Form zu wehren hat sie sich mit dem Rücken verzweifelt gegen einen Spint manövrieret, um wenigstens hinter sich ein Gefühl von Sicherheit zu erlangen, während die Gruppe an Mädchen, die sie umstellt hat, sich in einem Halbkreis um sie formieren, um jede Fluchtmöglichkeit zu verhindern, mit Natsume in der Mitte als führende Kraft. Während die beiden anderen Mädels aus ihrer Klasse mehr verunsichert, aber dennoch streng sie mustern, schauen die beiden Schülerinnen aus der Parallelklasse sie mit einem hämischen Grinsen herausfordernd an, wohl in der Hoffnung bei ihrer Aktion gegen Haruka voll auf ihre Kosten zu kommen. Natsume hingegen zeigt ihr, für Haruka wohl bekanntes, spöttisches und argwöhnisches Lächeln, was Haruka schon immer eine Heidenangst gemacht hat.
„Geht es dir gut Haruka?" Fragt Natsume sie spöttisch. „Du siehst nicht so aus, als würde es dir wieder bessergehen. Vielleicht wärst du doch lieber noch zu Hause geblieben und nicht wiedergekommen."
„Ja Haruka." Stimmt das Mädchen aus der Parallelklasse mit dem Kurzhaarschnitt Natsume grinsend zu. „Das wäre besser für uns alle gewesen, du kleiner Quälgeist."
„Sollen wir der Sache vielleicht etwas nachhelfen?" Fügt die Rothaarige mit einem verschmitzten Lächeln hinzu. „Es wird auch nicht weh tun, versprochen."
„Klappe Sora und Jessica!" Zischt Natsume die beiden Mädchen aus der Parallelklasse an. „Wir hatten abgemacht, dass ich das reden übernehme. Seht ihr nicht, dass ihr sie total verängstig."
Sora schenkt ihr einen missgünstigen Blick, schweigt aber, während Jessica nur gelangweilt mit den Achseln zuckt. Haruka fällt es schwer ihren Blick aufrecht zu halten. Zitternd versucht sie nicht hilflos zu Boden zu schauen. In ihren Augen spürt sie jedoch schon wie sich die Tränen bilden. Mit ihrer schwindenden Kraft probiert sie all ihren Mut zu sammeln, um sich nicht als leichtes Opfer ihnen auszuliefern.
„Ich … ich habe keine Angst vor euch." Versucht sich Haruka zu verteidigen. „Und … und ich werde auch weiterhin zur Schule kommen. Ich bin lange genug vor dir weggelaufen … Natsume."
„Oh, wie süß, fühlt sich auf einmal wieder super stark." Verhöhnt Natsume Harukas Aufbegehren. „Glaubst wohl, dass dein vorlauter Bruder dich vor uns beschützen kann. Wo ist er denn jetzt gerade. Hat dich ganz allein gelassen. Arme kleine Haruka. Auch er kann dich nicht ewig retten."
„So ist das nicht." Wehrt sich Haruka verzweifelt. „Mit Benji … äh … Jirow-Kun hat das hier nichts zu tun. Ich habe ihm nichts erzählt und er hält sich aus der Sache raus."
„Das ist auch besser so!" Mischt sich das Mädchen mit dem dunklen Teint mit einem strengen Blick ein. „Aber leider hat euer beider Anwesenheit in der Klasse dazu geführt, dass Kuno wiederaufgetaucht ist, wie wir gehört haben. Und das beunruhigt bereits die ganze Klasse. Alle wollen das er verschwindet."
„Da muss ich Hanami-Chan leider recht geben." Wendet sich Natsume erneut an Haruka mit einem argwöhnischen Blick zu Hanami, der ihr sagen soll, dass auch sie sich zurückzuhalten hat. „Dein lästiger Ex-Freund ist ein Störenfried. Er macht nur Ärger und alle haben Angst vor ihm. Das ist schlecht für die Gemeinschaft. Meinst du nicht auch Chitose-Chan?"
„Was? … Ja, ist es." Pflichtet ihr Chitose, das andere Mädchen aus Harukas Klasse, bei überrascht miteinbezogen zu werden. „Kuno macht mir Angst und das geht nicht nur mir so. Die gesamte Stimmung in der Klasse ist so mies geworden seit er wieder regelmäßig zur Schule kommt."
„Siehst du Haruka." Fühlt sich Natsume gespielt bestätigt. „Und das Ganze ist allein deine Schuld. Du bist verantwortlich dafür, dass er so geworden ist und wegen dir und deinem Bruder müssen wir ihn jetzt jeden Tag ertragen. Das ist echt ätzend, oder was meint ihr dazu?"
Alle anderen Mädchen stimmen Natsume aufgefordert zu. Haruka schaut verzweifelt in ihre anprangernden Gesichter, die für sie scheinbar für die ganze Klasse sprechen. Sie fühlt sich allein, allein gelassen von Benji, von Megumi und selbst von Eiji, der nicht mal mehr mit ihr sprechen will. Mit Tränen in den Augen versucht sie dieses Gefühl abzuschütteln, doch sie muss hart mit sich kämpfen um dagegen zu halten.
„Das ist nicht wahr." Heult Haruka bitterlich los. „Ich habe, dass alles nicht gewollt. Du bist schuld, dass Kuno mich und die Schule hasst. Du hast ihn und mich vor der Klasse bloßgestellt, Natsume. Dabei habe ich dir immer vertraut."
„Das sind sehr harte Anschuldigen, die du da gegen mich vorbringst Haruka, findest du nicht?" Verteidigt sich Natsume mit ihrer spöttischen Art. „Was habe ich denn großartiges gemacht? Ich habe den anderen nur die Wahrheit gesagt. Die Wahrheit über eure kranke Beziehung. Ich finde, dass das alle wissen sollten, ihr nicht auch?"
„Auf jeden Fall." Pflichtet ihr Sora mit einem falschen Lächeln bei. „Euer Verhalten ging uns schon vorher total auf die Nerven."
„Ja! Ha, ha, ha! Echt nervig." Fügt Jessica lachend hinzu. „Sind sie ein Paar oder sind sie kein Paar? Und dieses ständige gegenseitige Beschützen. Echt viel zu Anime mäßig."
„Ich glaube, was Jessica damit sagen will, ist, dass ich euch einen großen Gefallen getan habe." Legt sich Natsume Jessicas ehe witzig gemeinten Worte zurecht. „Jetzt wisst ihr endlich woran ihr seid. Das davor, war doch total verstörend. Und Kuno mit seiner ständigen Eifersucht war einfach nicht mehr tragbar. Jetzt geht es euch doch viel besser, oder Haruka? Besonders für dich, hat sich ja ein Problem damit gelöst. Ich habe es sogar für mich behalten, dein kleines Geheimnis. Ist das nicht nett von mir?"
Die anderen Mädchen müssen verstohlen daraufhin kichern und Haruka vermutet peinlich berührt, dass Natsume ihr anvertrautes Geständnis zwar nicht in der Klasse herum posaunt hat, aber anscheinend ihrer Clique verraten hat. Gedemütigt sinkt Harukas Blick zu Boden und sie sieht wie ihre Tränen auf ihre Schuhe tropfen. Ihr fällt nichts mehr ein, was sie noch erwidert könnte. Natsume scheint sie in der Hand zu haben. Wenn sie sich jetzt noch wehrt, dann wird sie wohl alles, was sie Natsume von sich erzählt hat, der ganzen Schule enthüllen.
„Was … was soll ich denn jetzt machen." Fragt Haruka weinend mehr sich selbst, als Natsume und die anderen. „Was erwartet ihr von mir?"
„Ach Haruka!" Gibt sich Natsume weiter spöttisch. „Das weißt du doch selbst am besten. Überleg doch mal. Wir kannst du es am besten schaffen, dass wir alle deinen nervigen Ex loswerden und dich am besten auch? Und deinen Bruder kannst du gleich mitnehmen. Er mag zwar bei einigen recht angesehen sein, aber auch er geht uns langsam ziemlich auf den Geist."
„Also ich finde den Cowboy cool." Erwidert Jessica schwärmerisch beiläufig, worauf die anderen Mädchen sie skeptisch anschauen. „Er ist echt witzig."
„Jessica! Das interessiert keinen." Giftet Natsume sie an und wendet sich nochmal an Haruka. „Das war unsere letzte Warnung Haruka. Tu was dagegen und mach uns keine Probleme mehr. Merk dir meine Worte. Und wenn du dieses Mal die Lehrer einweihst, dann kann dich niemand mehr retten, auch die nicht."
Mit diesen Worten zieht die Gruppe von Haruka ab und lässt sie weinend und gedemütigt zurück. Harukas Beine fühlen sich so kraftlos an, dass sie an den Spinnt, an dem sie lehnt, schwächelnd zu Boden sinkt und zusammengekauert leise vor sich hin winselt, dass sie auch ja keiner hören kann.
Erschöpft liegen Benji und Tokino eng umschlungen in ihrem Bett nur leicht mit einer Decke bedeckt, während der Großteil ihrer Stofftiere, Kissen und Bettüberzüge neben ihren noch nassen Handtüchern verstreut auf dem Fußboden liegen. Benji liegt auf dem Rücken und atmet langsam aber schwer mit dem Blick zur Decke, in seinen Armen die ebenso leicht außer Atem geratene Tokino die noch immer mit ihrem halben nackten Körper auf Benjis liegt.
