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Chapter 5 - Das Echo des Krieges

Die ersten Strahlen der Morgensonne fielen sanft durch die halb geöffneten Vorhänge und streiften Kazuyas Gesicht. Langsam öffnete er die Augen und ließ den friedlichen Morgen auf sich wirken. Das vertraute, wenn auch ungewohnte Gefühl, mit anderen in einem Raum zu schlafen, war präsent, aber es schien weniger bedrohlich als zuvor angenommen.

Er setzte sich auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen – die persönlichen Gegenstände der anderen, die gleichmäßigen Atemzüge, die stille Vertrautheit des gemeinsamen Raumes. Die Ereignisse des gestrigen Tages waren noch frisch in seinem Kopf, und eine Mischung aus Erleichterung und Unsicherheit erfüllte ihn. Die anderen hatten ihn nicht fallen lassen, ihn nicht aufgegeben. Doch die Angst, dass dies nur von kurzer Dauer sein könnte, ließ ihn nicht los.

Leise stand er auf und verließ das Schlafzimmer, um die anderen nicht zu wecken. Im Gemeinschaftsbereich bemerkte er Yatsuki, der bereits wach war und in Gedanken versunken auf dem Sofa saß. Als Kazuya den Raum betrat, schaute Yatsuki auf und lächelte leicht.

„Morgen",

sagte Yatsuki leise.

„Morgen",

erwiderte Kazuya zögernd, aber freundlich.

Yatsuki stand auf und schlug vor:

„Hast du Lust, ein bisschen nach draußen zu gehen? Der Garten ist zu dieser Zeit besonders schön."

Kazuya dachte kurz nach und nickte dann.

„Klingt gut."

Sie verließen das Gebäude und traten hinaus in den kühlen Morgen. Der Garten war in weiches Licht getaucht, und der Duft von Tau lag in der Luft. Die beiden gingen langsam nebeneinander her, ohne Eile, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.

Yatsuki begann zögerlich zu sprechen:

„Weißt du, wir sind gar nicht so verschieden, wie ich zuerst dachte. Wir beide tragen unsere Vergangenheit mit uns herum und suchen nach Antworten. Außerdem bist du im Kampf auch ziemlich analytisch unterwegs. Da gibt es sicher noch mehr, was wir gemeinsam haben, aber das ist mir jetzt schon aufgefallen."

Kazuya blickte kurz zu ihm hinüber, dann wieder geradeaus.

„Ja, da hast du wohl Recht. Irgendwas in dir erinnert mich an mein früheres Ich, an den, der ich wieder werden will",

sagte er nachdenklich.

Yatsuki nickte leicht, als wäre er sich selbst nicht sicher, was er noch sagen könnte.

„Ich glaube, das kriegst du hin",

meinte er schließlich.

„Am Ende wird es an mir liegen",

sagte Kazuya und ließ die Worte im Raum stehen.

Ihr Weg führte sie schließlich zu einer Lichtung, auf der eine imposante Statue stand – der Held und ehemalige Prinz, der nun als König von Dharva über das Land herrschte. Die Statue war majestätisch, fast ehrfurchtgebietend, und das Morgenlicht ließ die metallene Rüstung des Helden glänzen.

Yatsuki blieb vor der Statue stehen, starrte sie an und fühlte plötzlich einen stechenden Schmerz in seinem Kopf. Er verzog das Gesicht, während die Kopfschmerzen stärker wurden, und er griff sich an die Schläfen.

„Alles in Ordnung?"

fragte Kazuya, als er bemerkte, dass Yatsuki zusammenzuckte.

Yatsuki versuchte, den Schmerz zu unterdrücken, während ein vages Gefühl von Vertrautheit ihn durchströmte.

„Es… es ist nichts. Nur ein plötzliches Kopfweh",

murmelte er und schüttelte leicht den Kopf, als ob er die unangenehmen Gedanken vertreiben wollte.

„Diese Statue… sie kommt mir irgendwie bekannt vor."

Kazuya sah die Statue an, dann wieder Yatsuki. Er sagte nichts, aber er konnte die Unruhe in Yatsukis Gesicht sehen. Die Verbindung zwischen der Statue und Yatsuki war für ihn unklar, aber es war offensichtlich, dass etwas in Yatsuki ausgelöst wurde, das er nicht verstand.

„Vielleicht sollten wir weitergehen",

schlug Kazuya vor, vorsichtig, um nicht zu aufdringlich zu wirken.

