Chapter 2 - KAPITEL 2

"Diejenige, die dich gerettet hat", sagte Kendall ruhig und gelassen.

Sie war keine übermäßig gütige Person, aber sie war bereit, Anos zu helfen.

Sie zog den Gürtel von der Leiche und benutzte ihn, um die Blutung an Anos' Oberschenkel zu stoppen.

Dann griff sie nach einem Ast und riss das Hemd des Toten ab, um es als provisorischen Verband zu verwenden.

Anos stöhnte, die Adern an seinem Hals schwollen sichtbar an. Trotz seines hohen Alters schrie er nicht vor Schmerz.

Kendall konnte nicht anders, als Anos noch mehr zu bewundern.

Sie nahm eine Kugel heraus, biss die Kappe an der Basis auf und streute das Schießpulver gleichmäßig über die bereits gestoppte Blutung.

Dann zündete sie das Schießpulver an, was eine beeindruckende Flamme auf der Wunde entstehen ließ.

Anos zeigte immer noch keine Schmerzzeichen. Stattdessen fixierte er Kendall mit einem intensiveren Blick.

"Das ist eine Notfallmethode zur Blutstillung und Desinfektion, die auf dem Schlachtfeld häufig verwendet wird. Wer sind Sie?"

Eine solch vertraute Technik schien nicht von den Händen eines achtzehnjährigen Mädchens zu stammen.

Außerdem hatte sie gerade den italienischen Attentäter mit nur einem Schuss enthauptet, was eine bemerkenswerte Zielgenauigkeit bewies!

Es war, als hätte sie diese gesamte Handlungsabfolge schon unzählige Male zuvor ausgeführt!

Kendall runzelte die Stirn.

Schließlich offenbarte sie ihren Namen: "Kendall Parker".

Bei Anos' Status würde man ihren Hintergrund gründlich untersuchen, selbst wenn sie sich dumm stellte.

Wie sehr er auch forschen würde, er könnte nicht herausfinden, dass sie wiedergeboren worden war.

Das Geräusch zahlreicher Schritte näherte sich aus der Ferne. Kendall wusste, dass Anos' Verstärkung eingetroffen war.

Sie ließ Anos zurück und machte sich auf den Weg zu ihrem eigenen Zuhause.

Anos blieb regungslos stehen.

Wollte sie einfach so gehen?

Sie hatte einen Nationalhelden gerettet und wollte nicht einmal eine Belohnung?

Oder verachtete sie es, diese anzunehmen?

Am nächsten Morgen verabschiedete sich Kendall von ihren Eltern und stieg mit einem Rucksack in den Bus, der sie zur Schule brachte.

Es war noch früh und der Verkehr auf der Autobahn war noch nicht allzu dicht. Die entspannte Fahrerin wurde plötzlich nervös, als ein Rolls-Royce Sportwagen aus der Gegenrichtung näher kam.

Das Fenster auf der Rückbank des Wagens war halb geöffnet, sodass der Fahrer einen Blick auf den darin sitzenden Mann werfen konnte.

Er schien etwa siebenundzwanzig Jahre alt zu sein und trug einen gut geschnittenen, luxuriösen schwarzen Anzug. Seine Gesichtszüge waren scharf, mit einem markanten Kiefer, und seine tiefen, schmalen Augen strahlten eine eisige Kälte aus. Er sah sogar noch besser aus als die aktuell heißesten männlichen Stars der Unterhaltungsbranche.

Zisch!

Die beiden Fahrzeuge fuhren aneinander vorbei und verschwanden in den Rückspiegeln der jeweils anderen.

Kendall senkte den Kopf, vertieft in ihr Handy, und bemerkte diese Szene nicht.

"Ding! Probemission aktiviert."

Die Systemaufforderung erklang, und sie sah eine Textzeile, die andere nicht sehen konnten.

"Probemission (1): Erreiche den ersten Platz bei der monatlichen Prüfung an der Powell High School."

"Obwohl ich keine institutionalisierte Bildung erfahren habe, wurde ich von der Organisation in verschiedenen Bereichen ausgebildet. Nachdem ich das Wissen des letzten Highschool-Jahres durchgearbeitet habe, sollte es ein Kinderspiel sein, den ersten Platz zu belegen", murmelte sie vor sich hin.

Eine Stunde später hielt der Bus vor dem Tor der Powell High School.

Kendall stieg aus, und vor ihr stand ein Musikbrunnen mit einer riesigen weißen Buchskulptur in der Mitte. In das Buch waren folgende Worte eingraviert:

"Strebe nach Bildung für das Leben."

Da es sich um die beste Eliteschule der Stadt handelte, trugen die vorbeikommenden Schüler und ihre Familien Markenkleidung und teure Accessoires.

Kendall bildete jedoch eine Ausnahme.

Sie trug ein veraltetes, weißes kurzärmeliges Hemd mit verblassten Bluejeans. Die Ränder ihrer Leinenschuhe waren vergilbt und außer einem Haargummi trug sie keine weiteren Accessoires in ihrem einfachen Pferdeschwanz.

Sie hob sich deutlich von allem und jedem um sie herum ab.

Natürlich zog sie die Aufmerksamkeit auf sich.

"Was zum Teufel, wer ist dieses Landei? Wir haben doch keine Austauschschüler an dieser Schule, oder?"