„Uff! Ich hätte nicht gedacht, dass Sex so anstrengend sein kann." Schnauft Benji zur Decke hin. „Ich finde dieses Mal, war doch schon wesentlich besser als die Male davor, oder?"
„Naja, ich bin immer noch nicht wirklich auf meine Kosten gekommen." Japst Tokino erschöpft. „Du kommst halt immer noch viel zu schnell. Und dieses Mal tat es mir schon ein bisschen weh."
„Soll ich es dir nochmal so machen?" Fragt Benji sie beunruhigt. „Das hat dir doch gefallen, oder nicht? Also ich hatte schon den Eindruck."
„Schon gut." Beruhigt ihn Tokino immer noch erschöpft und streichelt ihm sanft über die Brust. „Ich habe genug für heute. Bin viel zu Müde für eine vierte Runde."
„Schade. Obwohl ich glaube, dass es heute bei mir auch nichts mehr zu steigern gibt." Gesteht sich Benji schnaufend selber ein. „Heißt das denn, wir wiederholen dies hier in naher Zukunft?"
„Mal schauen. Es kommt selten vor, dass ich das Haus für mich alleine habe." Verrät ihm Tokino nachdenklich. „Meine Eltern kommen auch bald wieder, du solltest jetzt gleich auf jeden Fall verschwinden."
„Was denn?" Fragt Benji gespielt enttäuscht. „War ich so schlecht, dass du mich rausschmeißt? Ich dachte wirklich, du stellst mich deinen Eltern vor."
„Lass mich eins klarstellen, Ben Kinobi." Reagiert Tokino sehr ernst und energisch, als ob sie nie wirklich erschöpft gewesen wäre. „Wir beide sind kein Paar. Und niemand wird von dieser Sache hier erfahren. Nicht meine Eltern, nicht deine Eltern und schon gar keiner aus der Schule. Verstanden? Wenn zwischen uns nochmal sowas, wie das hier abläuft, dann nur zu meinen Konditionen. Habe ich mich verständlich für dich ausgedrückt?"
„Klar und deutlich." Stimmt Benji ihr leicht eingeschüchtert zu. „Obwohl meine Eltern damit kein Problem hätten, dass ich ein Mädchen mit nach Hause bringe. Sie sind dem gegenüber recht offen. Meine Mutter auf jeden Fall zumindest. Oder wir gehen in ein Love Hotel?"
„Ich gehe auf keinen Fall mit dir in ein Love Hotel." Erwidert Tokino leicht erzürnt und rollt sich von Benjis Körper ab und zieht den Großteil der Decke über ihre nackte Haut. „Ich will nicht, dass uns irgendjemand sieht. Auch nicht deine Eltern, auch wenn sie wirklich so locker sind, wie du behauptest. Die Mädchen aus meiner Klasse lästern schon genug über mich. Und unsere Klassensprecherin meint sowieso schon, dass ich ein Flittchen bin. Ich will ihre falsche Meinung über mich, nicht noch unterstützen."
„Ach ja, deine allerbesten Freundinnen." Erinnert sich Benji witzelnd wieder, der versucht etwas Decke noch für sich zu behalten, was zu einem kurzen Wettziehen mit Tokino führt, was er jedoch verliert, da sie mit ihrem ganzen Körper dagegenhalten kann. „Aber, du musst zugeben, ohne sie, wären wir nie im Bett gelandet. Das ist doch was Gutes?!"
„Klappe Ben Kinobi!" Weist ihn Tokino verstimmt ab, die sein Kommentar scheinbar gar nicht witzig findet und stößt ihn mit ihren Füßen in Richtung Bettkante. „Und jetzt raus aus meinem Bett und zeih dich an. Du musst jetzt gehen. Und wenn jemand fragt, wir beide haben zusammen gelernt für … für …"
„… Englisch!" Schlägt ihr Benji selbstgefällig vor, der sich bereits auf die Bettkante gesetzt hat und mit seinem immer noch feuchten Handtuch seinen Schritt bedeckt, was sich ziemlich unangenehm anfühlt, wie er feststellen muss. „Ich bin bekannt dafür, dass ich darin sehr fortgeschritten bin. Also, ein ziemlich gutes und plausibles Alibi."
„Wie du meinst." Stimmt ihm Tokino gleichgültig zu, die sich bereits umgedreht hat und nun fast komplett unter ihrer Decke verschwunden ist. „Zieh beim Rausgehen die Tür richtig zu und stell sicher, dass dich keiner der neugierigen Nachbarn sieht."
„Wie, kein Abschiedskuss?" Beschwert sich Benji übertrieben enttäuscht über Tokinos abweisende gelichgültige Art. Worauf sie ihm kommentarlos eines ihrer Stofftiere, die es geschafft haben in ihrem Bett zu verweilen, während sie darin zugange waren, entgegenwirft, dass Benji mit knapper Not fangen kann und bei genauer Betrachtung als Frosch identifiziert. „Dann küss ich eben dich, Frosch-San. Du warst wenigstens immer nett zu mir."
Als Benji den Plüschfrosch einen Kuss gibt fliegt ihm ein weiteres Stofftier entgegen, von Tokino als Reaktion ihm entgegengeschmissen. Dieses Mal muss es wohl etwas Schwereres gewesen sein, ein Elefant vermutet er, denn er reibt sich die Stelle am Kopf, wo er von dem Stofftier getroffen wurde, da es schon ein bisschen gezwiebelt hat. Mit einem kurzen Abschiedsgruß, der von Tokino nur mit einem grummeln erwidert wird, huscht er schließlich zurück ins Bad, um seine Sachen zu holen und verlässt dann in aller Heimlichkeit aber irgendwie sehr glücklich darüber, dass es heute endlich passiert ist und er jetzt keine Jungfrau mehr ist, Tokinos Haus, nicht ohne sich zu vergewissern, dass er die Haustür auch wirklich richtig zugezogen hat.
Als Benji zu Hause ankommt, möchte er am liebsten Haruka von seinem Erlebnis erzählen, doch dann fällt ihm wieder schlagartig ein, dass er erstens ihr gegenüber Tokino bis jetzt geheim gehalten hat und dass er zweitens sie heute auch noch wegen ihr versetzt hat. Mit einem nun aufkommenden schlechten Gewissen, dass er bisher durch seine Euphorie über sein erstes Mal gänzlich verdrängt hat, steht er vor ihrer Zimmertür und versucht sich eine plausible Ausrede auszudenken, warum er sie heute alleine nach Hause hat gehen lassen und ekelt sich dabei über sich selber, dass er wieder versucht sich aus der Sache herauszuwinden. Wenigstens entschuldigen sollte er sich, sagt er zu sich selbst, während er leicht an ihrer Tür klopft. Doch eine Reaktion darauf bleibt aus. Vermutlich schläft sie schon, es ist ja auch bereits Abend, als er von Tokino zurückgekommen ist, und redet sich ein, dass alles gut ist und sie morgen bestimmt nicht irgendwie sauer auf ihn sein wird. Er geht in sein Zimmer und schreibt Julia eine Mail über den heutigen Tag. Wenigstens einer Person möchte er sich darüber mitteilen. Zwar hat er Julia auch bis jetzt nichts von Tokino erzählt, aus Angst sie würde ihm davon abraten ihr weiter hinterherzulaufen, doch bis jetzt hatten Julia und er sich immer alles erzählt, auch die intimeren Sachen. Schließlich ist sie für ihn immer wie ein besseres Gewissen gewesen, und er ist bereit sich ihrem Urteil zu stellen. Während er so schreibt und der Wind durch das halb offene Fenster dabei das einzige Geräusch ist, was er neben dem Tippen auf der Tastatur vernimmt, hört er plötzlich ein leichtes Winseln und Schniefen vom Balkon herkommend. Verwundert schaut er durch die Balkontür nach draußen und entdeckt Haruka im Schlafanzug, wie sie mit Tränen in den Augen das Geländer ihres Balkons umklammert und die mehreren Metern nach unten zum Garten hin genauestens abzuschätzen versucht.
„Haruka, was machst du da?" Ruft Benji ihr entsetzt zu. „Du willst doch nicht etwa da runterspringen."
„Was? Nein, will ich nicht!" Verteidigt sie sich erschrocken, als sie Benji bemerkt. „Obwohl…?! Geh weg und lass mich allein."
„Was soll das heißen? Was ist los?" Fragt Benji sie besorgt und klettert über das Geländer zwischen ihren beiden Balkonen zu ihrem herüber. „Geh vom Geländer weg und sag mir was passiert ist, Haruka!"
„Lass mich in Ruhe." Erwidert sie aufgebracht und flüchtet vor ihm in ihr Zimmer. „Ich will dich nicht sehen oder mit dir reden."
