Der Eisdrache starrte Kairo an, während er seine Klaue noch immer auf Kairo's lila Gestalt gerichtet hielt. Der Gesichtsausdruck des Drachen war blass, und er blickte den Eisdrache mit einer Mischung aus Verwirrung und Anspannung an.
„Was soll das bedeuten?", fragte er, und sein Blick verweilte auf dem Eisdrache, der sich nun auf seine Hinterbeine setzte. Der Drachen schlang seine Flügel um sich und seine Augen waren eiskalt, so kalt wie das Wasser eines gefrorenen Sees.
„Du bist nicht wie die anderen", begann der Eisdrache, seine Stimme klang kalt und bedrohlich. „Du bist keine reine Rasse, kein typischer Drache, der die Welt kennt. Du bist ein... ein Mischling, ein wandelndes Rätsel. Deine Fähigkeit, dich zu verändern, zu tarnen, hat mehr mit der Magie der Illusionen zu tun als mit echter Drachenkraft." Der Eisdrache pausierte einen Moment, als würde er die richtigen Worte suchen.
„Was hat das zu bedeuten?", fragte Kairo erneut, der immer noch verwirrt war. Nai, der ebenfalls mit großen Augen auf den Eisdrache starrte, legte seinen Kopf schief, und dann rief er plötzlich: „Warte, warte, warte! Du bist ein Chamäleon?"
„Illusions-Drache", fügte der Eisdrache hinzu, aber sowohl Nai als auch Kairo ignorierten diesen Kommentar.
„Kairo?" fragte Nai erneut, diesmal mit einer leichten Unsicherheit in seiner Stimme. Kairo nickte schließlich.
„Ich bin ein Chamäleon..."
„Das heißt VERDAMMT NOCHMAL Illusionsdrache!", schnitt ihm der Eisdrache mit scharfem Ton das Wort ab.
„Halt deine Klappe!", fauchte Lavia, die sich nun ebenfalls zu Wort meldete. „Oder du endest wie der Erddrache hier!" Sie deutete auf den toten Erddrachen, der regungslos auf dem Boden lag.
Sofort verstummte der Eisdrache, der sich dann umdrehte. „Dann gehe ich halt!" sagte er, und schritt wieder in die Dunkelheit der Höhle.
„Eisdrachen..." murmelte Lavia und schüttelte dabei ihren Kopf. Sie blickte auf Nai, der immer noch fragend Kairo anstarrte, seine Augen so groß wie der Mond bei Vollmond.
„Also, wo war ich?", fragte Kairo, kraulte sich nachdenklich das Kinn und fuhr dann fort: „Ach ja, Nai, ich bin ein Chamäleon. Aber ich sage dir", er sah Nai fest in die Augen, „ich wusste es nicht."
Plötzlich hallten Schritte durch die Höhle, und eine eisige Kälte wehte durch den Raum. „Was ist jetzt los? Es wird eiskalt!", zitterte Nai und drückte sich unter den warmen Flügeln von Lavia. Kairo, der die Kälte spürte, wechselte blitzschnell seine Gestalt und nahm die Form eines Feuerdrachen an. Seine roten Schuppen glühten sanft, und die Wärme seiner Körpertemperatur erhitzte den Raum, der durch die Kälte abgekühlt war.
Aus der Dunkelheit trat eine Gestalt hervor, ein Mensch. Ihr Körper war muskulös, und ihre kristallblauen Haare hingen ihr bis über das Gesicht. Sie hob ihren Kopf, und Kairo dachte überrascht: „Ein Mädchen?"
„Wundervoll... nun müssen wir auch mit einem Menschen kämpfen", brummte Lavia genervt und nahm bereits eine Kampfstellung ein. Ihre Flügel erhoben sich, ihr Kopf streckte sich hoch, und an ihrem Hals glühten die ersten Tropfen Feuer.
