Früher am Abend…
Ramsey
Ich saß auf dem Rücksitz des Autos und starrte gelangweilt aus dem Fenster. Die Lichter der Stadt zogen an mir vorbei und das gedämpfte Brummen des Verkehrs erfüllte die Stille. Ich lockerte meine Krawatte, in der Erwartung einer weiteren Veranstaltung, die ich nicht besuchen wollte.
Werwolf-Galas, Paarungszeremonien und diese lächerlichen Versammlungen waren nichts weiter als Maskeraden – eine Parade der Falschheit, verhüllt in feiner Kleidung und erzwungenen Lächeln.
Diese Ereignisse habe ich schon immer gehasst. Als Anführer der Lykaner wurde meine Anwesenheit oft gefordert, was ich an meiner Position verabscheute. Mich nervte es, wie verzweifelt alle um meine Aufmerksamkeit buhlten, mich mit falschen Lächeln und Händeschütteln beeindrucken wollten, ganz zu schweigen von den aufgesetzten Komplimenten.
Obwohl ich der mächtigste Mann meiner Welt war, der Anführer aller Werwölfe und Lykaner, bedeutete dieser Titel nicht nur Macht, sondern auch Isolation. Für mich war unsere Welt voller Heucheleien, angefangen bei der falschen Mondgöttin, die niemanden kümmert und nie einen Finger rührt, um ihren Kindern zu helfen, bis hin zur überbewerteten, idiotischen Gefährtenbindung.
Ich lehnte mich zurück, seufzte und fuhr mir mit der Hand durch die dunklen Haare. „Schon wieder eine verschwendete Nacht", murmelte ich, während ich schon die Minuten zählte, bis ich gehen konnte.
Als das Auto vor dem großen Ballsaal hielt, blickte ich voller Abscheu auf das große Gebäude. Die hellen Lichter und der rote Teppich waren nichts weiter als eine Fassade, eine Maske, die das wahre Wesen derer verbarg, die sich darin befanden. Ich spürte die vertraute Welle der Frustration. Ich gehörte nicht hierher – nicht zu diesen Leuten und nicht zu ihren oberflächlichen Traditionen.
Die Tür öffnete sich und mein Großvater Eldric stieg mit der Energie eines wesentlich jüngeren Mannes aus. Seine Augen waren immer noch scharf und autoritär und derzeit auf mich gerichtet, der ich mich nicht bemüht hatte, aus dem Auto zu steigen.
Mein Großvater bestand darauf, mich zur Gala zu begleiten, weil er überzeugt war, dass ich nicht erscheinen würde. Er hatte nicht unrecht.
„Ist das wirklich nötig, Großvater?", fragte ich genervt, als ich schließlich aus dem Fahrzeug stieg. „Ich habe wichtigere und dringendere Dinge zu erledigen, als hier zu stehen und zu erleben, wie jeder mir nach dem Mund redet."
Mein Großvater hob eine Augenbraue, unbeeindruckt von meiner mürrischen Stimmung. „Solange du der Lykaner-Anführer bist, trägst du Verantwortung, auch für solche Angelegenheiten. Und solange du keine Gefährtin gefunden hast, wirst du weiterhin an solchen Paarungszeremonien teilnehmen. Es ist Tradition."
Ich rollte mit den Augen. „Tradition, schon klar", spottete ich. „Du weißt genau, dass mir das egal ist. Ich bin kein liebeskranker Welpe, der auf seinen Seelengefährten wartet. Und du musst mich nicht herumkommandieren, als wäre ich noch ein Kind. Ich bin der Lykaner-Anführer, hast du das vergessen?"
Mein Großvater spottete zurück, sein Blick durchbohrte mich. „Solange du keine Gefährtin gefunden hast, bist du als Anführer nicht komplett. Du solltest dich schämen, dich einen solchen zu nennen. In deinem Alter war ich bereits verheiratet", tadelte er. „Das ist kein Befehl – es ist eine Pflicht, und du musst sie erfüllen. Los, geh schon rein. Ich werde warten. Wenn du also vorhast zu gehen... schlechte Nachrichten, mein Sohn."
Ich presste die Kiefer zusammen und schluckte meinen Einwand hinunter. Wenn er so drauf war, gab es kein Zurück mehr. Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und schritt in den Ballsaal.
Kaum war ich eingetreten, verstummte der Raum. Köpfe drehten sich, und Getuschel breitete sich durch die Menge aus, bis ich das Gewicht aller Blicke auf mir spüren konnte. Ich hasste es. Die ständige Beobachtung, die verdeckten Versuche, meine Gunst zu gewinnen – das war alles so ermüdend.
Ich ging zur anderen Seite des Saals, in der Hoffnung, unnötige Interaktionen zu vermeiden. Doch es dauerte nicht lange, bis eine Schar von jungen Alphas und Betas auf mich zukam. Ich ertrug die endlosen Begrüßungen und mechanischen Gespräche mit einem höflichen, aber distanzierten Lächeln. Ich nickte und tauschte Höflichkeiten aus, doch meine Gedanken waren ganz woanders.