Sie versucht ihre Balkontür hinter sich zu zumachen, doch Benji ist schneller und hat seinen Fuß dazwischen. Leider hat er im Gefecht vergessen, dass er keine Schuhe trägt und so schreit er schmerzend auf, als Haruka versucht die Tür trotzdem mit aller Kraft zuzudrücken, bis sie erkennt, dass sie ihn verletzt hat und mit verzweifelten und entsetzen Blick rückwärts durch ihr Zimmer stolpert und versehentlich nach hinten auf ihr Bett fällt. Sie beginnt wütend und weinend mit den Fäusten auf ihr Bett zu trommeln und als Benji näher kommt bewirft sie ihn mit den Kuscheltieren, die sie gerade auf den Rücken liegend erreichen kann. Sich heute erneut einem Hagel aus Plüsch entgegenzustellen, hätte Benji jetzt auch nicht gedacht und schützt sich mit einem Arm vor ihren Attacken, während er sich mit dem anderen am Mobiliar abstützt, da er nur auf einem Bein humpelnd versucht nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Arrh! Ich habe gesagt du sollst weggehen." Beschwert sich Haruka wütend erneut. „Wegen dir ist alles noch schlimmer geworden und jetzt habe ich dich auch noch verletzt. Alles nur, weil du dich dauernd einmischst. Verstehst du das nicht?"
„Tut mir leid, aber ich verstehe es nicht!" Gibt Benji leicht angestrengt durch seine Verfassung zu. „Aber was ich verstehe, ist, dass du gerade eben wohl tatsächlich darüber nachgedacht hast dir ernsthaften Schaden zuzufügen. Oder täusch ich mich da. Da hört für mich jeder Respekt auf, denn niemand sollte in die Versuchung geraten sich das Leben zu nehmen."
„Das wollte ich nicht, wirklich nicht!" Gesteht ihm Haruka reumütig. „Es war nur so verlockend. All der Schmerz und die Qual. Einfach weg, mit einem Sprung."
Benji hat sie mittlerweile an ihrem Bett erreicht, als sie aufgehört hat nach ihm Sachen zu werfen und versucht unter Schmerzen auf beiden Beinen zu stehen, während sie, mittlerweile sitzend, ihn schniefend und verzweifelt anschaut. Mit schmerzverzerrten Gesicht fällt er vor ihr auf die Knie und landet mit dem Gesicht in ihren Schoß. Während er sie mit beiden Armen um die Hüfte fest umklammert, und seine Stirn auf ihren Oberschenkel abstützt.
„Mach das bitte nie wieder, hörst du!" Verlangt er von ihr unter Tränen, die wohl eine Mischung aus Schmerz, Anstrengung und hochkommenden Emotionen sind. „Versprich mir das bitte! Denke nie wieder darüber nach. Ich will dich nicht verlieren. Du bist mir bereits zu wichtig, als dass ich ertragen kann, wie du dir selber so weh tust."
„Benji…?!" Schaut ihn Haruka erstaunt über seine Worte an und beginnt schniefend und mit tränenreichen zusammen gekniffenen Augen bestätigend zu nicken. „Ja … Benji … ich …ich verspreche es dir."
„Gut. Das ist gut." Atmet Benji ebenfalls schniefend erleichtert auf. „Vergiss bitte nicht, was ich für dich empfinde. Und es gibt mehr Menschen um dich herum, die das Gleiche tun. Also enttäusche uns nicht. Bitte."
Haruka nickt ihm zu während sie mit ihrem Oberkörper seinen Kopf von oben umhüllt, während Benji sie immer noch fest umarmt und seine eigenen Tränen auf ihre Hose tropfen. Nach einer Weile haben beide sich soweit beruhigt, dass sie aufgehört haben zu weinen und lösen sich langsam aus ihrer Umarmung. Benji setzt sich mit einem leicht unterdrückten Schmerz neben ihr aufs Bett und schaut sie fragend an.
„So und jetzt möchte ich wissen, wer dir das angetan hat." Verlangt er von ihr mitfühlend aber bestimmend. „Und keine Ausflüchte mehr von dir, dass ich mich nicht einmischen soll. Dafür ist es jetzt bereits zu spät. Ich bin schon mittendrin, weil ich dein Bruder bin und du mir wichtig bist."
„Das … das kann ich nicht. Versteh doch bitte." Versucht Haruka verzweifelt sich rauszureden. „Selbst, wenn du mir hilfst, du wirst das Problem nicht lösen können. Ich habe Angst, Angst, dass es schlimmer wird, wenn ich jemanden alles erzähle. Ich wurde gewarnt es nicht zu tun."
„Das sagen sie immer, weil sie Angst haben, dass du dann nicht mehr ein leichtes Opfer für sie bist. Es wird Zeit die Karten neu zu mischen und zu zeigen, dass du nicht alleine bist." Versucht Benji ihr deutlich zu machen, dass ihr Schweigen es auch nicht besser macht. „Also wer war es? War es Eiji? Mit dem werde ich schon fertig."
„Nein, nein! Eiji ist auch ihr Opfer." Nimmt Haruka ihn in Schutz. Sie fängt wieder leicht an zu weinen und schüttelt kämpferisch den Kopf, um das Gefühl der aufkommenden Tränen los zu werden. „Es war … es war… Natsume, … von Anfang an, … Ono Natsume, aus unserer Klasse."
Nachdem Haruka ihm den Namen endlich sagen konnte, brechen die Tränen nur wieder so aus ihr heraus. Benji vermutet, dass es eine Art erlösendes Weinen ist, weil sie sich schließlich ihm anvertraut hat und gleichzeitig glaubt er, dass sehr viel Furcht vor dieser Person und deren Namen in Haruka steckt, dass es ihr sehr viel Überwindung kostet ihn überhaupt vor jemand anderen auszusprechen. Zwischen ihrem Schluchzen und Schniefen, erzählt sie Benji in kurzen bruchstückhaften Szenen, was heute passiert ist. Benji versteht nicht alles, was sie so vor sich hin jammert, aber kann ausmachen, dass eine Gruppe von fünf Mädchen, teilweise aus seiner Klasse und angeführt von Natsume ihr heute aufgelauert hat und sie dazu gezwungen hat dafür zu sorgen, dass Eiji, Haruka und Benji am besten auch aus der Klasse verschwinden. Die Motive werden ihm nicht so ganz klar, da Haruka ihm scheinbar immer noch etwas verschweigt, aber er ist überrascht zu erfahren, dass Natsume wohl zu dem gespaltenen Verhältnis von Haruka und Eiji beigetragen hat. Als er für sich merkt, dass er die Situation von heute vielleicht hätte verhindern können, wenn er nicht mit Tokino gegangen wäre, beginnt ihm sein schlechtes Gewissen wieder erneut zu plagen. Er gibt sich selbst die Schuld für das heutige Ereignis und ärgert sich über sich selbst, dass er die ganze Zeit so egoistisch gedacht und gehandelt hat. Viel ist aus Haruka jedoch nicht mehr herauszukriegen. Ausgelaugt und müde von der emotionalen Anstrengung und den Rest des Tages schläft sie nachdem sie sich immer mehr beruhigt hat neben Benji ein, der daraufhin wieder unter Schmerzen über den Balkon in sein Zimmer humpelt und ebenfalls müde und kaputt in sein Bett fällt. Die Mail an Julia hat Zeit bis morgen, denkt er sich. Ihm ist gerade sowieso nicht danach weiterzuschreiben. Ein Tag wie dieser, der zu einem der Schönsten seines Lebens hätte werden können, hat sich zu einem wahren Desaster entwickelt und alles nur wegen seinem dämlichen Egoismus, quält sich Benji mit seiner selbstauferlegten Schuld und wälzt sich unruhig im Bett hin und her, schafft es aber schließlich irgendwie doch noch etwas Schlaf zu finden.