Doch anstatt die Drachen anzugreifen, hob das Mädchen ihre Hände und begann eine Sprache zu sprechen, die Kairo nicht verstand. „Ruik, tharak, ak ni'kai hera'ka!" Nai's Ohren zuckten, und er richtete seinen Blick auf das Mädchen, trat einen Schritt näher und senkte seinen Kopf. Das Mädchen streckte ihre Hand aus und berührte sanft seine Schnauze.
„Arkai tharik Thalor'kar!", brummte Nai, und die Augen des Mädchens weiteten sich. Sie überlegte kurz, dann schaute sie auf Kairo, dann auf Lavia und wieder zurück auf Nai. „Thal'ran, a'loran vek thalor'kryn? Zaryth'ka thalor kar?" flüsterte sie, und Kairo legte nur seinen Kopf schief. „Habe ich etwas verpasst?" dachte er sich fragend und blickte zu Nai, dessen Schnauze immer noch von der Hand des Mädchens berührt wurde.
„Ak ekor Lora'kar, thalor'kryn Kahr'kar vek thalor'kryn Kahr'kar, vek thalor'kryn Kahr'kar vek, vekak kra'ni Chamael'kar", antwortete Nai schließlich gelassen und blickte sich um, auf der Suche nach Kairo.
Das Mädchen ließ ihre Hand von Nai's Schnauze gleiten und ging einen Schritt auf die beiden Feuerdrachen zu. Sie hob erneut ihre Hände, doch sowohl Kairo als auch Lavia wichen instinktiv einen Schritt zurück.
„Nai s'vyr, ak ni'kai theran!", sprach das Mädchen ruhig, und setzte ihren Schritt auf Kairo fort. Ihre Stimme klang fast wie ein Befehl, aber auch wie eine Bitte, als ob sie gleichzeitig etwas erfahren wollte, während sie ihre Hand ausgestreckt hielt. Der Raum schien sich um sie herum zu verdichten, als die Luft zwischen den Drachen und diesem geheimnisvollen Wesen schwerer wurde.
Kairo starrte sie an, seine roten Schuppen glühten noch immer sanft, als er auf die Hand der Fremden sah. Sie war so anders, so ruhig, dass er unweigerlich das Gefühl bekam, dass sie mehr wusste, als sie preisgab. Doch was bedeutete das, was sie gesagt hatte? Konnte sie wirklich Drachen sprechen? Und was hatte es mit der merkwürdigen Sprache auf sich?
„Nai", fauchte Kairo und trat einen Schritt zurück, seine Flügel öffneten sich ein Stück. „Was ist hier los? Warum spricht sie so mit uns?"
Nai stand wie versteinert da, seine Augen weit aufgerissen, als er die Worte des Mädchens erneut hörte. Es schien, als würde er nach einer Erklärung suchen, die ihm nicht sofort zugänglich war. Dann, als Kairo ihn ansprach, schien es, als würde sich Nai aus seiner Starre befreien.
„Warte, was? Ihr könnt kein Drakonisch?" fragte er mit einem Hauch von Überraschung in seiner Stimme, als ob er eine Selbstverständlichkeit festgestellt hatte, die er zuvor nicht bemerkt hatte.
„Drakonisch?", fragte Kairo, immer noch verwirrt. „Was ist das für eine Sprache?"
Nai nickte, als er zu dem Mädchen mit den blauen Haaren blickte. „Ja, Drakonisch. Es ist eine Sprache, die von Drachen gesprochen wird. Es ist unsere uralte Sprache, die uns verbindet. Und... es gibt auch ausgewählte Menschen, die sie lernen können." Er deutete mit einem Kopfbewegung auf das Mädchen, das immer näher kam. „Sie ist eine von denen."
Kairo blinzelte. „Eine Sprache der Drachen?", wiederholte er. Es war, als ob er gerade ein neues Geheimnis über seine eigene Existenz erfuhr. Er hatte schon viel über die Drachenwelt gehört, doch dies war ein Aspekt, der ihm bislang völlig fremd war. „Und sie kann... Drakonisch sprechen?"
