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Chapter 46 - Erfahrung

Nachdem sie für Cassie ein gutes Versteck gefunden hatten, gingen Sunny und Nephis weiter, um die Plünderer zu bekämpfen. Bald sahen sie zwei riesige Schatten in der Ferne.

Mit zusammengepressten Lippen warf Nephis über ihre Schulter einen kurzen Blick zurück und sagte:

"Komm hinterher!"

Dann kniete sie sich hin, wie eine Läuferin die sich auf ein Rennen vorbereitet, atmete tief ein ... und stürzte sich nach vorne.

'Verdammt!'

Sunny sprang in den tiefen Schatten, den die Labyrinthwand warf und lief so schnell er konnte hinterher. Der Abstand zwischen ihnen wurde jedoch immer größer.

Plötzlich erinnerte er sich daran, wie er Nephis hinterhergelaufen war, als sie die Brücke zur Akademie überquert hatten. War es sein Schicksal, ihr immer hinterherzulaufen?

Changing Stars Laufgeschwindigkeit war unglaublich schnell. Sie flog förmlich durch die Luft, wie ein Pfeil der aus einem Bogen geschossen wurde. Einer ihrer Arme war nach hinten gestreckt und hielt das Schwert mit der Spitze am Boden. Der andere schnitt mit jedem Schritt die Luft entzwei.

Die zwei Plünderer brauchten ein paar Sekunden, um zu realisieren, was geschah, nachdem sie Nephis bemerkt hatten. Bis dahin war sie schon fast bei ihnen angelangt.

Mit wütendem Feuer in ihren Augen und zähflüssigem Speichel, der von ihren Mandeln tropfte, rannten die Monster laut kreischend auf sie zu. Nephis verlangsamte das Tempo nicht, als würde sie beabsichtigen, sie mit ihrem Körper niederzuschlagen. Sunnys Herz setzte für einen Moment aus.

Vier schreckliche Klauen durchschnitten die Luft.

Im letzten Moment ließ sich Nephis nach hinten fallen und landete auf ihrer Seite. Die Trägheit trug sie vorwärts, als sie durch den Schlamm zwischen den Plünderern hindurchrutschte. Dann verdrehte sie ihren Körper und stoppte ihre Bewegung, indem sie das Schwert in den Boden stieß.

Wäre sie ein wenig langsamer gewesen, so hätte einer der Plünderer ihr Bein durchbohrt.

'Verrückt! Sie ist verrückt!'

Als Changing Star wieder auf die Beine kam, hatte einer der Plünderer bereits Kehrt gemacht. Sunny konnte jedoch nicht sehen, was vor sich ging, da seine Sicht durch die massigen gepanzerten Kreaturen blockiert war. Er hörte nur das Geräusch von Chitin, das auf Stahl traf.

Es war sowieso keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, da er seine eigenen Probleme lösen musste.

Durch das wahnsinnige Manöver, das Nephis durchgeführt hatte, blieb der zweite Plünderer etwas hinter dem ersten zurück. Er war gerade dabei, sich umzudrehen, als Sunny endlich nah genug war, einen Angriff zu starten.

Leise fluchend rannte er eine schmale Erhebung an der Korallenwand hinauf und sprang ab, um den schwachen Punkt am Rücken des Plünderers von oben durchstoßen zu können. Sein Schatten war bereits um die azurblaue Klinge gewickelt.

Im letzten Moment bewegte sich der Plünderer jedoch plötzlich und drehte seinen Oberkörper leicht nach rechts. Die Klinge verfehlte die Vertiefung, an der die Panzerplatten miteinander verbunden waren und traf stattdessen eine der Platten in der Mitte, so dass sie hilflos über das Adamantin-Chitin glitt.

'Scheiße!'

Anstatt die Bestie mit einem tödlichen Hieb zu töten, hatte Sunny überhaupt keinen Schaden angerichtet. Schlimmer noch, er landete direkt auf dem Plünderer, ihn quasi von hinten umarmend. Im nächsten Moment warf der Plünderer Sunny ab, indem er sein Panzer schüttelte.