µ µ µ
Am nächsten Morgen betritt Benji alleine seine Klasse. Er fühlt sich immer noch müde, denn sein Schlaf von letzter Nacht ist alles andere als erholsam gewesen. Zudem tut sein Fuß immer noch ein bisschen weh beim Auftreten, obwohl er heute Morgen halb so schlimm aussah, als er sich am Vorabend angefühlt hat. Haruka hat darauf bestanden heute zu Hause zu belieben und sich krank zu melden. Benji ist nicht dafür gewesen, hat sich aber von ihr überzeugen lassen, dass angesichts Ihres aktuellen Zustands, sie einen Tag Pause gut vertragen kann und so, mit der erneuten Erinnerung an ihr Versprechen, sich selber nichts anzutun, hat Benji sie mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Obwohl er sich nicht wirklich fit fühlt, hat ihn seine Wut auf sich selbst und auf die gesamte Situation ihn vorangetrieben heute einen Gegenschlag auszuführen. Das hat auch Megumi gemerkt, als er sich mit ihr vor dem Unterricht am Schultor getroffen und sie in die Ereignisse des letzten Tages eingeweiht hat. Sie ist entsetzt gewesen zu hören, wie weit Natsume gehen würde und wollte am liebsten ihre Schwester einschalten, doch Benji hat energisch darauf bestanden es erst einmal selber versuchen zu wollen. Megumi hat natürlich sofort protestiert und ihn daran erinnert, was sie und Haruka ihm die ganze Zeit gepredigt haben und er es vermutlich noch schlimmer machen könnte. Doch als Benji ihr von Harukas Zustand erzählt und ihr leicht zornig klargemacht hat, dass er von ihrer Nicht-Einmischen-Politik die Schnauze gewaltig faul hat, hat Megumi ihm etwas widerwillig zugesagt, dafür zu sorgen, dass er heute ungestört von ihr, als Klassensprecherin und ihrem Stellvertreter Yoshitaka fünf Minuten mit Natsume reden kann, nur unter der Bedingung, dass er ja nichts Dummes anstellen wird. Etwas Dummes anstellen, sagt er zu sich selbst, während er von seinem Platz aus im Unterricht Natsume von hinten beobachtet. Es wird Zeit für eine dumme Aktion, denkt er sich, eine wirklich richtig dumme Aktion. Viel weiß er nicht über Natsume, nur, dass sie wohl eine der beliebtesten Mädchen der Klasse, wenn nicht sogar der ganzen Schule ist. Angeblich arbeitet sie neben der Schule als Model und trägt ihren Status gerne nach außen vor sich her. Bisher ist sie Benji nicht großartig aufgefallen, aber er hat sich auch angewöhnt im Laufe seiner Jahre in Deutschland solche Mädchen gekonnt zu ignorieren, was sich in Japan nicht geändert hat. Für Natsume, wie für alle anderen von ihrem Typ, ist das Image nach außen das A & O und manche davon gehen dafür sogar über Leichen, hat Benji für sich festgestellt. Die ganze Zeit legt er sich zurecht, was er ihr sagen wird, wenn er sie schließlich konfrontiert und schafft es daher so gerade noch dem Unterricht zu folgen. In der Mittagspause ist es endlich soweit. Er weiß, dass Natsume meist in der Klasse bleibt, umgeben von ihrem weiblichen Gefolge, wie auch dieses Mal. Selbst die ihm bereits bekannte und eigentlich sympathisch wirkende Jessica ist zu seiner Verwunderung dabei, da Haruka sie nicht im Detail gestern erwähnt hat. Aber das soll ihn nicht daran hindern sich auf Natsume zu konzentrieren, denn die anderen Mädels scheinen für ihn lediglich nur Mitläufer zu sein. Megumi gibt Benji ein kurzes Zeichen und bittet Yoshitaka mit ihr etwas außerhalb der Klasse zu besprechen. Nur noch zwei bis drei vereinzelte kleine Grüppchen sind noch anwesend neben Natsumes Clique und ihm und Eiji, der heute wieder einmal in der Pause gelangweilt auf seiner Schulbank vor sich hin schmollt. Benji atmet nochmal tief durch und sammelt seine ganze Wut, um sie Natsume entgegenzuschmettern. Er steht auf und geht auf ihren Tisch zu und bewegt sich dabei gezielt langsam an Eijis Tisch vorbei, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Er will ihm zeigen, dass jetzt etwas passieren wird, und dass er es nicht nur für Haruka macht, sondern auch für ihn. Eiji folgt verachtend Benjis Gang und schaut skeptisch, wie Benji sich kommentarlos einen leeren Stuhl neben Natsumes Gruppe nimmt und sich auf diesen demonstrativ direkt vor Natsume setzt unter den verwunderten bis verwirrten Gesichtern der Mädchen, die sofort aufhören zu quasseln und verstummen, als sie ihn registrieren. Jessica ist die Einzige die positiv auf ihn reagiert und verschmitzt angrinst. Wohingegen Natsume Benji skeptisch anschaut, wie er noch einmal tief Luft holt, bevor er mit einem Lächeln beginnt ihr sein Anliegen vorzutragen.
„Hi, Kawasaki Jirow, von der letzten Reihe ganz links am Fenster, Harukas vorlauter Stiefbruder, falls du dich nicht erinnern solltest. Ich habe rein zufällig gehört, dass du und deine wirklich reizenden Spießgesellinnen es sich nicht verkneifen konnten, meiner Schwester mitzuteilen, dass ihre Anwesenheit, sowie meine eigene und die unseres gemeinsamen Klassenkameraden Kuno-San in dieser Klasse unerwünscht ist. Und da wollte ich die Gelegenheit heute nutzen dich freundlichst darauf hinzuweisen, im Namen aller Personen, für die ich hier einfach mal, unverschämter Weise, gesammelt spreche, dass du bzw. ihr euch das gewaltig abschminken könnt. Es ist ja nicht so, dass wir unbedingt scharf darauf sind mit Leuten, wie euch eine Klasse zu teilen, die ihr eigenes erbärmliches Leben damit aufpeppen wollen, indem sie andere mobben und schikanieren …"
„Du wagst es, so mit mir…" Unterbricht Natsume ihn entsetzt, nur um direkt selbst wieder von Benji abgewürgt zu werden, der einmal heftig mit der Faust auf den Tisch haut und alle Anwesenden, selbst die, sie still beobachtenden, anderen Grüppchen, erschrocken kurz zusammenzucken lässt. Nur Eiji schaut dem Ganzen unbeeindruckt weiter fasziniert zu.
„Ja, ich wage es!" Erwidert Benji leicht erzürnt und mit bestimmteren und lauterem Ton als zuvor. „Und unterlasse es, mich zu unterbrechen! Ich bin noch nicht fertig."
Natsume beleibt verstummt, wie der Rest ihrer Freundinnen und schaut ihn leicht verängstigt an. Benji hingegen räuspert sich kurz und versucht wieder in seine anfängliche Art mit ihr zu reden hineinzufinden.
„Na bitte. Geht doch!" Lächelt Benji sie wieder freundlich an. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, beim Thema Mobbing. Ich weiß natürlich noch nicht so gut, wie alles hier in Japan so gehandhabt wird, dafür entschuldige ich mich zu tiefst. Aber da wo ich herkomme, sind solche Methoden, wie ihr sie demonstrierst, aller unterste Schublade. Mit fünf Personen gegen eine? Wirklich? Hattest du solche Angst meiner Schwester deine Meinung unter vier Augen zu sagen, oder brauchtest du unbedingt ein dir wohlgesinntes Publikum, dass dir in den Hintern kriecht, um dich daran aufzugeilen. Und dann das mit den Drohungen, es auch ja nicht weiterzusagen. Das ist doch so was von gestern, findest du nicht auch? Ist dir nichts Besseres eingefallen, als so deine jämmerlichen Probleme zu lösen?"
Schweigend und verängstigt sitzt Natsume mit ihrem Blick nach unten vor Benji, während die anderen nur beschämt und mitleidig auf Natsume starren. Keiner traut sich auf Benji rein rhetorische Frage zu antworten. Benji mustert Natsume leicht erzürnt, da sie anscheinend gerade versucht, sich bei ihren Freundinnen als Opfer darzustellen und ihr Mitleid zu erregen.
„Weißt du, da wo ich herkomme, ist es ebenfalls ein Zeichen von Feigheit, wenn man seinen Blick von einer Person abwendet. Gerade wenn man sich unterhält." Weist Benji sie bestimmend zurecht. „Also schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede. Oder bist zu Feige dazu zu stehen, was du und deine angeblichen Freundinnen hier abziehen."
Mit feuchten Augen versucht Natsume Benji verängstigt in die Augen zu schauen, während er sie weiter grimmig ansieht. Nur ihre Freundinnen schauen verstohlen und schuldbewusst weg, ebenso Jessica scheint sich ihrer selbst nicht mehr so ganz sicher zu sein und blickt beklommen zu Boden. Benji gibt einen kurzen Seufzer von sich, nachdem er die Gruppe herausfordernd gemustert hat und setzt zum Endspurt an.
„Ich sag dir jetzt mal was, und das gilt für euch alle. Wenn du deine ekelhafte Stimme noch einmal gegen meine Schwester, gegen mich oder sonst einem der mir wichtig ist erhebst, oder uns auf eine andere Art Schaden zufügst, dann mache ich dir den Rest deiner Schulzeit hier zur Hölle. Und das hier, ist nur ein kleiner Vorgeschmack von dem, was alles möglich ist, verlass dich da drauf. Ich habe schon genug erlebt und gesehen und hab einiges durchgemacht, dass ich mir das hier nicht bieten lassen muss. Also erspare uns allen dein pubertäres Verhalten und halt dich in Zukunft geschlossen. Und das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen! Danke für deine Zeit."
Mit diesen Worten klatscht Benji abschließend mit beiden Händen auf den Tisch, was alle nochmal zusammenzucken lässt und steht auf. Er stellt seinen Stuhl ordnungsgemäß an seinen Platz zurück und stapft übertrieben wütend zur Klassentür. Als er die Klasse verlässt, versucht er die Schiebetür hinter sich mit Wucht demonstrativ ins Schloss zu werfen, was ihm aber nicht gelingt.
„Furchtbar!" Regt er sich künstlich auf. „Hier kann man noch nicht mal die Türen ordentlich knallen."
Die Anwesenden der Klasse schauen ihn verdutzt und teilweise verängstigt hinterher. Allein Eiji grinst genugtuend vor sich hin, während er sein Gesicht halb in den Armen auf seinem Tisch versteckt. Natsumes Clique schaut sie betroffen und ratlos an, die damit beschäftigt ist ihren Schock zu verarbeiten und plötzlich heulend in Tränen ausbricht. Mitfühlend versuchen ihre Freundinnen sie zu trösten, nur Jessica blickt weiter beklommen in Richtung Klassentür, aus der Benji verschwunden ist.
