Kapitel 1: Ärger öffnet die Tür
Loreen Harvey schaute immer wieder erwartungsvoll zur Einfahrt. Ihr geliebter Ehemann, Edric Harvey, würde erst in einer Stunde heimkommen, doch sie war bereits fertig angezogen und zurechtgemacht. 'Wie wird er mich dieses Mal begrüßen?' Sie war voller Vorfreude, denn heute war ihr dritter Hochzeitstag.
Ihr Herz schlug aufgeregt. Er empfing sie stets mit einem sanften, süßen Kuss und einer warmen, liebevollen Umarmung. Mit einem Ehemann wie ihm konnte sie nicht glücklicher sein. 'Er hat bestimmt wieder eine Überraschung vorbereitet.'
Ihre Augen leuchteten erwartungsvoll. Zu solchen Anlässen überraschte er sie immer mit einem Geschenk, und sie war bereit, ihm sofort einen Dankeskuss zu geben, sobald sie es erhielt.
Passend zu dem fröhlichen Anlass schien die Sonne, als ob die Götter selbst ihren Segen für ein weiteres Jahr harmonischen Ehelebens geben wollten.
In den letzten Tagen war Loreen damit beschäftigt gewesen, das Fest zu planen und vorzubereiten. Da sie wusste, dass Edric beschäftigt war und dieses Mal nicht selbst die Feier ausrichten konnte, hatte sie die Initiative ergriffen und eine Überraschungsfeier für ihren Jahrestag vorbereitet.
Es waren zwei gesamte Wochen vergangen, seit Edric wegen einer Geschäftsreise nach Italien aufgebrochen war. Loreen vermisste ihn schon sehr.
(Geräusch eines vorbeifahrenden Autos.)
Sie horchte auf, als sie ein Auto hörte. Sie dachte, es sei ihr Mann. Doch das Auto fuhr vorbei. Es war noch nicht er. Sie war zu aufgeregt.
Ihr Fahrer hatte Edric am Flughafen abgeholt, da Loreen mit den Vorbereitungen beschäftigt war. Dann kam ein weiteres Auto, die Tore öffneten sich, und das Auto fuhr in die Einfahrt. "Er ist da!" Sie erhob sich sofort von ihrem Sitz.
Loreen betrachtete sich im Spiegel, richtete ihr Haar und ihr Kleid und ging dann nach unten, um ihren Mann zu begrüßen.
Sie trug ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie freudig zur Tür eilte. Sie konnte ihre Aufregung kaum unterdrücken, Edric wiederzusehen.
Zwei Wochen hatten sich wie Monate angefühlt, obwohl sie mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt gewesen war. So war es in den drei Jahren ihrer Ehe gewesen. Sie wartete auf seine Heimkehr, kochte seine Lieblingsgerichte oder bereitete kleine Überraschungen vor, um seine Müdigkeit zu lindern; sie sorgte auch dafür, dass alles bereit war, damit er sich zu Hause gut ausruhen konnte.
Loreen wusste, dass ihr Mann, der CEO ihres Unternehmens und Hauptaktionär eines großen Konzerns, ein sehr beschäftigter Mensch war. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie er es schaffte, ein international ausgezeichnetes Unternehmen zu führen und dabei ruhig zu bleiben und sich außerhalb der Arbeit wie ein ganz normaler Mensch zu verhalten.
Edric war endlich angekommen, stieg aber nicht aus dem Auto. Er telefonierte gerade, also musste Loreen warten.
Währenddessen erinnerte sie sich, wie sie vor mehr als drei Jahren zufällig in einer exklusiven Bar aufeinandergetroffen waren.
Sie erinnerte sich noch lebhaft an den traumatischen Stress, den sie durchlebt hatte, als sie versuchte, ihren Doktortitel und ihre Arbeit als Engagement Officer einer Nichtregierungsorganisation unter einen Hut zu bringen.
***
(Vor 3 Jahren…)
Loreens Kopf pochte. In den letzten Tagen hatte sie kaum geschlafen oder gegessen. Deadlines und Erwartungen drängten sie von allen Seiten.
Sie musste ihren Doktortitel in Betriebswirtschaft abschließen und gleichzeitig die Produktivität ihrer Arbeit aufrechterhalten.