Sunny flog zur Seite und krachte gegen die Labyrinthwand, wobei ihm die Luft abgeschnürt wurde. Atemlos und desorientiert, fiel er unbeholfen in den Schlamm.

'Das ist nicht gut.'

Aus einem Instinkt heraus rollte Sunny zur Seite. Etwas fuhr an ihm vorbei und prallte gegen die Wand, wobei Stücke von purpurner Koralle durch die Luft flogen. Dann wurde er in die Luft gehoben und nach hinten geschleudert.

Aber da hatte er schon seine Sinne wiedererlangt.

Sunny schaffte es, sich so zu drehen, dass er auf seinen Füßen landete und ein paar Schritte zurückging, ohne zu fallen. Im nächsten Augenblick hatte er sein Schwert wieder vor sich, in beiden Händen gehalten, genau wie Nephis es ihm beigebracht hatte.

Der Plünderer stürmte bereits auf ihn zu, wütendes Feuer in seinen Augen.

'Wiederholung. Erfahrung ...'

Der Schatten floss von der azurblauen Klinge in seine Hand, breitete sich dann auf seinen Arm und seine Schulter aus und bedeckte schließlich seinen ganzen Körper. Sunny fühlte sich sofort stärker, schneller und widerstandsfähiger.

Aber war das genug? Nein. Um zu überleben, würde er definitiv auch Glück benötigen.

Eine Klaue schoss von rechts auf ihn zu, die andere von links. Es blieb keine Zeit, um zurückzuweichen oder zur Seite auszuweichen. Anstelle dessen sprang Sunny nach vorne und verringerte den Abstand zum angreifenden Monster. Die Klauen prallten mit einem lauten Knacken hinter ihm aufeinander.

Instinkt hin oder her, es war die einzig logische Maßnahme. Schließlich war die Reichweite seines Schwertes viel kürzer als die des Plünderers. Er konnte sich nur wehren, indem er näher kam.

Bevor die Bestie reagieren konnte, tat Sunny das, was er kürzlich Tausende Male getan hatte. Seine Muskeln bewegten sich, noch bevor sein Verstand den Befehl gab.

Er hob das Schwert über seinen Kopf und schlug es mit einer fließenden Bewegung nach unten, wobei er mit einer Hand stieß und mit der anderen zog. Sein ganzer Körper bewegte sich im Einklang, um einen kraftvollen Schlag auszuführen.

Die Azurklinge zischte, als sie durch die Luft schnitt. Dann traf sie auf das Gelenk eines der Vorderbeine des Plünderers, zerschnitt es und durchtrennte das Glied komplett. Blaues Blut spritzte überall hin.

Sunny hatte weniger als eine Sekunde Zeit, um sich zu wundern.

'Habe ich das wirklich geschafft?'

Doch es blieb keine Zeit, sich ablenken zu lassen. Durch den Verlust seines Vorderbeins verlor der Plünderer kurzzeitig das Gleichgewicht und stürzte nach vorne und unten. Aber er hatte ja noch sieben andere Beine. Das würde nicht lange dauern.

Zufälligerweise rutschte genau in diesem Moment sein anderes Vorderbein im Schlamm weg und brachte das Monster weiter zu Fall.

Sunny ließ sich diese Chance nicht entgehen.

Er machte einen Schritt nach vorne, stieß die Azurklinge nach oben und rammte sie in das Maul des Plünderers. Ein abgetrennter Unterkiefer fiel zu Boden, als das Monster sich mit seinem eigenen Gewicht auf dem Schwert aufspießte.

Der massive Körper der Alptraumkreatur zuckte, bevor er zur Ruhe kam.

Es war tot.

Sunny atmete langsam aus und fühlte erst jetzt den Schmerz in seiner Brust und am Hinterkopf. Er berührte die Stellen vorsichtig und verzog das Gesicht. Seine Hand war nass von Blut.

'Wenigstens bin ich am Leben.'

[Du hast ein erwachendes Monster besiegt, Panzer Plünderer.]

[Dein Schatten wird stärker.]

[Du hast ...]

Sunny hatte keine Zeit, dem Zauberspruch zuzuhören, zog an seinem Schwert, um es vom Kopf des Monsters zu lösen und eilte Nephis zur Hilfe.