Auf der Toilette hat sich Benji in die Kabine eingeschlossen, die am weitesten von der Tür entfernt ist. Mit einem Gefühl der grausamsten Übelkeit, die er je erlebt hat hängt er über der Toilettenschüssel und würde sich am liebsten so richtig auskotzen, doch er versucht vergeblich etwas aus zu würgen, was für ihn so sehr befreiend wäre, wie er sich selbst einredet. Er verflucht seinen Vater dafür, dass er seit seinem Tod nicht mehr im Stande war sich zu übergeben und bereut es wie ein letztes Geschenk von ihm angenommen zu haben. Am liebsten würde er es zurückgeben. Am liebsten wünschte er sich, dass sein Vater eben jetzt hier wäre und ihm sagt, dass er nicht irgendwas total dämliches gerade verzapft hat. Schon fast den Tränen vor Anstrengung nahe spuckt er ein bisschen Galle aus, was er mit größter Kraft geschafft hat aus seinen inneren hervorzuholen. Aber selbst der bittere Geschmack in seinem Mund hilft ihm nicht die erhoffte Welle des Auswurfs zu erreichen. Verzweifelt gibt er auf und steht sich selbst beschimpfend auf, ein egoistischer und dämlicher Trottel zu sein, der sich gerade auf die Abschussliste der gesamten Klasse katapultiert hat. Mit leichten Stößen mit dem Kopf gegen die Kabinentür beginnt er seine Selbstgeißelung, um durch den wiederholten Schmerz wenigstens etwas zu spüren, was ihn von seinem Selbsthass ablenkt und wird dabei immer heftiger und lauter. Er ahnt noch nicht, dass draußen auf den Korridoren zwei seiner Mitschüler auf der Suche nach ihm sind. Im schnellen Tempo, aber ohne zu laufen, hasten Ryoma und Kunio durch die auf den Fluren gehenden Trauben von Schülerinnen und Schüler und schauen sich hoch motiviert nach Benji um.
„Mist, hier ist er auch nicht." Flucht Ryoma während er in eine der nahegelegenen Parallelklassen von ihrer eigenen ungefragt reinschaut und probt eine Aufforderung erhält zu verschwinden. „Ja, ja. Ist ja schon gut. Bin ja schon weg. Habt ihr Kawasaki gesehen, aus der 1-B? Nein? Dann eben nicht."
Verärgert, keine weiteren Informationen erhalten zu haben, schaut er grimmig ein paar andere Erstklässler an, die etwas kleiner sind als er, die eingeschüchtert vor ihm zurückweichen, weil sie ihm den Weg zu seinem Kumpel Kunio versehentlich versperren, der mit suchendem Blick durch die Korridorfenster den Schulhof beobachtet.
„Meinst du er ist nach draußen gelaufen?" Fragt Kunio ihn ratlos, während er immer noch durchs Fenster schaut, als er von hinten Ryoma bemerkt. „Ich kann ihn jedenfalls nicht erkennen."
„Idiot! Hör auf nach draußen zu glotzen. Da ist er nicht." Beschimpft ihn Ryoma immer noch leicht verärgert. „Er wird nicht weit sein, die Pause ist bald vorbei. Wenn er nicht zu spät zurück in die Klasse kommen will, dann ist er ganz in der Nähe."
„Und du meinst nicht, dass er nach Hause abgehauen ist, Tanaka?" Fragt ihn Kunio ungläubig. „Immerhin war Haruka-Chan heute auch nicht in der Schule. Vielleicht spielt er den Kranken und kommt erstmal nicht mehr wieder. Also ich würde sowas tun, wenn ich er wäre."
„Aber du bist nicht er, Endo." Schaut ihn Ryoma genervt an. „Kawasaki ist nicht blöd. Er wird, nachdem, was er Natsu-Chan angetan hat, nicht den Fehler begehen und sich bei den Lehrern unbeliebt machen. Vertrau mir, sobald sich das Ende der Pause nähert, wird er wiederauftauchen. Er weiß ja nicht, dass wir ihm auflauern wollen. Und dann knöpfen wir ihn uns vor, diesen Hafu-Arsch. Ich bin schon ganz wild darauf ihm einen Denkzettel zu verpassen."
„Ich auch. Ich kann seine Besserwisser-Visage nicht ab." Stimmt ihm Kunio motiviert zu. „Und diese ständigen blöden Sprüche von ihm versteht sowieso keiner"
„Komm Endo, lass uns zurück zum Treppenhaus gehen!" Schlägt ihm Ryoma gehässig grinsend vor. „Doi meinte, dass er ihn eben dort begegnet ist. Vielleicht kommt er von dort auch wieder zurück."
„Okay Ryoma, wie du meinst. Da lauf ich auch immer lang wenn ich schnell zur Klasse muss…" Gibt ihm Kunio recht, während in seinem Kopf etwas zu rattern beginnt. „Da fällt mir ein, dass im Stock darüber direkt eine Toilette ist, die kaum jemand aufsucht, weil dort keine Klassen mehr sind. Da gehe ich auch immer hin, wenn ich mal schnell pinkeln muss."
„Kunio du Idiot!" Gibt Ryoma ihm eine leichte Kopfnuss auf seinen fast kahl rasierten Schädel. „Und das fällt dir jetzt erst ein. Wie dämlich kann man sein."
„Au! Wieso?" Fragt Kunio ihn verwirrt mit einem schmerzverzerrten und zähnefletschenden Gesichtsausdruck. „Muss du auch mal dringend aufs Klo."
„Nein du Trottel!" Schaut ihn Ryoma skeptisch an. „Da wird er sich versteckt haben. Da bin ich mir ziemlich sicher. Und jetzt komm, und verkneif dir dein natürliches Bedürfnis für später."
Die beiden begeben sich zum Treppenhaus und hasten die Treppenstufen hoch in das höherliegende Stockwerk. Als sie um die Ecke biegen, hinter der die Tür zur erwähnten Toilette liegt, bremsen beide ihr Tempo abrupt ab, wie sie vor der Tür die Statur eines größeren Mitschülers erkennen, der sich mit verschränkten Armen wartend neben der Toilettentür positioniert hat. Grimmig schenkt er ihnen einen verachtenden Blick.
„Kuno?! Was machst du hier?" Fragt Ryoma Eiji leicht eingeschüchtert durch seinen Blick. „Musst du auch aufs Klo."
„Lass mich vorbei, ich muss ganz dringend." Versucht Kunio sich Zugang zur Toilette zu verschaffen, während ihn Ryoma unsicher anschaut und sich fragt, ob er dies vortäuscht, um an Eiji mit einem plausiblen Grund vorbei zu kommen oder wirklich dringend muss. „Sonst mach ich mir in die Hose."
„Besetzt!" Hält Eiji mit grimmiger Stimme seinen Arm schützend vor die Tür. „Sucht euch ein anderes Klo!"
„Komm schon Kuno!" Redet Ryoma auf eine schleimige Art auf Eiji ein. „Du kannst uns doch nicht daran hindern, auf die Toilette zu gehen."
„Verpisst euch!" Haut Eiji mit seiner Faust gegen die Toilettentür, während hinter eben dieser Tür ein Hämmern und eine schimpfende Stimme deutlich zu hören ist. Eiji grinst sie böse an „Ihr hört doch. Wegen Renovierungsarbeiten geschlossen."
„Das glaub ich dir aber nicht." Beschwert sich Kunio, der sich hüpfend den Schritt festhält, als müsse er ziemlich dringend, immer noch unklar, ob dies wirklich alles von ihm gespielt ist. „Ist das nicht Kawasaki da drinnen?"
„Und wenn schon. Willst du dich jetzt mit mir prügeln, um nachzusehen?" Schaut Eiji Kunio herausfordernd an und richtet sein Wort an die beiden. „Als ob ich nicht wüsste warum ihr hier antanzt. Hab doch mitgekriegt, wie sich das Prinzesschen bei euch ausgeheult hat, als ihr wieder in die Klasse gekommen seid. Und wie sie euch losgeschickt hat, um ihre Drecksarbeit zu machen, da habe ich mir das Ganze mal näher ansehen wollen. Aber leider seid ihr, wie die aufgescheuchten Hühner in die falsche Richtung gelaufen. Tja, so ist das nun mal: Wer zu spät kommt, wird bestraft, oder so."
„Hey Kuno, bleib locker!" Versucht Ryoma Eiji zu beruhigen. „Wie wollen keinen Streit mit dir. Lass uns zu Kawasaki und alles ist gut. Wir wollen nur mit ihm reden. Du willst dich doch nicht auf seine Seite stellen, kannst ihn doch auch nicht ab?!"
„Nichts ist gut!" Brüllt Eiji sie wütend an und donnert nochmals mit seiner Faust gegen die Tür, während Ryoma und Kunio ängstlich zurückschrecken. „Ich bin auf niemandes Seite und vielleicht geht mir der Witzbold auch gewaltig auf den Geist. Aber euer Frauchen hat mal eine verdiente Packung bekommen. Seht es als ausgleichende Gerechtigkeit, dass ich euch heute an Kawasaki kein Haar krümmen lasse. Und sollte ich euch nochmals dabei erwischen, wie ihr beiden Lakaien für sie andere schikanieren wollt, werde ich EUCH in diese Toilette stopfen. Und jetzt verzieht euch besser, Tanaka, denn ich glaube Endo macht sich gerade wirklich in die Hose."
„Das … das ist nicht wahr." Behauptet Kunio zappelnd hin und her springend. „Das war nur gespielt."
„Siehst du, dann brauchst du ja gar nicht mehr aufs Klo." Grinst ihn Eiji verschmitzt an. „Oder rieche ich da ein bisschen Angstpipi, bei beiden von euch?"
