Obwohl die Welt in Dunst gehüllt war und Gesichter in Bilderrahmen auftauchten, stolperte er die Treppe hinunter, die zu einem Korridor führte. Dort konnte er sich zu seinem Zimmer zurücknavigieren. Seine Diener kamen auf ihn zu. Er bestellte Wasser; nachdem er es hinuntergestürzt hatte, stieg er die Treppe hinauf.
Seine Unruhe wuchs. Seine innere Bestie regte sich, tobte in ihm, trotz des Einflusses des Alkohols. Wo war sie nur?
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"Geh geradeaus und dann links", sagte Petra und zeigte in einen schwach beleuchteten Korridor, der rechts verlief. "Dort wirst du Rigel finden."
Eine nervöse Energie erfüllte sie. Sie hielt die Pille, die Petra ihr gegeben hatte, an ihrem Bauch fest.
Als Petra ihre Nervosität spürte, murmelte sie: "Bist du bereit? Denn wenn nicht, werde ich müssen..." Sie ließ den Satz in der Luft hängen, eine unausgesprochene Warnung schwingend.
Sie war es nicht. Überhaupt nicht.
Aber sie musste bereit sein. Sie hatte nicht den Luxus, über Zeit zu verfügen. Ihr Aufseher stand vor der Großen Halle, wartend und beobachtend. Sie musste die Aufgabe in nicht mehr als zwei Umdrehungen der Sanduhr erledigen, und sie hatte bereits eine davon vergeudet. Ihr Herz klopfte heftig, sie nickte.
Petra lächelte sie beruhigend an, und sie dachte, sie lächelte zurück.
"Dann rate ich dir, dich zu beeilen", sagte Petra. "Komm nicht zu mir zurück. Dieser Korridor führt zu einer Tür, die zum Garten hinausführt. Von dort kannst du den Palast verlassen."
Ihr wurde schwindelig. Sie hoffte, ihre Arbeit friedlich zu vollenden und ihre Freiheit zu erlangen. Menkar hatte es ihr versprochen.
Petra drehte sich auf dem Absatz um und ging davon. Das Mädchen sah ihr nach, wie sie zu der Feier zurückkehrte.
Ganz allein fühlte sie sich benommen und schalt sich selbst dafür, in die Falle gegangen zu sein – aber hatte sie denn eine Wahl gehabt? Hätte sie sich geweigert, hätte Menkar sie geschlagen und in die Kerker des Klosters Cetus geworfen. Und sie wollte ihren achtzehnten Geburtstag, der nur drei Tage entfernt war, als freie Frau erleben.
Sie blickte den Korridor auf und ab, in Erwartung von Wachen, doch er war leer. Sie ging weiter, ihre Hände schwitzend, ihre Haut kalt. Was, wenn die königlichen Wachen sie fangen würden? Ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust. Es war nur eine Frage der Zeit, dann wäre alles vorbei.
"Bei Calmans Hörnern!", rief sie aus. Sie richtete ihre Maske erneut aus.Wandlampen erhellten den Gang. Ein langer, weicher Teppich schluckte das Geräusch ihrer Schritte. Der Duft von nachtblühenden Rosen lag in der Luft, als eine sanfte Brise den Korridor entlangstrich. Sie atmete tief aus und konzentrierte sich, lauschte auf Lachen. Petra hatte ihr gesagt, sie solle in jene Kammer gehen, wo Lachen sich mit Stöhnen und Seufzern vermischte. Bei allem, was ihr lieb war, warum sollte sich Stöhnen mit Lachen vermengen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass drinnen gefeiert wurde. Sie erinnerte sich, wie einige Mönche in dem Kloster beim Essen gestöhnt hatten, aber trotzdem.
Sie war bis zum Ende des Flurs gegangen, und es gab keinen einzigen Raum, aus dem Stöhnen, Lachen oder auch nur ein Flüstern zu hören war. Ihre Muskeln spannten sich an, und sie überlegte umzukehren. Dieses Mal nahm sie sich vor, an jede geschlossene Tür zu lauschen.
Plötzlich öffnete sich die Tür neben ihr, und das Lachen einer Frau hallte nach draußen.
In Panik zog sie sich schnell in den Raum hinter ihr zurück und schloss die Tür. Ihr Herz klopfte, als würde es sich gleich aus ihrer Brust befreien. Sie sah sich um: Ein noch brennender Kerzenleuchter und ein Kamin, vor dem ein Teppich lag. Die Holzböden glänzten frisch poliert, in der Ecke standen ein Tisch und ein Stuhl. Im Zentrum befand sich ein großes Himmelbett. Ein tiefer Atemzug und sie roch Wachs und... Nebel? Etwas, das sie ans Meer erinnerte, an Salzwasser. Vorsichtig schritt sie durch den Raum. "Was—"
Ein Arm schlang sich um ihre Taille und zog sie rückwärts an eine männliche Brust.
"Bist du etwa", sagte eine tief tönende verführerische Stimme, "eine Spionin?"
Durch sie hindurch schoss die Panik, und sie erinnerte sich an die Pille in ihrer Hand. Rasch schluckte sie sie hinunter, um nicht mit ihr ertappt zu werden. Sie wollte sich umdrehen, doch ein anderer Arm legte sich um sie und hielt sie fest. Ein Keuchen entwich ihr, als er sie an seine Brust drückte. Er hob sie hoch, die Wärme seines Körpers brannte durch ihre Kleidung. Mit festem Schritt ging er voran, sie im Arm, und drückte sie mit dem Bauch nach unten auf das Bett. Sein Gesicht in ihrem Haar vergraben, fragte er: "Wer bist du? Nenn mir deinen Namen."
Unter ihm zitterte sie, ein Stromschlag schien sie zu durchfahren. Noch nie war sie so gefangen gewesen. Ihr Angreifer würde sie sicher töten, und sie konnte den Alkohol in seinem Atem riechen. Roh brach die Panik in ihr auf. Doch warum drehte sich ihr Kopf so schnell? Als ob sie das Bewusstsein verlieren würde.
Ihre Sinne spielten verrückt, sie wehrte sich gegen ihn. Doch ihre Bewegungen ähnelten denen eines Schmetterlings gegen einen Löwen. "Ich..." Ihre Zunge fühlte sich angeschwollen an. Der Mann war zu stark.
"Was für ein Spiel spielst du?" fragte er, während er sie auf den Rücken rollte und weiter mit seinen kräftigen Armen festhielt. Seine tiefe heisere Stimme erwärmte sie. Mit einem Finger fuhr er über ihre Maske. "Sprich, oder ich werde andere Wege finden, es herauszufinden."
Sie wollte sprechen, aber ihre Gedanken waren seltsam verlangsamt. "Tania...", schwer fiel es ihr, die Augen offen zu halten. Ihren Entführer betrachtend, sah sie in der Dunkelheit nur schwarzes Haar, das ihm auf die Stirn fiel, darunter das Profil einer langen, gemeißelten Nase. Die flackernden Flammen warfen Schatten auf seine Gesichtszüge. Seine Umarmung, dieses Gefühl war ihr fremd.
"Wer bist du?", fragte sie mit rauer Kehle, ihr Körper war schlaff. Die Pille. Sie würde ihr Verhängnis sein.
"Das spielt hier keine Rolle", antwortete er. Er neigte seinen Kopf leicht und dann fanden seine Lippen die ihren.
Eltanin küsste Tania. Und es war kein sanfter Kuss. Er war heftig, fordernd und tief.