"Na wer wohl? Wer ist der Ärmste in der ganzen Schule? Natürlich die ländliche Verlobte von Mr. Johnson!"

"Kendall? Auf keinen Fall, ich erinnere mich, dass Kendall hässlich wie die Nacht war, mit diesen dicken Pony, der wie ein weiblicher Geist aussah. Wie kann sie nur so schön sein?"

"Du Dummkopf. Sie hat einfach ihren Pony zurückgekämmt, und ich bin total hin und weg…"

"Beeil dich. Mach ein Foto und zeig es den anderen!"'Als hätten sie einen neuen Kontinent entdeckt, zückten viele Schüler ihre Handys und begannen, Fotos von Kendall zu machen. Einige Jungen waren sogar ganz benommen. Kendall war heute so schön! Sie trug ihre Tasche lässig über der Schulter, die Hände locker in den Hosentaschen, und ging mit aufrechter Haltung und selbstbewussten Schritten. Ihre kalten, faszinierenden Augen, und das gelegentliche kühle Funkeln in ihren Augenwinkeln zog die Blicke auf sich und flößte Respekt ein. Mit ihrer frostigen und coolen Art konnte man sie sich gut als Profikillerin vorstellen!

"Ach, das ist doch nur eine neue Frisur, was ist daran so besonders?"

Einige Mädchen machten abfällige Bemerkungen, voller Neid.

Aber so eifersüchtig sie auch waren, sie konnten nicht Kendalls Schönheit verbergen, noch die Tatsache, dass sich die Neuigkeit von ihrer Verwandlung wie ein Lauffeuer auf dem Campus verbreitete. Als Kendall den Eingang des Klassenzimmers der Abschlussklasse (Klasse 2) erreichte, wusste bereits die gesamte Klasse Bescheid.

Mit Verachtung und Abscheu sahen sie Kendall an, ihre jungen Gesichter erfüllt von Geringschätzung.

"Na, die Landpomeranze ist ja ganz hübsch geworden!"

"Hey, die Dorfschönheit ist schön!"

"Na und? Sobald sie reinkommt, riecht es nach Armut, das ist so widerlich."

"Hör auf damit. Sonst muss ich mein Frühstück gleich wieder auskotzen."

"Erinnerst du dich, als Austins Großvater wollte, dass Kendall in derselben Klasse wie Austin ist? Aber selbst dem stellvertretenden Direktor war bewusst, dass Kendall den Klassenstandard senken und die Lernatmosphäre in der Klassenbesten stören würde. Deshalb steckten sie sie in unsere Klasse."

"Das ist alles Kendalls Schuld. Sie soll zum Teufel fahren, verdammt!"

Kendall betrat das Klassenzimmer. Heute war der Tag, an dem die Sitzplätze gewechselt wurden. Um die Schüler zu ermutigen, mehr Freunde zu finden, durfte jeder seinen Platz nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" wählen.

Kendall suchte sich einen freien Platz aus, doch bevor sie ihren Rucksack abstellen konnte, schlug das Mädchen am Nachbartisch mit der Hand auf den Tisch und sah sie mit einem gekünstelten Lächeln an.

"Sorry, dieser Platz ist schon besetzt. Sie ist nur kurz auf die Toilette gegangen."

Kaum waren die Worte verklungen, kicherte jemand.

Niemand hatte diesen Platz eingenommen, niemand wollte neben Kendall sitzen!

Unbeeindruckt suchte Kendall sich einen anderen freien Platz. Doch bevor sie diesen erreichen konnte, stand das Mädchen neben dem leeren Sitzplatz auf und sagte ungeduldig,

"Auch dieser Platz ist besetzt. Such dir irgendwo anders Platz."

Wer wollte schon Kendalls Platznachbar sein?

Diesmal lachten noch mehr Leute höhnisch. Kendall verengte ihre Augen leicht, in ihrem Blick lag eine frostige Kälte. Plötzlich hob ein Junge mit einer ordentlichen Ladung Akne im Gesicht die Hand und rief laut,

"Hier ist noch ein Platz frei!"

Kendall ging auf den Jungen zu. Als sie gerade ihre Tasche abstellen wollte, stampfte der Junge den Fuß auf den Stuhl, sein freundliches Gesicht verwandelte sich in Arroganz und Verachtung.

"Dieser freie Platz ist für einen 'Menschen' gedacht. Du, du dummes Schwein, hast ihn nicht verdient!"

Das ganze Klassenzimmer brach in Gelächter aus.

Der Junge blickte noch selbstzufriedener drein. Kendall dachte bei sich:

Die letzte Person, die sie so herausgefordert hatte, wie ist es ihr ergangen?

Sie ließ ihre Tasche fallen und schmetterte dem Jungen eine kräftige Ohrfeige ins Gesicht!

"Aua!" Der Junge schrie vor Schmerz auf. Sofort danach versetzte Kendall ihm einen Tritt in den Magen, sodass er zu Boden ging!

Er krümmte sich vor Schmerzen, sein Gesicht verzerrt, unfähig auch nur ein Wort zu sagen!

"Darf ich mich jetzt hierher setzen?" fragte Kendall kühl.

Sie war am besten im Vernünftig-Reden mit Menschen.

Aber manchmal war Gewalt die einzige Sprache, die sie sprach.