Yatsuki nickte langsam.

„Ja, vielleicht ist das besser."

Sie setzten ihren Weg zurück in die Wohngemeinschaft in stiller Übereinkunft fort, ohne weitere Worte zu wechseln. Die Begegnung mit der Statue hatte etwas in Yatsuki ausgelöst, etwas, das er nicht einordnen konnte und das ihm Unbehagen bereitete. Kazuya spürte die Spannung in der Luft, entschied sich jedoch, Yatsuki Raum zu lassen, um selbst darüber nachzudenken.

Als sie schließlich die Wohngemeinschaft erreichten, blieb Yatsuki kurz stehen, bevor er die Tür öffnete. Er sah zu Kazuya, als wolle er etwas sagen, entschied sich aber, es für sich zu behalten. Stattdessen lächelte er leicht, ein Zeichen des Dankes, das unausgesprochen blieb.

Kazuya erwiderte das Lächeln und folgte ihm ins Haus. Beide wussten, dass noch viele Fragen offen waren, aber sie hatten Zeit. Es war ein stilles Einverständnis, dass nicht alles sofort gelöst werden musste. Während sie sich in die ruhige, schattige Innenwelt zurückzogen, setzte die Sonne ihren goldenen Aufstieg fort und verwandelte den frühen Morgen in einen strahlenden Vormittag.

Die warme Sonne warf ihr goldenes Licht über die Wiese auf dem Gelände der Schwertakademie, wo Haruka, Miyu und Sakura sich niedergelassen hatten. Die Bäume, die am Rand des Geländes standen, wurden nun von den hellen Strahlen der aufgehenden Sonne durchflutet. Die sanften Lichtspiele auf dem Boden schufen eine fast magische Atmosphäre. Die Blätter der Bäume rauschten leise im Wind, und die Vögel zwitscherten leise, während Miyu, wie immer voller Energie, sich auf der Wiese ausstreckte. Sie rollte sich verspielt hin und her, lachte und warf ein paar Grashalme in die Luft. Ihre lebhaften, weißen Haare fielen ihr ins Gesicht, während sie sich aufrichtete und ein breites Grinsen aufsetzte.

Seht mal, ich bin ein Löwe, der durch die Savanne rollt!",

rief Miyu aus und begann, auf allen Vieren spielerisch auf Haruka und Sakura zuzuschleichen. Ihre Bewegungen waren agil, fast katzenhaft, und ihr Grinsen funkelte in der Morgensonne.

Sakura lachte und lehnte sich an einen Baumstamm zurück.

„Ein Löwe? Eher eine freche Katze, die gerade auf Beutezug ist!"

Miyu hielt inne, kniff die Augen zusammen und fauchte spielerisch, bevor sie sich in einem Satz neben Sakura plumpsen ließ.

„Vielleicht bin ich beides – ein bisschen Raubtier, ein bisschen Hauskatze. Man weiß nie, was in einem schlummert."

Haruka beobachtete ihre Freundin mit einem nachdenklichen Lächeln.

„Manchmal frage ich mich wirklich, Miyu, was dich eigentlich dazu gebracht hat, eine Schwertkämpferin zu werden. Du könntest doch alles sein, was du willst… Warum gerade das?"

Miyu, die gerade noch in einem Anflug von Freude ihre Arme weit ausgebreitet hatte, verharrte plötzlich in der Bewegung. Ihr Lächeln stockte, ihre Augen verloren für den Bruchteil einer Sekunde ihren Glanz, und ihre ganze Gestalt schien kurz in sich zusammenzufallen. Es war, als ob eine unsichtbare Hand sie packte und für einen Moment zurück in die Vergangenheit zog, in etwas, das sie tief in ihrem Inneren verbarg. Ihre Augen flackerten, und in diesem kurzen Augenblick war sie nicht die fröhliche, unbeschwerte Miyu, die ihre Freunde kannten.

Doch dann, fast so schnell, wie der Moment gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Miyu blinzelte, als ob sie aus einem Traum erwachte, und zwang sich zu einem übertrieben breiten Lächeln, das jedoch etwas angestrengt wirkte.

„Ach, weißt du, Haruka",

begann sie mit ihrer üblichen spielerischen Stimme,

„ich habe einfach ein Talent dafür! Und Abenteuer hören sich doch spaßig an, oder?"

