Es war früh, als die ersten Sonnenstrahlen mein rotes Fell zum Glühen brachten. „Heiß!" schrie ich und sprang aus meinem Bett. Die Hitze war unerträglich, als ob mein Fell Feuer gefangen hätte. Der Schmerz durchzog meinen Körper wie flammende Nadeln, und in Panik rannte ich zum Fenster. Die Gardinen, schwere rote Vorhänge mit einem imposanten Wolfskopf darauf, wehten leicht im Luftzug. Der Wolfskopf, gestickt in einem wunderschönen gelb-goldenen Ton, schien im Morgenlicht fast lebendig zu werden, als ob er mich warnen wollte.
Mit einem Ruck zog ich beide Gardinen zusammen, und die brennende Hitze wurde endlich ausgesperrt. Erleichtert lehnte ich mich gegen die kühlen Wände, mein erhitzter Körper beruhigte sich langsam. Mein Atem ging noch schwer, doch das Schlimmste war überstanden. Ich konnte spüren, wie mein Puls langsamer wurde, das Feuer in meinen Adern nachließ. Nachdem ich mich erholt hatte, machte ich mich fertig. Heute war der Tag der Abreise. Die Reise nach Newhurst.
Ein schauriges Kribbeln durchzog meinen Rücken bei dem Gedanken an das, was mich dort erwartete. Meine Freundin war irgendwo in dieser Stadt, gefangen in einem Menschenkäfig. Die bloße Erinnerung daran ließ mich erschaudern. „Dämliche Menschen", flüsterte ich voller Groll, während ich meine Hütte verließ. Der Morgen war klar und wolkenlos, doch die Wärme der Sonne lag schwer auf meinen Schultern.
"Sly", ertönte die kratzige, vertraute Stimme meines Vaters hinter mir. Er stand wie aus dem Nichts plötzlich da, imposant wie immer. "Bist du bereit? Du musst los." Langsam kam er auf mich zu, in der Hand eine weitere Maske. Ohne Vorwarnung drückte er sie mir in die Hand. „Hier! Nimm sie", sagte er, fast beiläufig, doch ich konnte die Strenge in seiner Stimme nicht überhören.
Zögernd nahm ich die Maske entgegen. Die Erinnerungen an den Vortag ließen meine Hände zittern. Die Verwandlung, die mich damals so hilflos gemacht hatte, war immer noch frisch in meinem Gedächtnis. Ich hatte meine Instinkte nicht kontrollieren können, hatte mich schwach gefühlt. Wiederwillig setzte ich die Maske auf. Wie erwartet spürte ich die Verwandlung, aber diesmal war es anders. Ich wurde nur teilweise verwandelt, aber mir war nicht schlecht. Keine Übelkeit, kein Schwindel. Nur ein merkwürdiges Gefühl, als ob ich zwischen zwei Welten gefangen war.
„Und?" fragte mein Vater, seine Stimme drängend. „Wird dir schwindlig?"
Ich hielt inne, tastete nach dem vertrauten Gefühl von Übelkeit und Desorientierung – doch nichts kam. Es fühlte sich... normal an, fast alltäglich. „Nein", stotterte ich schließlich heraus.
„Dann ist ja alles gut", lachte er leise. „Frühstücke etwas, dann musst du los. Wenn du pünktlich sein möchtest."
Mit diesen Worten wandte er sich ab, seine kräftigen Schultern straff wie immer. „Ich habe noch etwas zu erledigen. Pass auf dich auf, Sly." Er ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Es war seine Art. Schon immer hatte er mir die kalte Schulter gezeigt, als wäre ich nicht mehr als ein Werkzeug für ihn – der Sohn des Alphas, nicht mehr und nicht weniger. Seine Anerkennung war etwas, das ich nie wirklich hatte. Tief in mir spürte ich einen vertrauten Schmerz, den ich sofort unterdrückte.
„Sly!" riss mich eine sanfte, vertraute Stimme aus meinen Gedanken. Es war Silinea, meine kleine Schwester. Sie lächelte mich an, ihr Gesicht strahlte Wärme und Unschuld aus. „Komm, setz dich zu uns." Sie winkte mir zu, fordernd, aber liebevoll. Ich konnte nicht anders, als ihrem Wunsch zu folgen.
Ich trat an den Frühstückstisch heran, wo Silinea und einige andere aus dem Rudel bereits saßen. Der Duft von frischem Brot und gegrilltem Fleisch erfüllte die Luft. Für einen Moment war die Hitze, die Sorge, der bevorstehende Kampf – alles vergessen. Der einfache Luxus, in der Nähe meiner Familie zu sein, brachte mir für einen Moment Frieden.
„Heute ist ein großer Tag, nicht wahr?", fragte Silinea, als ich mich neben sie setzte. Ihr Ton war heiter, aber ich konnte die Sorge in ihren Augen sehen. Sie wusste, was auf dem Spiel stand.
„Ja", antwortete ich, während ich in ein Stück Fleisch biss. Die Würze ließ meinen Mund brennen, aber das war mir lieber als die brennenden Gedanken, die meinen Kopf füllten.
„Sei vorsichtig da draußen", flüsterte sie und legte ihre Hand auf meine. „Versprich es mir."
Ich nickte stumm und blickte zu den Wolken auf, die sich nun langsam am Himmel sammelten. Ein Gewitter zog auf. Ob es ein Zeichen war?
Nach einem ausgewogten Frühstück war es dann so weit. Mein Weg in richtung Newhurst.