„Ja", antwortete Nai und trat nun ebenfalls einen Schritt zurück, als das Mädchen ihre Hand noch immer ausstreckte. „Die meisten Menschen verstehen diese Sprache nicht. Sie ist eine der ältesten Formen der Kommunikation, nur die Drachen und diejenigen, die von uns ausgewählt werden, können sie lernen." Nai schaute Kairo an, als ob er gerade selbst begriff, wie bemerkenswert diese Situation war.
„Wir haben das nie gelernt", fügte Lavia hinzu, als sie das Mädchen erneut musterte, ihre Augen voller Misstrauen. „Du verstehst sie? Könntest du ihr bitte sagen, dass sie mir nicht zu nah kommen soll, und dass sie bitte normal sprechen soll?"
Nai schmunzelte, als er die Worte von Lavia hörte, doch gleichzeitig spürte er die Dringlichkeit in ihrer Stimme. Er trat auf das Mädchen zu, die immer noch ruhig und gefasst vor ihnen stand, und flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Rok, ty, arkai rithar'kai ni'kai drach'ka, teryn vakor vek ak'ra normal'ska vokar?"
Das Mädchen hörte ihm aufmerksam zu, dann weichte ihr Gesichtsausdruck auf, und sie brach in ein herzliches Lachen aus. Es war ein Lachen, das in der Höhle widerhallte, ein tiefes, raues Lachen, das fast wie das Brüllen eines Drachen klang, nur viel sanfter. „Drachen, die kein Drakonisch können? Seltsam", sagte sie mit einem Augenzwinkern.
Kairo, der das ganze Gespräch mit wachsendem Interesse verfolgt hatte, beobachtete die Reaktion des Mädchens genau. Er hatte sie immer noch für ein Menschliches Wesen gehalten, aber etwas an ihrer Haltung, ihrer Präsenz, war nicht von dieser Welt. Sie war anders, das spürte er.
„Ich bin Frostschwinge, Tochter und Thronfolgerin der Eisdrachenkönigin Glacia", stellte sich das Mädchen nun vor, ihre Stimme plötzlich viel ernster. Sie sprach mit einem Hauch von Stolz, als ob der Name ihrer Mutter eine mächtige Bedeutung trug. Ihr Blick veränderte sich, wurde intensiver, als sie Kairo und Lavia musterte.
„Eisdrachenkönigin Glacia?", fragte Kairo, immer noch misstrauisch, aber auch fasziniert. Er hatte von den Drachenköniginnen gehört, die über ihre Völker herrschten, aber von Glacia hatte er noch nie etwas gehört. „Was hat das alles zu bedeuten?"
„Das ist die Königin du dummerchen,"lavia stupste ihn mit ihrer Schwanzspitze an. „Doch du bist doch nur ein Mensch, ein langweiliger und machtgieriger Mensch!"
Das Mädchen lachte nur. „Nicht alles ist so wie es aussieht"
Frostschwinge begann sich vor seinen Augen zu verändern. Ihre Körperhaltung steigerte sich zu einer ungewohnten Spannung. Ihre Haut schimmerte plötzlich in einem eisigen Blau, ihre Haare wehten unnatürlich schnell, als die Temperatur um sie herum zu sinken schien. Ihre Augen begannen, einen kalten, glühenden Schein zu entwickeln. Und dann, in einer einzigen, fließenden Bewegung, war sie nicht mehr das Mädchen, das sie eben noch gewesen war.
Vor ihnen stand nun ein gewaltiger, majestätischer Eisdrachen, dessen Schuppen in schillernden Blau- und Weißtönen glänzten. Ihre mächtigen Flügel spannten sich aus, und ein kalter Wind wehte durch die Höhle, als die Drachenprinzessin sich aufrichtete und mit einem lauten, tiefen Brüllen die gesamte Höhle erfüllte.