Sie sprang auf die Beine, drehte sich im Kreis und tat so, als würde sie ein imaginäres Schwert schwingen.

„Außerdem, wer möchte nicht die Welt retten und dabei fantastisch aussehen?"

Ihre Stimme war fröhlich, aber Haruka spürte eine leichte Spannung in der Luft, als ob Miyu etwas vor ihnen verbarg.

Sakura lächelte sanft, ging aber nicht weiter auf das Thema ein. Sie verstand intuitiv, dass es nicht der richtige Moment war, nachzubohren. Haruka jedoch konnte nicht anders, als sich zu fragen, was in Miyu vorgegangen war. Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, hatte Miyu schon das nächste Gesprächsthema gefunden, das sie mit ihrer üblichen Ausgelassenheit ansteuerte.

Die Sonne sank langsam tiefer am Himmel, und das Licht auf der Wiese wurde von den wärmenden Strahlen des späten Nachmittags erfüllt. Das Gespräch zwischen den drei Mädchen hatte sich allmählich in ruhigere Bahnen gelenkt, bis Haruka schließlich vorschlug, sich auf den Weg zum Geschichtsunterricht zu machen.

„Wir sollten uns beeilen, sonst kommen wir zu spät",

sagte Haruka, während sie aufstand und ihre Kleidung glattstrich.

„Geschichtsunterricht... naja, zumindest reden wir nicht über Zahlen",

sagte Miyu mit einem augenzwinkernden Lächeln, während sie ebenfalls aufstand. Ihre Unbeschwertheit war zurückgekehrt, aber Haruka konnte nicht vergessen, wie Miyus Fassade kurz zuvor ins Wanken geraten war.

„Es geht um den Heiligen Krieg vor 19 Jahren",

meinte Sakura, während sie ihre Tasche aufhob.

„Das ist eines der wichtigsten Themen, die wir behandeln. Dharva, Avaloria und Nathara kämpften damals Seite an Seite."

„Ja, ja, ich weiß",

antwortete Miyu, während sie in die Luft sprang, als wollte sie die Schwere des Themas vertreiben.

„Aber es kann trotzdem interessant sein – besonders wenn man bedenkt, dass dieser Krieg die Welt verändert hat!"

Sakura und Miyu erhoben sich ebenfalls, und sie machten sich auf den Weg zurück. Die sanfte Brise des Nachmittags wehte über die Wiese, und während sie gingen, beobachtete Haruka aus dem Augenwinkel ihre Freundin Miyu. Trotz ihres ausgelassenen Verhaltens blieb ein Hauch von Melancholie in Miyus Augen zurück, eine Erinnerung an den kurzen Moment der Stille, der wie ein Schatten über dem sonnigen Nachmittag gehangen hatte.

Miyu war vorausgeeilt, ihre Schritte leichtfüßig und ihre übliche Fröhlichkeit in jeder Bewegung sichtbar. Haruka und Sakura folgten ihr in gemächlicherem Tempo, wobei Haruka kurz zu Sakura hinüberblickte.

„Hast du gesehen, wie Miyu vorhin plötzlich still wurde?",

fragte Haruka leise, fast als würde sie die Worte in den Wind flüstern.

Sakura nickte nachdenklich.

„Ja, das war seltsam. Sie ist normalerweise so voller Energie, aber als du sie nach ihrer Motivation gefragt hast, wirkte sie... abwesend, fast traurig."

Haruka seufzte leicht.

„Ich habe das Gefühl, dass da mehr ist, als sie uns zeigt. Aber ich will sie nicht drängen. Vielleicht sollten wir erst mal abwarten, bis sie bereit ist, darüber zu sprechen."

Sakura lächelte sanft.

„Das sehe ich genauso. Miyu ist stark, aber jeder hat Dinge, über die er nicht so leicht reden kann. Wir sollten für sie da sein, wenn sie bereit ist, aber sie nicht zu sehr bedrängen."

Haruka nickte zustimmend.

„Ja, das ist wohl das Beste. Wir sollten das Thema erstmal ruhen lassen."

Miyu drehte sich in diesem Moment um und grinste ihnen entgegen.

„Hey, trödelt ihr etwa? Der Unterricht fängt gleich an!",

rief sie aus, ihre Fröhlichkeit wieder voll und ganz zurückgekehrt.