„Von mir aus, dann werdet doch glücklich miteinander." Winkt Ryoma gleichgültig ab und gibt ihr Vorhaben auf. „Lass uns gehen Kunio. Morgen ist auch noch ein Tag."
Die beiden ziehen geschlagen ab, auch wenn sich Kunio immer noch sehnsüchtig nach der Toilette umsieht. Eiji verweilt zufrieden auf seinem Posten, bis das erste Klingeln zum Ende der Pause ertönt. Die Tür geht auf und Benji kommt aus der Toilette hervor mit rot gefärbter Stirn, sowie leicht verschwitzt und fertig als hätte er darin Gymnastikübungen gemacht. Verwundert schaut er Eiji an, geht aber kommentarlos an ihm vorbei, während ihm Eiji schweigend musternd hinterherschielt. Nachdem Benji einige Meter Richtung Treppenhaus gegangen ist, dreht er sich kurz zu Eiji um.
„Wenn du aufs Klo gehst, nimm besser nicht die letzte Kabine." Rät er Eiji erschöpft. „Ich glaube die Kabinentür wurde leicht beschädigt."
Der Rest des Tages verläuft für Benji ohne weiteren Zwischenfälle. Zwar erntet er hier und da ein paar verängstigte und verachtende Blicke von denen, die bei seiner dummen Aktion anwesend waren, aber eine erwartete Gegenreaktion von Natsumes Gruppe bleibt vorerst aus. Zu Hause berichtet er Haruka und Megumi, die ihn nach der Schule, auf seine Bitte hin, begleitet hat, wie seine Gespräch verlaufen ist. Natürlich nicht im vollen Detail, um die beiden Mädchen nicht zu sehr zu beunruhigen, aber er gesteht, dass Natsume leicht geschockt gewesen ist, über seine direkte Art und erst mal daran zu knabbern hat. Als positives Fazit fasst er zusammen, dass er bemerkt hat, wie die meisten von ihren Freundinnen schon deutlich Reue gezeigt haben, nachdem er ihnen ihr Verhalten aufgezeigt hat. Er vermutet, dass Natsume zwar jetzt nicht klein beigeben wird, aber dass es ihr ab jetzt deutlich schwerer fallen könnte etwas gegen Haruka zu unternehmen. Das Wichtigste wäre jetzt ihr die Stirn zu bieten, und sich nicht weiter zu Hause zu verstecken, erklärt Benji und Megumi pflichtet ihm seufzend bei, woraufhin Haruka sich von beiden zierend überreden lässt, ab morgen wieder mit zur Schule zu kommen.
µ µ µ
Die nächsten Tage in der Schule verlaufen eigentlich wie gewohnt. Haruka nimmt wieder am Unterricht teil und ist nach dem ersten Tag ohne Zwischenfall schon fast wieder ganz die alte. Selbst Eiji geht seinen üblichen Gewohnheiten nach und ist so unkooperativ wie immer. Benji hingegen ist die ausbleibende Gegenwehr von Natsume und ihrer Gruppe nicht ganz geheuer. Er hat begonnen die Mädchen intensiv zu beobachten, aber außer ein paar verstohlenen Blicken in Benjis, Harukas oder Eijis Richtung, meist gepaart mit einem Tuscheln untereinander, bei dem er stark vermutet, dass es um ihn oder die anderen beiden geht, kann er keine große Feindseligkeit erkennen. Manchmal erwischt er sich selbst dabei, wie er in einem Anflug von Paranoia glaubt, er wäre gemeint, wenn er eine ihrer Stimmen hört, selbst mitten im Unterricht, was in langsam vermuten lässt, dass das angsterzeugende Warten-Lassen auf mögliche Racheattacken, die wahre psychologisch taktische Reaktion von den Mädchen ist, um ihn wahnsinnig zu machen. Einst steht für ihn aber auf jeden Fall fest, er geht nicht davon aus, dass er Natsume mit seiner Aktion mundtot gemacht hat. Irgendwas wird noch passieren, prophezeit sich Benji, aber wann und was? Am letzten Schultag dieser Woche tigert er unruhig über die Flure in der Mittagspause. Er hat sich in der Klasse wie auf dem Präsentierteller gefühlt und wollte sich den heimlichen Blicken und Geschwätze, die er nicht mitbekommt, aber genau weiß, dass es sie gibt, entziehen. So muss sich vermutlich Eiji die ganze Zeit fühlen, reflektiert er seine eigene aktuelle Situation und kann verstehen, warum dieser sich so verhält, wie er es gerade tut. Unsicher, ob er es unterbewusst oder absichtlich gemacht hat, ist er bei seinem Streifzug an Tokinos Klasse angekommen. Vielleicht in der Hoffnung sie zufällig zu treffen, auch wenn er nicht glaubt, dass sie ihn in der Öffentlichkeit der Schule einfach so ansprechen wird. Er würde sie echt gerne wiedersehen, doch auf seine letzten Mails hat sie nicht mehr, wie sonst, geantwortet und ihm ist nicht danach einfach in ihre Klasse zugehen und sie zu rede Stellen. Dazu fehlt ihm momentan die Lust, sich erneut mit ihrer bissigen Klassensprecherin anzulegen. Nachdenklich sieht er in der Nähe der Klasse zum Fenster raus und merkt erst nachdem er auf Englisch angesprochen wird, dass er nicht alleine ist.
„Na einsamer Cowboy, ganz alleine in der Prärie unterwegs?" Begrüßt ihn Jessica von der Seite, während sie sich mit dem Rücken an die Fenster gelehnt neben ihn gestellt hat. „Wartest wohl auf den großen Sandsturm aus der Ferne?"
„Hey Rotschopf." Grüßt Benji sie mit einem milden Lächeln zurück. „So sieht es aus. Der Wilde Westen kann gefährlich und grausam sein seit den letzten Tagen. Zeit die Pferde zu satteln, wie?"
„Ich hoffe du bist gut vorbereitet auf das, was auf dich zukommt." Warnt ihn Jessica mit einem zugekniffenen Auge. „Hast doch nicht geglaubt, dass es das war, oder?"
„Nicht wirklich." Entgegnet Benji ihr mit einem melancholischen Seufzer. „Wäre nur schön zu wissen, wann und wo einen der Schuss in den Rücken ereilt."
„Tja, leider sind mir da die Hände gebunden." Zuckt Jessica lächelnd mit den Achseln. „Selbst ich kann dir da nicht weiterhelfen, obwohl ich dich echt gut leiden kann, Gringo!"
„Trotzdem stehst du hier und warnst mich vor." Stellt Benji grinsend fest. „Ein Sinneswandel?"
„Vielleicht?!" Lächelt Jessica ihm verschmitzt zu. „Ich würde lügen, wenn ich sage, dass du es nicht geschafft hast in mir gewisse Schuldgefühle zu wecken. Doch sie, du weißt schon wen ich meine, ist da anders. Auch wenn die meisten die Nase voll haben, sie wird das nicht auf sich sitzen lassen, egal ob jemand dagegen ist."
„Verstehe. Sie ist der Boss und ihr zieht alle mit." Folgert Benji aus ihrer Bemerkung. „Aber du kannst dich immer noch von ihr abwenden. Das liegt ganz bei dir."
„So einfach ist es leider nicht." Seufzt Jessica vor sich hin. „Wäre zu schön mit dir zusammen in den Sonnenuntergang zu reiten, mein kleiner Hilfssheriff. Doch du musst wissen, auch Ono Natsume hat ein Herz, auch wenn es manchmal fehlgeleitet ist. Ich bleibe, wo ich bin. Aber ich verspreche dir, Cowboy, dass ich mit Platzpatronen schießen werde, wenn es um dich geht. Vergiss das bitte nicht."
„Wie nachsichtig von dir." Erwidert Benji sarkastisch und schaut sie fragend an. „Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann sorg dafür, dass sich das Feuer auf mich konzentriert. Lasst alle anderen da raus, Haruka, Eiji und Tokino. Ich bin es, den sie als Opfer haben kann."
„Oh, der einsame Cowboy in strahlender Rüstung wirft sich schützend und selbstlos vor die Seinen." Schwärmt Jessica übertrieben verzückt. „Das ist ja sooooo…"
„Klischeehaft?!" Fügt Benji lachend hinzu. „Ich weiß, manchmal kann ich nicht anders."
„Crossover, wollte ich sagen." Korrigiert ihn Jessica mit einem skeptischen und grinsenden Blick. „Ich werde tun was ich kann, wenn dies, dein letzter Wille ist. Aber vielleicht rauchen wir alle irgendwann einmal gemeinsam die Friedenspfeife und lachen darüber. Also nimm es nicht so schwer."
„Das ist aber jetzt echt Klischeehaft." Weist Benji sie auf ihre Ausdruckswahl hin. „Die Friedenspfeife muss erst noch erfunden werden, die mich mit ihr zusammenkommen lässt."
Mitleidig schaut Jessica ihn an und Benji kann nicht sagen, ob es wegen dem ist, was auf ihn zukommen wird oder seine letzte Aussage. Am liebsten würde er sie, das noch fragen, aber die beiden werden in ihrer Zweisamkeit gestört durch eine verdutzte Sora, die gerade auf die beiden zusteuert.
„Jessica?! Was machst du hier, mit dem da?" Schaut Sora sie entsetzt an und schenkt Benji einen giftigen Blick. „Und du Idiot kannst direkt Leine ziehen! Wolltest dich wohl bei ihr einschleimen, was?!"
