Eine Hand griff nach Rikas Handgelenk und zog sie zurück. Sie drehte sich um und sah in Damians unbewegtes Gesicht, doch der Alpha blickte nicht sie an.
Stattdessen fixierte er Mark mit einem Blick, der scharf wie Dolche war, und er wirkte, als wäre er bereit, den älteren Alpha niederzustrecken.
Jeder andere Mann hätte sich aus diesem Kampf zurückgezogen, aber Rika kannte ihren Bruder gut. Sie waren gemeinsam aufgewachsen, ihr Band geschmiedet durch unzählige Kämpfe und gemeinsame Siege.
Er würde niemandem das letzte Wort überlassen… es sei denn, diese Person war Suzie.
"Bruder Mark, es ist nett, dass du Rika abholen willst, aber wir möchten noch Zeit mit deiner Schwester verbringen. Aber keine Sorge! Wir bringen Rika nach Hause, sobald wir fertig sind."
Emily trat vor Rika, gerade als Damian sie zurück auf ihren Platz zog.
Ihr Verhalten brachte Mark in Rage, und Rika sah, wie sein Ärger stieg.
"Ich habe schon immer gewusst, dass ihr ein schlechter Einfluss auf meine Schwester seid. Ich verstehe nicht, warum unsere Eltern das nicht als eine verhängnisvolle Freundschaft sehen. Und Rika, was machst du da? Komm schnell her."
Mark gab seine Worte in aufgebrachtem Ton von sich.
Für Rika kam das nicht überraschend, denn Mark hatte ihre Freundschaft mit dem Alpha-Paar immer missbilligt.
Die Pheromonkonzentration im Raum musste unglaublich hoch sein, um ihren Bruder so aus der Fassung zu bringen.
"Rede nicht in unsere Angelegenheiten. Rika, beeil dich und komm her."
Rika war sich sicher, dass ihr Bruder Unmengen von Pheromonen aussandte, um sie unbewusst einzuschüchtern.
Aber der Witz geht auf seine Kosten, denn Rika spürte überhaupt nichts.
'Nun gut, mal sehen. Welche Ausrede funktioniert bei Mark und bringt ihn dazu nachzugeben?'
Rika hatte eine Reihe von Ausreden parat, doch die beste war sicherlich die, die Suzie betraf. Und bei so vielen Pheromonen in der Luft hatte Rika eine glaubwürdige Lüge.
"Mark, willst du wirklich, dass ich in meinem jetzigen Zustand mit Suzie im selben Raum bin? Ich bin sicher, meine Klamotten sind durchtränkt mit Alpha-Pheromonen von Leuten, die Suzie nicht kennt. Das könnte sie schockieren."
Ihre Worte rüttelten Mark aus dem Zustand auf, in dem er sich befunden hatte. Allein die Erwähnung von Suzies Namen reichte aus, um Mark in diesen Momenten zu besänftigen.
"..."
Mark sagte nichts, doch sein Blick verriet Rika alles, was sie wissen musste.
"Mach dir keine Sorgen um Rika, Bruder Mark. Wir werden dafür Sorgen, dass sie rechtzeitig nach Hause kommt. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen."
Emilys Arme umschlangen Rikas Taille langsam und verführerisch. Die ganze Zeit über behielt Rika den Blickkontakt zu ihrem Bruder bei und hielt ihr überlegenes Lächeln aufrecht, während sie den älteren Alpha ansah.
Rika fühlte sich bei dieser Berührung unwohl, konnte sich aber nicht bewegen, da Damian seinen Arm um sie gelegt hatte.
'Verflucht, diese beiden Alphas sind zu offen mit ihrer Zuneigung, aber nur, wenn es ihnen passt. Ich sollte nicht zu viel in diese beiläufigen Berührungen hineininterpretieren, aber mein Herz setzt dabei aus.'
Die gängige Methode herauszufinden, ob jemand mit einem flirtete oder nicht, war, seine Pheromone zu lesen.
