Die beiden gingen nebeneinander aus dem Wald hinaus, der eine beschwerte sich, der andere tröstete ihn. Beide hatten ein zerrissenes Tuch als provisorischen Verband um die Handflächen gewickelt. „Qie Ranzhe, musstest du mir wirklich so über die Handfläche schneiden? Ein kleiner Stich in meinen Daumen hätte genügt. Das ist übertrieben", beklagte sich Wen Qinxi über seine pochende Hand, die höchstwahrscheinlich eine Narbe hinterlassen würde.
Qie Ranzhe legte seinen Arm um die Schultern von Lin Jingxie und zog ihn näher heran, während er sagte: „Was kann schon ein kleiner Stich ausrichten? Bei solchen Dingen muss man zum Äußersten gehen, um sicherzustellen, dass sie wirksam sind. Außerdem hast du geschworen, mich nie zu verlassen, also bin ich sehr glücklich", sagte er mit einem strahlenden Lächeln, das den Himmel zum Beben bringen konnte.
Wen Qinxi seufzte, als er dieses wunderbare Lächeln sah, das sein Herz berührte. „Junger Meister, bitte hör auf zu lächeln, sonst bringst du uns noch Ärger", sagte er, während er den schweren, träge lastenden Arm von seinen Schultern nahm.
„Ach so, du möchtest also, dass ich nur dich anlächle?", erwiderte Qie Ranzhe mit einem noch strahlenderen Lächeln und verdrehte dabei frech die Worte.
„Das ist Verleumdung, Herr. Verdrehe nicht meine Worte", entgegnete Wen Qinxi, schüttelte den Kopf und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken wie ein echter junger Herr. „Übrigens hast du mir immer noch nicht gesagt, wie du das Schwert benannt hast. Wie heißt es?", fragte er, in der Hoffnung, Qie Ranzhes gute Laune auszunutzen. Er hatte diese Frage schon oft gestellt, aber nie eine Antwort erhalten. Er begann zu bezweifeln, ob das Schwert überhaupt einen Namen hatte.
„Wenn ich dir seinen Namen verrate, müsstest du den Preis dafür zahlen. Bist du sicher, dass du es dir leisten kannst?", fragte er mit einem Lächeln, das eigentlich keines war, während er sich herunterbeugte, um Augenkontakt mit Lin Jingxie herzustellen, da er größer war als er.
„Ach, vergiss es", sagte Wen Qinxi und ging an ihm vorbei und dachte: ‚Es ist doch nur ein verdammter Name. Was ist daran so besonders, dass du so dramatisch sein musst? So ein verdammter Drama-König.' Während die beiden in ihr Gespräch vertieft waren, verbarg sich irgendwo im Schatten ein Stalker mit bösen Absichten. Er erkannte die Richtung, in die die beiden ahnungslosen Jungen gingen, und machte sich auf, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Qie Ranzhe blieb plötzlich stehen und schaute stirnrunzelnd in eine bestimmte Richtung, während er darüber nachdachte, ob er den Stalker, der sie aus der Ferne beobachtete, verfolgen sollte. Plötzlich hörten sie Schreie einer Frau, die nur wenige Meter entfernt um Hilfe rief, obwohl sie nichts sehen konnten, da die Bäume ihre Sicht versperrten.
Wen Qinxi wollte zur Hilfe eilen, doch Qie Ranzhe streckte seine Hand aus, um ihn aufzuhalten, blickte ihm in die Augen und sagte: „Bleib hier, es könnte gefährlich sein", mit einem autoritären Ton, den nur Eltern gegenüber ihren Kindern verwenden."Ernsthaft, wäre es nicht viel sicherer mit dir, als hier zu bleiben?", hielt er plötzlich inne und gestikulierte mit dem Zeigefinger in Richtung Qie Ranzhe. "Es sei denn, du hast vor, zu gehen? Qie Ranzhe, du bist so verdammt herzlos." Kaum hatte Wen Qinxi seine Worte ausgesprochen, rannte er auch schon in die Richtung, aus der die Schreie kamen.
Qie Ranzhe, gerade noch getadelt worden, war wie erstarrt und gab Wen Qinxi die Gelegenheit, unbemerkt zu entwischen. Als er zu sich kam und das Geschehen realisierte, war der andere schon zehn Schritte voraus. Mit ernster Mine lief er hinterher, voller Sorge, ob er Lin Jingxie wirklich vor einem Schaden bewahren könnte. Sie erreichten den Ort des Geschehens wie glanzvolle Ritter, die bereit waren, den Tag zu retten, nur um ein bewusstloses Mädchen zu finden, das mit dem Kopf hing und dessen zerzauste Haare ihr Gesicht verdeckten. Sie war an einen Baum gefesselt, und neben ihr stand ein kleiner kahlköpfiger Bandit mit schmutzig gelben Zähnen, der über ihren zerrissenen Rock lachte.
Weitere vier Banditen umkreisten das andere Mädchen, das um Hilfe schrie. Qie Ranzhe sah Lin Jingxie an, als würde er auf sein Einverständnis warten, doch der Junge beachtete ihn nicht einmal, sondern gab Anweisungen. "Du rettest sie, ich kümmere mich um die da drüben", sagte Wen Qinxi und setzte zum Loslaufen an.
Qie Ranzhe hatte Lin Jingxie noch nie kämpfen sehen und machte sich Sorgen, obwohl es nur ein einziger Bandit war. Er packte Lin Jingxies Ellbogen und sagte mit besorgten Augen: "Pass auf dich auf", und hielt ihn so fest, als wollte er ihn nicht loslassen.
Mit einer selbstgefälligen Miene löste Wen Qinxi den Griff und sagte: "Das werde ich", ehe er losrannte, um die Dame in Not zu retten. Vielleicht hatte er eben noch arrogant gewirkt, aber das war nur Show, um Qie Ranzhe loszuwerden. Innerlich war er in Panik und brach in kalten Schweiß aus.
"Verdammt! Jolie, hast du nicht eine Art Power-Up oder so, damit ich diesen Trottel besiegen kann? Ich bin wirklich mies im Kämpfen", wandte sich Wen Qinxi an das System und hob einen morschen Baumstamm auf, in der Absicht, sich an den Banditen heranzuschleichen, der mit den Haaren des bewusstlosen Mädchens spielte.
'Die Spezialfähigkeit deines Charakters ist nur Literatur, Boss. Du kannst probieren, den Banditen mit ein paar beschissenen Gedichten vollzutexten, vielleicht wird er dadurch so inspiriert, dass er dich gehen lässt. Jiayou, Boss, ich glaube an dich!', entgegnete das System, bevor es erneut verschwand.
"Ach, verdammt", murmelte er, bevor er auf den Banditen zu stürmte und den Baumstamm kümmerlich schwang. Der morsche Stamm zerbrach in Stücke und fügte seinem Opfer kaum Schmerzen zu. Der Bandit starrte ihn an, wie eine wütende, zum Angriff bereite Viper. "Oh, Scheiße", sagte er, bevor der Bandit eine bedrohliche Haltung einnahm.
"Junger Meister, ich glaube, ihr seid hier fehl am Platz. Das hier geht euch nichts an", sagte der Bandit mit einem Grinsen und mörderischem Blick. Ein verängstigter Wen Qinxi wich zitternd zurück. Ihm blieb keine andere Wahl, als planlos wegzulaufen und auf Zeit zu spielen, in der Hoffnung, dass Qie Ranzhe das andere Mädchen bereits gerettet hatte.