„Für dich immer noch Idiot-San, wenn ich bitten darf." Korrigiert Benji sie mit übertrieben ernsthaften Unterton. „Und keine Angst, ich mach mich sofort vom Acker. Ich merke, wenn ich unerwünscht bin."
Mit gespielter pikierter Attitüde lässt Benji eine, ihn mit offenen Mund baff anglotzende Sora und eine sich ins Fäustchen lachende Jessica links liegen und geht zurück zur seiner Klasse.
„Warum redest du überhaupt mit dem?" Fragt Sora Jessica skeptisch, nachdem Benji abgezogen ist. „Der ist doch echt das Allerletzte."
„Weiß nicht?!" Lächelt Jessica ihr mit einem Augenzwinkern zu. „Weil ich ihn süß finde?!"
„Du hast echt nen komischen Geschmack, Jessica." Erwidert Sora zu ihr kopfschüttelnd.
Achselzuckend tänzelt Jessica vergnügt zu ihrer Klasse, während Sora ihr leicht fassungslos dreinblickend folgt. Und so wie Jessica Benji vorgewarnt hat, lässt der Sturm schließlich dann doch nicht lange auf sich warten. Nach dem Wochenende fängt er ganz langsam an, mit einem Zettel der im Unterricht plötzlich auf Benjis Tisch landet. Als er ihn entfaltet, liest er auf ihn die Aufforderung: „Geh sterben!" Naja, denkt er sich, nicht sehr nett, aber auch nicht sehr persönlich verletzend für ihn. Es folgen weitere Zettelchen, über diverse Unterrichtseinheiten verteilt. Wiederholt mit dem Wunsch, dass er endlich stirbt oder mit der Betitelung als Idiot. Nach dem dritten oder vierten fängt er an die Botschaften mit eigenen Kommentaren zu versehen. So antwortet er auf die Aussage: „Stirb endlich!" mit den Worten: „Nö, keine Lust!" oder einen anderen mit „Naja, vielleicht als alter Mann." Einen Zettel mit der Aufschrift „Idiot!" kommentiert er mit: „Wenn schon dann Idiot-San, bitte. Wie oft muss ich das denn noch sagen." Einmal liest er sogar eine Beschimpfung auf Deutsch geschrieben, aber leider voller Rechtschreibfehler. Immerhin versuchen sie sich etwas Neues einfallen zu lassen, denkt er sich und tut ihnen einen Gefallen und streicht die Fehler im Wort Rot an mit der richtigen Schreibweise untendrunter und der Aufgabe es zur Übung bitte dreimal korrekt hintereinander zu schreiben. Alle seine Rückmeldungen gibt er in der Mittagspause brav bei Natsume ab, mit der freundlichen Bitte, diese Schreiben an den Empfänger zurück zu senden. Zwar leugnet sie, irgendwas mit den Zettel zu tun zu haben, kann aber nicht wiederstehen einige seiner Antworten zu lesen und obwohl Benji es von hinten nicht sieht, kann er förmlich spüren, wie sie sich über seine selbstgefällige Art geradezu zehnknirschend ärgert. Doch es hört noch lange nicht oft. Die nächsten Tage erwartet ihn morgens stets ein mit unschönen Worten und Zeichnungen bekritzelter Tisch in der Klasse. Zwar ärgert sich Benji, dass er die Sauerei jeden Morgen saubermachen muss, bevor der Unterricht beginnt., doch das versucht er keinem zu zeigen. Stattdessen schießt er mit seinem Smartphone jeweils immer ein Foto für seine heimliche Sammlung und äußert verzückt, welch grandioses Kunstwerk dort für ihn angefertigt wurde und bedankt sich bewegt beim anonymen Künstler, für die Mädchen deutlich hörbar, die sich, etwas leicht verwirrt, heimlich zu Benji umdrehen. Nur vor Haruka versucht er die Schmierereien so gut es geht geheim zu halten, was nicht immer einfach ist, da sie direkt neben ihn sitzt. So ist er die nächsten Morgen immer etwas früher in der Klasse, um alles schnell verschwinden zu lassen, was ihm mit der Zeit jedoch etwas nervt, dies aber auch versucht vor den anderen zu verbergen. Zusätzlich gehen die Zettelbotschaften weiter und auch wenn sie an Kreativität sich nicht steigern, machen sie Benji mit der Zeit langsam mürbe und ist zudem verstärkt vom Unterricht abgelenkt. Im weiteren Verlauf der Woche sind morgens seine Hausschuhe aus dem Schuhschrank verschwunden, die aber nicht weit weg versteckt in der nächsten Mülltonne liegen, was zwar etwas ekelig ist, aber immer noch besser als barfuß herum zu laufen. Und als er am späten Nachmittag nach Hause gehen will ist sein Schuhschrank vollgestopft mit irgendwelchem Abfall. Zur Krönung ist eine milchige klebrige Masse in einen seiner Schuhe gelaufen aus einem Behälter, der als Müll in seinem Schrankfach deponiert wurde. Langsam wird es echt nervig, denkt er sich und hofft, dass er das klebrige Zeug zu Hause wieder aus dem Schuh herauskriegt, wie er ihn dann doch gelassen, aber schon ein bisschen entnervt anzieht und mit einem pritschenden Geräusch das Schulgebäude verlässt unter den scharfen Augen von Eiji, der sich letzter Zeit verstärkt in seiner Nähe aufzuhalten scheint, um Benji aus der Distanz zu beobachten. Benji ist nur froh, dass Haruka von all dem so wenig, wie möglich mitbekommt und selber keine solcher Späße erleiden muss, was für Benji wie eine Art Genugtun ist. Aber wie lange wird die ganze Sache noch weitergehen, fragt er sich, während er doch etwas geknickt nach Hause pritscht. Eine Frage, die ihm wohl nur Natsume beantworten kann, und eben diese, ist gar nicht erfreut über das Ergebnis ihrer bisherigen Versuche Benji seine Frechheiten heimzuzahlen. Frustriert und verärgert steht sie am nächsten Tag beim Training der Baseballmannschaft hinter dem Sicherheitszaun und bohrt ihre Fingerdurch die engen Maschen vor Wut, während sie bei einem der Spieler, der auf der anderen Seite des Zauns, abseits von der Mannschaft und nah bei ihr stehend, seine Schlaghand trainiert, beschwerend ihrem Ärger Luft macht.
„Es ist einfach unglaublich Masato, was dieser Kawasaki alles schlucken kann." Meckert Natsume über Benjis ausbleibende erhoffte Reaktion. „Nichts scheint ihn auch nur irgendwie richtig zu kratzen. Als wäre es ihm völlig egal. Und das Schlimmste ist, dass er uns dabei auch noch verhöhnt. Er macht sich einfach lustig über uns, dieser dämliche Hafu. Arrrgh!"
„Kawasaki, sagst du?" Erwidert der gutaussehende Spieler mit hellbraunen, perfekt gestylten Haar, das unter der Baseballkappe leicht hervorkommt, namens Masato nachdenklich. „Ryoma und Kunio hatten dem Letzt von ihm glaube ich gesprochen. Hörte sich an, als wäre er mehr sowas wie ein Klassenclown. Und warum ist er ein Problem für dich?"
„Hast du mir nicht zugehört?" Reagiert Natsume leicht gereizt auf seine Frage. „Er hat mich gedemütigt, vor allen anderen, bloßgestellt, als wäre ich irgendein Niemand. Und gedroht hat er mir, wenn ich seine Schwester und diesen Raudi nicht in Ruhe lasse. Er hat seine Stellung mehr als genug überschritten. So einer sollte gezeigt bekommen, wo er hingehört, nämlich in den Müll unserer Gesellschaft. Widerlicher Spinner."
„Hast du nicht gesagt, er kommt aus Deutschland?" Erinnert sich Masato skeptisch. „Vielleicht ist es nur ein kulturelles Missverständnis. Du solltest dir nicht immer so schnell irgendwelche Feindbilder erschaffen. Das mit Haruka war auch mehr als unnötig, wenn du mich fragst."
„Sag mal Masato, auf wessen Seite stehst du eigentlich." Platz Natsume langsam der Kragen. „Ich bin deine Freundin, ich will, dass du dich für mich einsetzt und mich nicht belehrst, wenn ich dich um Hilfe bitte. Mach endlich was, Masato oder bist du kein Mann?"
„Wir sind nicht zusammen, Natsume!" Erwidert Masato leicht erzürnt über ihre Forderung. „Das sind deine Worte, wenn ich dich erinnern darf. Warum sollte ich für dich jedes Mal springen, wenn du was möchtest. Frag doch Ryoma, ob er ihn zu Rede stellen kann und lass mich aus deinem dämlichen Kleinkrieg raus."
„Du weißt warum ich nicht will, es ist ja nicht so, dass ich dich nicht mag, aber…" Reagiert Natsume leicht verlegen, wird aber schnell wieder eingeschnappt. „Außerdem wollen Ryoma und Kunio sich nicht mit Kuno anlegen. Der scheint den Vollidiot nämlich auf einmal zu beschützen. Als wäre seine ständige Anwesenheit in der Schule neuerdings schon nicht lästig genug. Ich brauche einen Mann, der den Mumm hat für klare Verhältnisse zu sorgen. Bitte Masato, ich verlass mich da voll auf dich. Du kriegst das doch mit Links hin, oder?"