Im Klassenzimmer angekommen, fanden die Mädchen ihre Plätze, und der Unterricht begann. Professor Tsukishima, ein älterer Mann mit silbergrauem Haar und strengen Augen, betrat den Raum. Er war bekannt für seine genaue und eindringliche Art, Geschichte zu lehren, und heute war keine Ausnahme.

„Heute",

begann Professor Tsukishima mit seiner ruhigen, aber festen Stimme,

„werden wir uns mit einem der wichtigsten Ereignisse unserer Geschichte befassen – dem Heiligen Krieg vor 19 Jahren. Ein Krieg, der unsere Welt für immer verändert hat."

Er ging zur Tafel und schrieb mit klaren, entschlossenen Strichen „Der Heilige Krieg" darauf. Als er sich wieder den Schülern zuwandte, spiegelten seine Augen den Ernst seiner Worte wider.

„Es war eine Zeit des Schreckens und des großen Mutes. Drei Königreiche – Dharva, Avaloria und Nathara – vereinten sich, um gegen die dämonische Bedrohung aus Nocturnia zu kämpfen."

Die Schüler hörten gespannt zu, während Professor Tsukishima fortfuhr.

„Die Dämonen, die aus Nocturnia kamen, waren nicht nur mächtig – sie waren auch heimtückisch. Sie konnten sich unter die Menschen mischen, ohne dass wir es bemerkten. Nur ihre leuchtend pinken Augen verrieten ihre wahre Natur. Diese Fähigkeit, sich zu verbergen, machte sie besonders gefährlich."

Miyu saß still und lauschte den Worten des Professors. Ihre sonst so fröhliche Miene wirkte in diesem Moment konzentriert, aber Haruka und Sakura tauschten einen kurzen Blick aus, der zeigte, dass sie beide an das Gespräch von vorhin dachten. Sie hatten beschlossen, Miyu nicht weiter nach ihrer plötzlichen Ernsthaftigkeit zu fragen, und diese Entscheidung gab ihnen jetzt etwas Ruhe.

„Aber es war nicht nur der Mut unserer Krieger, der den Sieg brachte",

fuhr Professor Tsukishima fort.

„Es war auch die Entschlossenheit und der Glaube an eine gemeinsame Sache, die uns schließlich den Frieden zurückbrachte. Doch dieser Friede wurde mit großen Opfern erkauft, und wir dürfen niemals vergessen, was geschehen ist."

Miyu schien die Worte des Professors tief in sich aufzunehmen. Ihre übliche Ausgelassenheit war nun einer ernsten Nachdenklichkeit gewichen.

Als der Unterricht endete, stand Miyu langsam auf, streckte sich und setzte schließlich wieder ihr gewohntes, breites Grinsen auf.

Naja, zum Glück sind wir jetzt nicht mehr in solch düsteren Zeiten. Und wer weiß, vielleicht werden wir ja selbst mal in den Geschichtsbüchern stehen!",

sagte sie mit einem Augenzwinkern, als ob nichts gewesen wäre.

Haruka lächelte, froh darüber, dass Miyu wieder ihre fröhliche Fassade zeigte, und Sakura nickte ebenfalls leicht, als Zeichen der Zustimmung. Gemeinsam mit den anderen Rekruten verließen sie das Klassenzimmer. Auf dem Flur trafen sie auf ihre Freunde, die bereits auf deren Ankunft gewartet hatten. Nach einem kurzen, freundlichen Austausch machten sich alle zusammen auf den Weg in die 2. Etage, wo sich ihre Wohngemeinschaft befand.

Als sie die Treppen hinaufgingen, legte sich das warme Licht der untergehenden Sonne durch die großen Fenster der Akademie. Es war ein Moment der Ruhe, der ihnen die Gelegenheit gab, die schweren Gedanken des Tages hinter sich zu lassen. Die Schritte hallten sanft in den hohen Fluren wider, und das Lachen und die Gespräche ihrer Freunde halfen, die düsteren Themen vorübergehend zu verdrängen.

In der 2. Etage angekommen, öffneten sie die Tür zu ihrer Wohngemeinschaft und traten ein. Der vertraute Duft und die behagliche Atmosphäre begrüßten sie, als sie die Schuhe auszogen und sich ins Innere begaben. Die Mädchen tauschten einen letzten, wissenden Blick, bevor sie sich trennten, um sich auf den Abend vorzubereiten.

