Die Aussage "Wissen Sie, was Sie falsch gemacht haben?" wurde an Wen Qinxi gerichtet, doch sie klang irgendwie zweideutig und ließ die Atmosphäre ein wenig unbehaglich wirken. Mit gesenktem Kopf und von Schuldgefühlen geplagt, spielte Wen Qinxi nervös mit seinen Fingern. Er wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte, indem er das mühsam aufgebaute Vertrauen gebrochen hatte. Wen Qinxi wollte alle seine Fehler eingestehen und dies so schnell wie möglich hinter sich bringen, doch er fühlte sich erstickt von der dunklen, erdrückenden Präsenz der Person, die neben ihm saß.
Sie saßen schweigend da, während Qie Ranzhe geduldig auf eine Antwort wartete. Aber Lin Jingxie schwieg lange, was Qie Ranzhe dazu veranlasste, in einem abweisenden Ton zu sagen: "Wenn du nicht bereit bist zu sprechen, dann komm wieder, wenn du es bist", bevor er sich wieder hinlegte. Gerechterweise muss man sagen, dass Wen Qinxis Verstand nach einer solchen Flut an Emotionen in so kurzer Zeit leer war und er alle Zeilen vergessen hatte, die er drei Tage lang auswendig gelernt hatte.
Als er sah, dass Qie Ranzhe wieder einschlief, raffte sich Wen Qinxi schließlich auf und sagte: "Es tut mir leid, Ran-ge, ich hätte ihre Hand nicht berühren dürfen. Ich bin nicht die Art Person, die die Sachen anderer Leute anfasst. Es war alles nur ein Missverständnis", platzte er heraus und versuchte seinen Namen reinzuwaschen, doch Qie Ranzhe wirkte abwesend, seine Hand bedeckte das Gesicht und ein Bein war angewinkelt.
Wen Qinxi sagte nichts weiter und beschloss, ihn in Ruhe zu lassen und zu gehen. Doch als er aufstehen wollte, sprach Qie Ranzhe schließlich: "Bist du an ihr interessiert?", fragte er mit rauer Stimme, die Augen immer noch verdeckt.
"Nein, ich bin wirklich nicht an ihr interessiert. Weshalb sollte ich auf diese Weise an meine Schwägerin denken? Ich bin ein anständiger Bürger und habe nicht die Absicht, meinem Bruder die Frau wegzunehmen. Also komm schon, Kopf hoch", sagte er und rüttelte ihn sanft, "du kannst mir nicht ewig böse sein."
Qie Ranzhe entspannte sich schließlich, seine Augen wirkten nun etwas heller und er suchte in Wen Qinxis Blick nach etwas, bevor er sich aufsetzte und den Blickkontakt hielt. Der Abstand zwischen ihnen verminderte sich dramatisch, bis sie nahe beieinander waren. Qie Ranzhe konnte keinen Anflug von Täuschung feststellen und lächelte daher zufrieden mit seiner Antwort.
Was er am meisten fürchtete, war von Lin Jingxie verraten oder verlassen zu werden, und als er ihre intimen Handlungen beobachtete, zerbrach seine ganze Welt vor seinen Augen. Der Schmerz war so unerträglich, dass er weggehen musste, sonst hätte er Zhao Huangzhi womöglich auf der Stelle erwürgt. Wenn eine Versöhnung nicht möglich wäre, hatte er vor, stark genug zu werden, um Lin Jingxie gefangen zu halten, damit dieser immer an seiner Seite bleiben würde. Lin Jingxie gehörte ihm und nur ihm allein.
Qie Ranzhe war bereits unumkehrbar verdorben; tief in ihm hatte sich eine böse Wurzel festgesetzt, die solch düstere, psychopathische Gedanken hervorbrachte. "Ich kann darüber hinwegsehen, aber natürlich habe ich einige Bedingungen", sagte Qie Ranzhe mit einer honigsüßen Stimme, der man nicht trauen sollte. Wen Qinxi hatte weniger Erfahrung im Umgang mit solch einer Persönlichkeit und tappte in seine Falle.
"Sicher, ich werde alles tun, solange du mir vergeben kannst", erwiderte er und verschob leicht seinen Körper, wodurch sich der Abstand zwischen ihnen noch weiter verringerte. Als er sprach, streifte sein warmer Atem Qie Ranzhes Gesicht, was eine unwillkürliche Reaktion auslöste, die ihn in Anspannung versetzte.
"Erstens: Du musst mir versprechen, mich niemals zu verraten", sagte er mit ernster Stimme. "Antworte nicht leichtfertig. Überlege es dir gut, denn ich werde Verrat nicht dulden."
Wen Qinxi schüttelte den Kopf und schob ihn sanft zurück: "Natürlich, natürlich", sagte er und lächelte, während er dachte: ‚So dumm bin ich wirklich nicht.'