Zumindest war das, was jedermann Rika ihr Leben lang erzählt hatte. Das war der Nachteil, wenn man in einer von Alphas und Omegas geprägten Umgebung aufwächst.
"Gut! Dieses Mal werde ich mich zurückhalten, weil ich Suzie nicht den Pheromonen von euch beiden aussetzen möchte. Aber lasst euch gesagt sein, das ist alles eine fruchtlose Jagd. Ich frage mich, wie lange ihr euren Alpha-Stolz noch aufrechterhalten könnt."Marks Kommentar ließ Emily ihre Arme enger um Rikas Mitte schließen, und Rike hätte schwören können, dass sie Damian hinter sich knurren hörte. Die Luft war angespannt, doch Rikas stumpfe Sinne reagierten auf nichts. Schließlich ging Mark mit einem genervten Blick davon, und die beiden, die Rika festgehalten hatten, lockerten ihren Griff. Die Luft schien nun geklärt.
"Mein Bruder ist weg! Ihr könnt mich jetzt loslassen", flüsterte Rika, wagte sich aber nicht zu rühren.
"Bleib ruhig", sagte Damian, während er seinen Griff um ihr Handgelenk verstärkte. Es war so fest, dass es schmerzte. Glücklicherweise bemerkte Emily das und schlug schnell gegen Damians Arm, damit er losließ.
"Hey, sei vorsichtig. Sie schmerzt, wenn du ihr Handgelenk so fest hältst. Ich habe dir oft gesagt, dass du sanft sein sollst." Schließlich ließ Damian Rika los und auch Emily ließ von ihr ab.
Als sie hinausgingen, warf der Hausmeister Rika einen breiten und unangenehmen Blick zu.
'Wow! Ich muss wegen dieses idiotischen Paares nach Pheromonen stinken. Oh Gott! Ich kann jetzt niemandem in die Augen sehen.'
Normalerweise konnten Betas keine Pheromone wahrnehmen, aber es gab Ausnahmen. Einige empfindsame Betas konnten Pheromone auf gewöhnlichem Niveau spüren. Bei genügend hoher Konzentration konnten selbst gewöhnliche Betas diese spüren oder davon beeinflusst werden. Doch Rika war selbst für Betas extrem unempfindlich.
Sie konnte keine Pheromone wahrnehmen, egal wie stark sie in der Luft waren. Sie hatte sogar das Krankenhaus aufgesucht, um das überprüfen zu lassen. Aber der Arzt ihrer Familie war ein Spezialist für Alpha-Omega. Er hatte keine Ahnung, wie er Rikas Problem angehen sollte.
Rika hätte gerne einen Beta-Arzt aufgesucht, aber die gab es nur in allgemeinen und öffentlichen Krankenhäusern. Es kam zum Streit, und Rika sprach nie wieder darüber.
'Ich erinnere mich, dass Mutter behauptete, in einem örtlichen Krankenhaus wären die Ärzte nicht qualifiziert genug, um mich zu behandeln, und dass sie einen Beta-Spezialisten für mich finden würde. Und dann vergaß sie alles darüber, weil Suzie... wieder krank wurde.'
Rika fühlte sich nicht besser... sie war es nicht. Vielleicht war sie ein bisschen bitter. Aber manche Situationen konnte man eben nicht ändern.
'Wenn ich erst in der Maxwell-Akademie bin, habe ich die Chance, einen normalen Arzt aufzusuchen. Hoffentlich wird er eine Lösung für mich haben.' Rika hoffte auf eine Verbesserung ihrer Situation, wurde aber durch ein Zwickeln in die Gegenwart geholt.
"Jetzt, wo wir frei sind, wollen wir nicht ausgehen und Spaß haben? Es gibt eine Bar, in die ich schon lange mal wollte. Sollen wir dort hingehen?", fragte Emily fröhlich, während sie ihre Arme um Rikas schlang und sie hinaus zerrte. Damian folgte ihnen ohne zu zögern.