Auf der anderen Seite von Avaloria, fernab der warmen, friedlichen Atmosphäre der Akademie, herrschte jedoch eine gänzlich andere Stimmung. Ein sanfter Wind wehte durch die Bäume des uralten Waldes und trug das Rascheln der Blätter mit sich. Doch hier, tief im dichten Wald, herrschte eine bedrückende Stille. Die massiven Äste der Bäume ragten wie Klauen in den Himmel und ließen kaum Licht durch. Der Waldboden war bedeckt mit einer dicken Schicht aus feuchten Blättern und Moos, die jeden Schritt verschluckten.

Mitten in dieser undurchdringlichen Dunkelheit lag ein Schlachtfeld, getränkt vom Blut derer, die nur Augenblicke zuvor noch kämpften. Ein Trupp der 4. Einheit von Avalorias Armee, nun nichts weiter als eine Ansammlung lebloser Körper, war über den Boden verstreut. Ihre Augen starrten leer in den Himmel, als hätten sie in ihren letzten Momenten die Schrecken der Welt erblickt, die sie nun für immer verlassen hatten.

Zwei Gestalten standen inmitten des Gemetzels. Ihre Silhouetten waren schwer auszumachen im Schatten der Bäume. Nur ihre Augen, die in einem unnatürlichen, leuchtenden Pink glühten, ließen erahnen, dass sie nicht wie die anderen waren. Sie wirkten ruhig, fast gelangweilt, während sie die toten Soldaten um sich herum betrachteten. Einer der beiden kniete sich hin, griff mit einen schwarzen dichten Rauch nach den letzten Überlebenden, der vor Schmerz keuchte und kaum die Kraft hatte, sich zu wehren, und brachte ihn auf Augenhöhe.

„Wo ist sie?",

fragte der eine mit kalter, durchdringender Stimme. Kein Zorn lag in seiner Stimme, keine Hast, nur eine eisige Ruhe, die mehr Furcht verbreitete als jeder laute Schrei es gekonnt hätte.

Der Soldat hustete, Blut spritzte über sein Kinn. Er versuchte, seinen Blick zu klären, als wolle er sich sicher sein, dass das, was er sah, nicht nur ein Alptraum war.

„Wer…?",

brachte er schwach hervor.

Die zweite Gestalt trat näher, ihre Präsenz allein schien die Luft um sie herum zu verdichten, die Dunkelheit im Wald noch undurchdringlicher zu machen.

„Haruka Saito. Wo ist sie?",

wiederholte der erste, während der schwarze Rauch immer fester drückte und mehr Blut aus den Mund des Soldaten rausliefen ließ

„Die… Schwertakademie… von Aurelia…",

stammelte der Soldat schließlich, seine Stimme ein Flüstern, während seine Augen vor Schmerz und Angst zuckten.

Ein scharfer, gnadenloser Blick ging zwischen den beiden Gestalten hin und her, ein wortloses Einverständnis. Der Druck des Rauches zerquetschte den Soldaten komplett, woraufhin sein lebloser Körper wie Müll weg geworfen wird.

„Dann ist es entschieden",

sagte der eine von ihnen, während er sich erhob.

„Wir werden sie bei der Prüfung holen."

Die zweite Gestalt nickte stumm. Es gab keine weiteren Worte, keine Diskussion über ihre Motive oder Ziele. In der Luft um sie herum lag eine düstere, erdrückende Spannung, die kaum durchdrungen werden konnte.

Ohne ein weiteres Wort machten sie sich auf den Weg, ihre Gestalten verschwanden in der Dunkelheit des Waldes, als hätten sie nie existiert. Zurück blieb nur das Massaker, die Leichen der Soldaten, die mit leeren Augen in den Himmel starrten – ein stummes Zeugnis der grausamen Macht, die hier gewirkt hatte.

Kurze Zeit später näherte sich eine Gestalt in einer schwarzen Kapuzenrobe dem Schauplatz des Massakers. Es war Satoshi, der das Geschehen bereits seit einiger Zeit aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. Er war nicht in Aktion getreten, und dank seiner Fähigkeit, seine Mana-Aura fast vollständig zu unterdrücken, war er unentdeckt geblieben. Während normale Menschen selbst im deaktivierten Zustand eine minimale Aura von etwa 2 % beibehielten, hatte Satoshi gelernt, seine Aura auf nahezu 0 % zu reduzieren. Dadurch war seine Präsenz für andere praktisch nicht spürbar.

„Sie treten früher in Erscheinung, als erwartet",

dachte Satoshi, sein Gesichtsausdruck blieb unbeeindruckt, als er die blutgetränkte Lichtung musterte.