Das war meine Routine – ein notwendiges Übel, das ich ertragen und so schnell wie anständig möglich wieder verlassen musste. Ich plante bereits meinen Abgang, als etwas Unerwartetes geschah.Ein Geruch. Anfangs schwach, doch unverkennbar. Süß, warm und völlig fremdartig. Er schnitt durch die schweren Parfüms und Kölnischwasser der Gala und zog meine Aufmerksamkeit an wie ein Falter zur Flamme. Ich versteifte mich, meine Sinne schärften sich, während ich den Raum absuchte. Mein Wolf regte sich in mir, ruhelos und drängte mich, die Quelle auszumachen.
Dann erblickte ich sie.
Eine junge Frau, die unbeholfen am Rande stand, mit erröteten Wangen und wilden Augen. Sie wirkte fehl am Platz inmitten der gepflegten Menge, ihre Aura verblasste im Vergleich zu den souveränen Werwölfinnen um sie herum. Ihr langes Haar fiel in zerzausten Wellen, und ihr Kleid klebte an ihr, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich. Es war in einem babyrosa, das mich an eine obdachlose Omega erinnerte, die einmal versucht hatte, mich zu verführen.
Doch es war nicht ihr Aussehen, das meine Aufmerksamkeit erregte. Es war der unverkennbare Duft ihrer Hitze, der wellenförmig von ihr ausging und die Luft erfüllte. Die Menschen um sie herum rümpften angewidert die Nasen – auch ich sollte Abscheu empfinden, aber stattdessen knurrte mein Wolf und sprang aufgeregt herum, während er das eine Wort wiederholte, vor dem ich mich mein Leben lang gefürchtet und vor dem ich geflohen war.
GEFÄHRTIN!!!
Unsere Blicke trafen sich, und für einen Augenblick schien die Welt um uns herum zu verschwimmen. Der Lärm der Gala verblasste, und alles, was ich hörte, war das Pochen meines Herzens, das sich mit jedem Atemzug beschleunigte. Ihr Duft war berauschend und zog mich wider Willen an, und mein Wolf – Lax – drängte vorwärts, begierig darauf, das zu beanspruchen, was ihm gehörte.
Doch dann rissen mich die Stimmen einiger Leute in der Nähe zurück in die Realität. Ich beobachtete, wie eine Gruppe immer wieder verstohlene Blicke auf das Mädchen warf, ihre Gesichter verzogen sich vor Verachtung.
„Warum kann sie ihre Pheromone nicht kontrollieren? Wie erbärmlich!", beschwerte sich einer.
„Das passiert wohl, wenn man keinen Wolf hat. Kein Wunder, dass sie keinen Gefährten finden kann", spottete ein anderer.
„Die wolflose Abweichlerin gehört nicht hierher."
Meine Kiefermuskeln spannten sich an. Lax knurrte ärgerlich über die Beleidigungen, die unserer Gefährtin entgegengeschleudert wurden, doch ich unterdrückte ihn und ein bitteres Lachen entwich meinen Lippen. Also war sie das also – eine Ausgestoßene, eine wolflose Werwölfin, die nicht einmal ihren eigenen Körper kontrollieren konnte. Eine Abweichlerin...
Von allen Mädchen, die die Mondgöttin mir als Gefährtin hätte geben können, wählte sie diese? Was für ein Scherz!
Meine Augen verengten sich, während ich sie beobachtete, das Kribbeln der Gefährtenbindung pulsierte unter meiner Haut. Ich wollte das nicht; ich wollte sie nicht. Ich war kein Anhänger von schicksalhaften Gefährten, aber eine Gefährtin ohne Wolf war nutzlos, schwach und würde nur meinen Ruf beschädigen und mich gegen die Menschen stellen, die ich regierte.
Ich konnte sie nicht akzeptieren oder die Bindung annehmen. Glücklicherweise war sie sich dessen nicht bewusst, also würde es reibungslos verlaufen. Die Welt beobachtete mich bereits, erwartete zu viel, und ich konnte es mir nicht leisten, mich an eine Abweichlerin zu binden, an jemanden, der die Rolle meiner Gefährtin niemals verstehen oder erfüllen würde.
Ich wandte mich ab, um zu gehen, doch Lax – mein Wolf – knurrte aus Protest, flehte mich an, zu ihr hinüberzugehen, doch ich unterdrückte ihn. Sie war nicht mehr als eine Komplikation, und ich hatte keine Zeit für Komplikationen.
Ich warf einen letzten Blick auf das Mädchen am anderen Ende des Raumes und spürte eine seltsame Mischung aus Bedauern und Erleichterung. Sie würde eine Ausgestoßene bleiben, eine Abweichlerin, die keinen Platz in meiner Welt hatte. Und ich würde weiterhin der Anführer sein, ungebunden und frei von den Fesseln schicksalhafter Bindungen.
Als ich den Ballsaal verließ, sah ich, wie ein junger Alpha sich ihr näherte und ihre Brust griff. Wut stieg in mir hoch... In diesem Moment wollte ich eingreifen und den Alpha in Stücke reißen, aber ich hielt mich zurück.
Seine Hände wanderten tiefer – bevor ich über mein Handeln nachdenken konnte, knurrte ich...