„Ich bin Frostschwinge, Tochter der Königin, und ihr seid hiermit alle festgenommen", verkündete der Drache, mit einer eisigen Autorität in ihrer Stimme. Ihre Worte hallten in der Höhle wider, die durch das Dröhnen ihrer mächtigen Stimme noch lebendiger schien.
Bevor Kairo, Lavia und Nai auch nur reagieren konnten, tauchten plötzlich mehrere weitere Eisdrachen hinter ihr auf. Mit einer Geschwindigkeit, die ihre wahren Kräfte zeigte, stürmten sie aus dem Schatten, ihre riesigen, schimmernden Flügel flatterten in der eisigen Luft. Ihre Klauen griffen nach den drei Gefährten, fesselten sie mit unglaublicher Präzision.
Kairo versuchte, sich zu wehren, seine Feuerkraft zu mobilisieren, aber die Ketten, die ihm angelegt wurden, glühten in einem kalten, blau-weißen Licht, das seine Magie blockierte. Die Ketten waren aus einem Material, das sich wie Eis anfühlte, aber so stark war, dass sie seine Bewegungen vollständig einschränkten.
„Lass uns los!", schrie Lavia, ihre Flügel in einem verzweifelten Versuch ausbreitend, doch auch sie wurde von den eisigen Klauen der Drachen gepackt. Die Ketten schienen sich in den Griffen zu verhärten, als ob sie von einem unsichtbaren Zauber verstärkt wurden.
Nai war ebenfalls festgehalten, seine Bewegungen so blockiert, dass er nur noch den Kopf drehen konnte. „Was ist das?", rief er aus, seine Stimme voller Verwirrung und Angst.
„Ihr hättet nie in diese Höhlen kommen dürfen", sagte Frostschwinge ruhig, ihre kalten Augen funkelten wie Diamanten. Sie trat einen Schritt vor und sah auf ihre Gefangenen herab. „Die Drachen haben uns gewarnt. Ihr seid zu einer Bedrohung geworden, und ich kann euch nicht einfach so durchlassen."
Kairo versuchte erneut, sich aus den Ketten zu befreien, doch die Magie war zu stark. „Was wollt ihr von uns?", fragte er mit einem Hauch von Verzweiflung in seiner Stimme. Er konnte die Bedrohung spüren, die in der Luft lag, aber gleichzeitig auch das Gefühl, dass sie nur einen Teil eines viel größeren Spiels waren. „Wieso…?"
Doch Frostschwinge antwortete nicht sofort. Sie sah auf die drei Drachen, die sie umzingelten, und nickte dann, als ob sie eine stille Entscheidung getroffen hatte. „Wir haben keine Wahl", sagte sie leise. „Auf Befehl meiner mutter,die Königin seid ihr drei wegen Mord an einem Eisdrachen schuldig."
Ein Eisdrachen Soldat schleppt eine leblosen Körper hervor, der auf seinem Körper Brandmale hatte. „Das ist doch der" murmlte Nai, „ das ist der Eisdrache der mit mir Gefangen war."
Kairo erstarrte, der Eisdrache, der vorhin noch in der richtung verschwunden ist, ist nun Tod. Mit Brandmale auf dem Gesicht.
In diesem Moment spürte Kairo, wie die Ketten sich um seine Glieder strafften. Die eisige Kälte schnürte seinen Atem ab. Lavia und Nai stöhnten ebenfalls, als die Ketten immer enger wurden. Ihre Körper wurden schwer, ihre Augen begannen sich zu verschließen. Die Energie in der Höhle schien sich gegen sie zu wenden, und bevor sie auch nur ein weiteres Wort sagen konnten, sank ihre Welt ins Dunkel.
Das letzte, was Kairo wahrnahm, war das Bild von Frostschwinges kaltem, entschlossenem Blick, der sich in seine Gedanken brannte, bevor alles um ihn herum verschwand.