Satoshi verschränkte die Arme und ließ seinen Blick über das blutgetränkte Schlachtfeld gleiten. Ein leises, kaum wahrnehmbares Seufzen entwich seinen Lippen, als er die leblosen Körper der Soldaten musterte. Seine Augen, scharf und durchdringend, verrieten keine Emotion, aber ein Hauch von Nachdenklichkeit lag in der Luft. Er neigte leicht den Kopf, als würde er einer unsichtbaren Melodie lauschen, bevor er flüsterte:

„Die Akademie könnte in Gefahr sein..."

Seine Stimme war ruhig, fast sanft, aber mit einem Unterton, der eine tiefe Besorgnis andeutete. Langsam hob er eine Hand, die Finger streckten sich kurz, als wollte er die Situation in Gedanken greifen. Dann ließ er sie wieder sinken, als wäre die Entscheidung gefallen.

„Doch dieses Aufeinandertreffen..."

Er machte eine kurze Pause und schloss für einen Moment die Augen, als würde er die Tragweite seiner eigenen Worte abwägen.

„...ist entscheidend für Yatsuki. Die erste Prüfung ist in vierzig Tagen."

Seine Augen öffneten sich wieder, und in ihnen funkelte ein Hauch von Entschlossenheit. Er senkte den Kopf ein wenig, als ob er eine unsichtbare Last auf seinen Schultern spüren würde, während seine Stimme leicht an Schärfe gewann.

„Es könnte notwendig sein, Yatsuki einen kleinen Denkanstoß zu geben, damit er vorbereitet ist, ihnen entgegenzutreten. Trotz ihrer Stärke sind diese beiden im Vergleich zu dem, was sie erreichen könnten, noch lange nicht am Zenit ihrer Macht."

Der Wind trug den metallischen Geruch von Blut durch den Wald, als Satoshi sich langsam wieder zurückzog, seine Gedanken bereits bei den nächsten Schritten, die er einleiten musste. Im Schatten verborgen, warf er einen letzten Blick auf die zerstörte Einheit, bevor er lautlos in den dichten Wald verschwand.

Die Nachricht von der Tragödie erreichte bald auch den König von Avaloria. Der uralte Wald, weit westlich des Königreichs gelegen, markierte die Grenze zu Nathara. Die Verwüstung, die eine ganze Einheit ausgelöscht hatte, ließ keinen Raum für Zweifel – dies war kein Unfall. Obwohl die Identität der Angreifer noch im Dunkeln lag, vermutete der König, dass das benachbarte Königreich Nathara seine Hände im Spiel haben könnte. Um einem größeren Konflikt vorzubeugen, beauftragte er die Ätherklingen, Avalorias Eliteeinheit, mit der Untersuchung des Vorfalls. Ihre Aufgabe war es, die Wahrheit aufzudecken, bevor die Spannungen zwischen den beiden Reichen in offene Feindseligkeiten umschlagen konnten.

Währenddessen, an einem unbekannten Ort tief unter der Erde, entfernte Satoshi mit einer geschickten Bewegung einen unscheinbaren Stein an der Wand. Mit einem dumpfen Klicken öffnete sich eine Geheimtür, die nur den Eingeweihten bekannt war. Satoshi trat durch den schmalen Eingang und fand sich in einer Kammer wieder, die von uralten Geschichten erzählte. Die Wände waren mit verblassten Fresken bedeckt, und in Regalen lagen vergilbte Pergamente und zerfallene Bücher, die die Geheimnisse vergangener Zeiten hüteten.

Doch Satoshis Augen wanderten nicht über die alten Schriften. Sein Blick war starr auf einen besonderen Gegenstand in der Mitte des Raumes gerichtet – einen weißen Schal, der auf einem schwarzen Samtkissen ruhte. Das Gewebe des Schals schimmerte im schummrigen Licht wie ein leuchtender Stern in der Dunkelheit, als ob es eine lange erwartete Begegnung heraufbeschwor.

Mit bedächtigen Schritten näherte sich Satoshi dem Schal, ein Lächeln von Vorfreude, das an den Rändern seiner Lippen spielte, während er den Schal betrachtete.

„Es wird bald soweit sein",

murmelte er in die Stille des Raumes, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

„Alles beginnt mit dir, alter Freund."

  1. Königreich nörlich von Avaloria
  2. Königreich westlich von Avaloria