Doch es war zu spät.

Der andere Plünderer lag im Schlamm, offensichtlich tot. Seine Gliedmaßen zuckten noch, was darauf hindeutete, dass der tödliche Schlag erst vor wenigen Augenblicken erfolgt war. Nephis war es anscheinend gelungen, die Wirbelsäule zu durchtrennen, indem sie die Schwachstelle am unteren Ende des Torsos der Bestie mit ihrem Langschwert durchstoßen hatte.

Er konnte das silberhaarige Mädchen hinter dem massigen Kadaver nicht sehen. Als Sunny sich ihm näherte, hörte er das Geräusch von rauem, angestrengtem Atmen. Dann hörte er eine zittrige Stimme hinter dem Plünderer:

"N-nicht ... komm nicht näher."

In der toten Stille nach dem Kampf klang Changing Stars Stimme fremd und gedämpft. Sunny hatte plötzlich das Gefühl, als ob jemand sein Herz in der Faust zusammendrückte. Er nahm sich zusammen und machte einen weiteren Schritt vorwärts.

Nephis stand vor dem toten Plünderer und versuchte nach dem heftigen Kampf wieder zu Atem zu kommen. Sie hatte eine blutige Wunde an der Schulter, die jedoch nicht lebensbedrohlich aussah.

Sunnys Aufmerksamkeit wurde jedoch sofort auf etwas anderes gelenkt.

Während des Kampfes schien sich das improvisierte Seetangtop des großen Mädchens gelöst zu haben, so dass sie oberhalb der Taille nackt war. Sie bedeckte ihre Brust mit einem Arm. Hinter dem Arm, gequetscht, die geschmeidige Fülle ihrer ...

Sunny zuckte zusammen, als wäre er gestochen worden, und drehte sich hastig um. Sein Gesicht brannte lichterloh. Ohne darüber nachzudenken, ließ er sogar seinen Schatten wegschauen.

Eine peinliche Stille folgte. Nach einiger Zeit zwang sich Sunny zu sprechen:

"Bist ... bist du in Ordnung?"

Nephis antwortete langsam:

"Ja."

"Gut. Äh ... gut. Ich ... äh ... ich werde Cassie dann holen."

"... In Ordnung."

Das Gefühl, als würden Monster hinter ihm her sein, ging Sunny auf steifen Beinen voran und beschleunigte dann seinen Schritt, ohne zu laufen.

'Es ist ihre Schuld! Ihren Schuld! Sie hätte die Dinge klarer kommunizieren müssen!'

Sunny versuchte, das lebendige Bild aus seinem Kopf zu vertreiben, und eilte zu dem Ort, an dem Cassie auf sie wartete.

Als sie zurückkehrten, hatte Nephis ihr Oberteil bereits wiedergefunden und trug es, als wäre nichts geschehen. Doch Sunny hatte das Gefühl, dass sie ihn etwas merkwürdig ansah.

'Schon vergessen!'

Nachdem sie die Wunde an seinem Kopf begutachtet hatte, sagte Changing Star:

"Es ist nur eine Blutung, nichts Ernstes. Sag mir aber, wenn dir schwindelig und übel ist oder du starke Kopfschmerzen hast ..."

Da Sunny nicht eines dieser Symptome hatte, schwieg er.

Nephis sah auf seine Kleidung hinunter und seufzte.

"Erinnerung?"

Er wollte "nein" sagen, verstummte aber dann.

Als er den Plünderer getötet hatte, hatte der Zauberspruch tatsächlich noch etwas gesagt, nachdem er ihn über die absorbierten Schattenfragmente informiert hatte. Damals hatte er aber keine Zeit, dem etwas Aufmerksamkeit zu schenken.

"Lass mich nachsehen."

Er beschwor die Runen und fand schnell die Gruppe, die seine Erinnerungen repräsentierte.

Erinnerungen: [Silberne Glocke], [Puppenspielerschleier], [Azurblaue Klinge].

'Hmm. Nichts Neues.'

Wovon sprach der Zauberspruch dann?

Plötzlich bemerkte er eine neue Reihe von Runen in der benachbarten Gruppe. Seine Augen weit