„Ich weiß nicht, Natsu …?!" Schaut Masato sie zweifelnd an und unterbricht seine Übungen. „Ich habe eine gewisse Verantwortung als Klassensprecher. Ich kann mich nicht einfach in die Streitereien von Schülern einmischen, die nicht einmal in meiner Klasse sind. Außerdem, was erwartest du, was ich mit ihm machen soll? Ihm drohen, dass ich ihn verprügle, wenn er nicht aufgibt? Zudem bist du es ja, die ihn gerade attackiert, er selber hält dem einfach nur stand. Vielleicht solltet ihr beide euch einfach in Ruhe lassen und aus dem Weg gehen."
„Würg! Ich hasse es, dass du diese Klassensprecherrolle angenommen hast." Beschwert sich Natsume angeekelt. „Seitdem bis du so vorbildlich und verantwortungsbewusst geworden. Du willst mich anscheinend nicht verstehen. Hier geht es darum, die natürliche Ordnung wiederherzustellen. Sag ihm, dass er hier nicht hingehört. Mach, dass die ganze Schule ihn ablehnt, wenn nötig. Er soll verstehen, dass er hier sowas nicht einfach machen kann. Von mir aus kann er sich wieder nach Deutschland verpissen."
„Hörst du dich eigentlich noch reden, wenn du so sprichst." Schaut Masato sie tadelt an. „Warum bist so ablehnend gegenüber allem, was du nicht verstehst? Das mit uns ist genau das gleiche, genau den gleichen extremistischen Mist hast du mir damals auch erzählt, als ich dich gefragt habe, ob wir miteinander gehen können. Selbst wenn ich das jetzt für dich regle, wann kommst du mit der nächsten Sache an, die dir ein Dorn im Auge ist?"
„Masato …!" Erwidert Natsume entsetzt über seine Worte. „Wie kannst du nur …?!"
Doch sie kann ihre Fassungslosigkeit nicht mehr in Worte fassen, denn sie wird unsanft von einer männlichen Stimme unterbrochen, die von einem der größeren Mitglieder der Baseballmannschaft kommt, welches sich gerade auf Masato zubewegt hat.
„Ah, Watanabe-Kun, gibt es Ärger im Paradies?" Mischt sich der hünengleiche Spieler selbstgefällig in die Unterhaltung der beiden ein. „Kannst es deiner Freundin, wohl nicht recht machen, wie mir scheint?"
„Alles gut, Yamakawa-Senpai." Versucht sich Masato mit einem verlegenen Lächeln rauszureden. „Wir sind kein Paar. Wir sind nur gute Freunde und sie wollte gerade eben wieder gehen. Tut mir leid für die Störung."
„Na, na, nicht so Bescheiden." Klopft ihm der Hüne Masato mit einem Lachen im Gesicht auf die Schulter. „Vielleicht können wir der liebreizenden Dame ja irgendwie weiterhelfen? Freunde der Spieler sind Freunde der ganzen Mannschaft, Watanabe-Kun. Wo liegt denn das Problem?"
„Vielen Dank, Senpai." Richtet Natsume höflich und unterwürfig an Yamakawa. „Ich benötige Hilfe, weil mich ein Mitschüler übelste beleidigt hat und belästigt."
„So, so, ein Mitschüler belästigt dich?" Fragt Yamakawa neugierig und besorgt nach. „Aber bist du nicht eine Freundin meiner kleinen Schwester? Ich bin Yamakawa Hanato, Hanamis großer Bruder. Und wenn eine Freundin meiner Schwester Probleme hat, dann helfe ich doch gern. Ehrensache."
„Senpai, das ist wirklich nicht nötig." Versucht Masato Hanatos Angebot freundlichst zurückzuweisen. „Wir regeln das schon untereinander."
„Keine Widerrede, Watanabe." Widerspricht Hanato ihm energisch mit einem Klaps auf Masatos Rücken. „Ich bin doch euer Senpai. Es ist meine Pflicht zu helfen. Findest du nicht auch, dass wir sie unterstützen sollten, Taki-Kun?"
Hanato wendet sich lächelt an einen weiteren Spieler des Teams, nicht viel kleiner und athletischer als Hanato, dafür aber mit einem starken dunklen Teint und einem sehr gutaussehenden Gesicht, das Hanato etwas skeptisch anschaut, während er gerade mehrere Baseballschläger in Richtung Geräteraum transportiert.
„Ich weiß nicht, Captain." Erwidert Taki zweifelnd. „Wir haben doch eigentlich keine Zeit für sowas. Sollten wir uns nicht auf das Training für das nächste Spiel konzentrieren?"
„Ha, ha. ha, Taki-Kun. Immer ganz der Sportsmann." Lacht Hanato über Takis Bedenken. „Das gehört zum Mannschaftssport dazu, dass man zusammenhält. Diese schöne junge Meid ist in Nöten, siehst du das nicht. Da müssen wir was tun. Einer für alle und alle für einen."
„Ganz wie du meinst, Captain." Nickt Taki Hanato höflich aber immer noch skeptisch zu.
„Dann ist es entschieden. Wir werden das Problem von Masatos Freundin aus der Welt schaffen." Verkündet Hanato enthusiastisch und lautstark der gesamten Mannschaft und wendet sich übertrieben höflich an Natsume. „Ihr könnt euch auf uns verlassen junges Fräulein, seid unbesorgt."
„Das ist zu gütig, Yamakawa-Senpai." Lächelt Natsume ihm strahlend zu, während Masato nur verlegen sich am Hinterkopf kratzt. „Ihr seid wirklich ein großartiger großer Bruder und Senpai. Hanami-Chan kann stolz auf euch sein. Habt vielen lieben Dank, für die Unterstützung."
Als Benji eine anonyme Nachricht enthält, dass er sich mit jemanden Unbekannten nach der Schule auf dem Schulhof treffen soll, ahnt er bereits, dass es eine Falle sein könnte. Trotzdem klingen die Worte, die er in ihr gelesen hat, zu verlockend, als dass er der Einladung nicht nachgehen möchte. Es soll sich alles klären, heißt es darin. Ein Schlussstrich soll gezogen werden, der für alle Beteiligten das Beste ist. Zwar wird nicht explizit erwähnt, dass es sich dabei um seine Fehde mit Natsume und ihrer Clique handelt, doch mit dem Ausdruck: „Das Ende des Sturms ist in Sicht", wie es in der Nachricht zu lesen ist, vermutet er, dass Jessica eventuell etwas damit zu tun hat. Zufall oder nicht, das Risiko scheint es ihm auf jeden Fall wert, und wenn es darum geht, dass es endlich vorbei ist mit diesen lästigen kleinen Spielchen, wie er die Mobbingversuche von Natsume und Co. nennt, dann ist er dem auf keinen Fall abgeneigt. So geht er alleine an den Schuhschränken vorbei nach draußen, wohl wissend, dass zwei Augen ihn aus sicher Distanz misstrauisch verfolgen. Eiji demonstriert zwar große Hartnäckigkeit, indem er ihn in den letzten Tagen fast auf jeden Schritt und Tritt außerhalb der Klasse verfolgt, zeigt aber dabei kein geschicktes Können, sich unbemerkt an Benji Fersen zu heften. Was will er bloß, fragt sich Benji verwundert, möchte er zusehen, wie der nächste Anschlagsversuch auf Benji verübt wird und sich dabei amüsieren. Oder möchte er einfach nur die Gelegenheit nutzen, um nachzutreten, sollte Benji irgendwann mal am Boden liegen. Mit einem etwas mulmigen Gefühl erreicht Benji die verabredete Stelle hinter dem Schulgebäude, in der Nähe der Sportplätze und schaut sich suchend nach seinem anonymen Brieffreund um. Niemand außer ihm scheint hier zu sein, bis plötzlich mehrere männliche Personen, gekleidet in den Trainingsanzügen der Schule, inklusiver Schirmmütze mit Schulwappen und im Gesicht mit einer medizinischen Maske getarnt aus allen Himmelrichtungen kommentarlos auf ihn zu gerannt kommen und einen traubenartigen Kreis um ihn schließen. Der Mob um ihn herum wird immer enger, so dass er sich gerade mal noch frei um sich selbst drehen kann, während er verwirrt in die halbmaskierten Gesichter der Jungs blickt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die anonyme Nachricht genutzt haben, um ihn hier aufzulauern und zu umstellen. Er blickt in teils verachtende, teils herausfordernde Augen zwischen den Masken und Mützen, doch auch ein wenig Unsicherheit in den kleineren der Jungs, die erste Reihe bilden und Benji am nächsten sind. Eine künstlich finster verstellte Stimme aus der hinteren Reihe, von einem der größeren Jungs bricht schließlich das Schweigen der gesamten Truppe.
„Bist du Kawasaki Jirow aus der 1-B?" Fragt ihn die Stimme fordernd. „Rede!"
„Tut mir leid, da muss ein Missverständnis vorliegen." Antwortet Benji leicht verwirrt und übertrieben gespielt verwundert. „Ich bin Kawasaki Jirow aus der 1-C, den Kawasaki den ihr sucht, ist gerade auf Weg nach Hause. Aber wenn ihr Glück habt erwischt ihr ihn vielleicht noch."