Als Qie Ranzhe sah, wie eifrig Lin Jingxie war, ihm zu gefallen, entschied er sich, noch ein paar Bedingungen zu stellen. "Du musst für den Rest unseres Lebens für mich kochen", sagte er, während er sich näher beugte und seinen Arm träge auf seinem angewinkelten Knie baumeln ließ.Wen Qinxi schüttelte ablehnend den Kopf bei dem Gedanken, dass Qie Ranzhe ihn wohl als Koch für das restliche Spiel beschäftigen wolle – sogar, wenn er heiraten würde. Doch als er bemerkte, wie sich das Gesicht von Qie Ranzhe verdüsterte, nickte er stattdessen zustimmend. Zufriedenheit zeichnete sich auf Qie Ranzhes Gesicht ab und er streckte die Hand aus, um Lin Jingxies Kopf zu tätscheln.
Wen Qinxi beobachtete die Hand, die auf seinen Kopf zusteuerte, und lehnte sich instinktiv zurück, bevor er sie wegklopfte und tadelte: "Dage, siehst du mich etwa als kleines Kind? Hör auf mit dem Tätscheln, sonst bist du verantwortlich, wenn ich eine kahle Stelle bekomme."
Qie Ranzhe lachte leise, während er auf seine Hand starrte, die Lin Jingxie weggewiesen hatte, und dachte bei sich: 'Ich lasse es dieses Mal durchgehen, aber wenn du mich noch mal schlägst, schlage ich genau dort zurück.' Ein Hauch von Wahnsinn lag in seinen Augen.
"Also gut, noch eine letzte Sache", sagte er, während er sein Schwert mit einem lauten Zischen zog, das Wen Qinxi erschaudern ließ. "Lass uns einen Blutpakt schließen, um für immer zusammenzubleiben", fuhr er fort und schnitt sich tief in die Handfläche. Das Blut floss stetig hinab zu seinem Handgelenk, während ein dezenter Blutgeruch die Luft erfüllte.
Entsetzt beim Anblick des Blutes weiteten sich Wen Qinxis Augen. 'Zum Teufel mit dem Blutpakt! Laozi hat Angst vor Schmerzen!', dachte er und wandte den Blick ab.
Qie Ranzhe, überrascht von dessen Reaktion, kneifte Lin Jingxie in das Kinn und zwang ihn, sich ihm zuzuwenden. "Bist du etwa nicht einverstanden?", fragte er und sah Lin Jingxie eindringlich in die Augen, als würde er ihn zum Gehorsam zwingen. Wen Qinxis geöffnete Handfläche näherte sich wie magisch, als wäre sie einem Zauber unterlegen.
Als ihre Fingerspitzen sich berührten, zog Lin Jingxie seine Hand abrupt zurück und fluchte innerlich: 'Verdammt, bin ich etwa nicht immun gegen den Heiligenschein des Protagonisten? Beinahe wäre ich darauf reingefallen.' Wen Qinxi fühlte sich verwundbar und sah keinen Sinn darin, dies zu verbergen. Qie Ranzhe war wirklich enttäuscht, mit einem Blick so traurig, dass selbst Götter bewegt werden würden, um ihn wieder lächeln zu sehen.
"Du traust meinen Worten nicht? Das hier ist wirklich unnötig, ich würde dich nie hintergehen", sagte Wen Qinxi, um ihn aufzuheitern.
Qie Ranzhe tat so, als wäre er noch trauriger, und sagte: "Letztes Mal sagtest du, du hättest kein Interesse an ihr, aber am Ende hast du ihre Hand berührt und in der Küche mit ihr geflirtet. Mir hast du nie erlaubt, dir beim Kochen zu helfen, sie durfte es aber. Wie soll ich nur deinen Worten vertrauen?"
"Du...", Wen Qinxi war sprachlos und fühlte sich machtlos, "Also gut, tu es. Was auch immer dich glücklich macht." Er wandte sein Gesicht ab, nicht bereit hinzusehen, während Qie Ranzhe die Klinge ansetzte. Schmerz war seine größte Furcht. Er war sogar im Krankenhaus dafür bekannt davonzulaufen, sobald die Rede von einer Spritze war. Einmal musste ein Sicherheitsmann ihn niederhalten, damit er geimpft werden konnte, während seine Mutter ihn nicht halten konnte.
Wen Qinxi wartete geduldig auf den Schmerz, aber als nichts passierte, fragte er mit heiserer Stimme: "Ist es vorbei?", ohne zu schauen.
"Ja, du kannst jetzt hinschauen", sagte Qie Ranzhe mit einem verschmitzten Lächeln. Wen Qinxi, der dachte, der Schmerz sei aus irgendwelchen Gründen gemindert worden, entspannte sich und drehte sich um. Als er jedoch sah, dass seine Hand unversehrt war, begriff er, dass er hereingelegt worden war. Er schrie: "Qie Ra-, Verflixt!", gerade als Qie Ranzhe sein Schwert bewegte, um seine Handfläche zu schneiden.
"AAAAAHHHHH!", schrie Wen Qinxi, und der ganze Wald hallte wider von seinem grausigen Schreien, das die Tiere zur Flucht und die Vögel zum Wegfliegen in Schrecken trieb.