Sie begann, sich selbst in Frage zu stellen, da sie alles zu schnell erreichen wollte. Sie wollte ihren Bachelor-, Master- und Doktortitel in schneller Folge abschließen, und das, während sie arbeitete. Vielleicht hatte sie sich zu sehr unter Druck gesetzt.
Loreen stand kurz vor einem Zusammenbruch, als sie einen Anruf von Sera Emery Cruz erhielt, einer "Kindheitsfreundin", von der sie seit ihrem Highschool-Abschluss nichts mehr gehört hatte. 'Warum ruft sie mich so plötzlich an?' Das verwirrte sie. Aber vielleicht war es etwas Wichtiges, also entschied sie sich, den Anruf anzunehmen.
Sie wollte nicht zeigen, wie erschöpft und müde sie war, und schaltete schnell in den professionellen Modus. Sie lächelte, als würde sie jemanden bei der Arbeit unterhalten.
Sie öffnete ihre Kamera, um mit Sera zu sprechen. Es war schon eine Weile her, seit jemand von der Highschool sie angerufen hatte.
"Hallo Loreen! Wie geht es dir?" Sera begrüßte sie mit einer energischen Stimme und einem strahlenden Lächeln. Sie schien gut gelaunt zu sein.Loreen wollte gerade herausfinden, was der Grund für Seras überraschenden Anruf war, als Sera dramatisch nach Luft schnappte.
Sie fragte sich, ob sie vielleicht so entsetzlich aussah, dass Sera schockiert war. Sie hatte allerdings keine Gelegenheit gehabt, sich im Spiegel zu betrachten.
"Warum siehst du so gestresst aus?!", fragte Sera und zog die Stirn in Sorgenfalten.
"Hi Sera! Mir geht's gut! In letzter Zeit war es nur etwas stressig, Arbeit und Studium unter einen Hut zu bekommen. Aber ich schaffe das schon. Haha."
Loreen versuchte, so zu tun, als wäre alles in Ordnung und lachte darüber. Aber ehrlich gesagt, hielt sie sich gerade so über Wasser angesichts des Drucks, der von allen Seiten auf sie einströmte.
"Was?! Du studierst immer noch? Du bist echt ein Streber! Du hast dich kein bisschen verändert, oder?" kommentierte Sera.
"Ja, das könnte man so sagen. Ich versuche nebenbei noch meinen Doktor zu machen. Was ist mit dir? Dein Anruf kam überraschend", versuchte Loreen, das Gespräch am Laufen zu halten, ohne ihre Müdigkeit allzu offensichtlich werden zu lassen.
"Ich bin gerade aus Australien zurück und habe eine Menge Zeit – also dachte ich, ich ruf dich einfach mal an! Lust auf einen Ausflug? Ich lade dich ein, Studentin!", lachte Sera.
Loreen wünschte, sie könnte ebenfalls darüber lachen. Aber sie konnte kaum noch ein Lächeln aufbringen.
"Klar! Etwas von deiner Energie könnte ich auch gut gebrauchen, ich bin in letzter Zeit so erschöpft."
Loreen stimmte zu, da sie erkannte, dass sie dringend eine Pause vom Stress der letzten Tage brauchte.
Es war ja auch selten, dass sie so etwas unternahm, also warum nicht Seras Angebot annehmen? Es war das erste Mal seit Langem, dass Sera wieder da war und sie eingeladen hatte.
"Unser Geschäft lief in den letzten Monaten immer besser, also beschloss ich, mir eine kleine Auszeit von diesen geschäftigen Leuten zu gönnen!" Sera zwinkerte ihr zu.
Sera hatte das Glück, in eine wohlhabende Familie hineingeboren zu sein. Ihr Familienunternehmen sicherte ihr finanziell ab.
"Ach ja, 'diese' geschäftigen Leute. Da spricht wohl das reiche Kind!" Loreen kicherte leicht.
"Also, kommst du? Selbst unsere ehemaligen Mitschüler kommen. Lass uns feiern gehen. Es ist schon so lange her", lockte Sera.
"Oh, sie kommen auch?" Loreen war überrascht. Es musste sich also um eine Art Klassentreffen handeln.
"Ja, das solltest du nicht verpassen."
Loreen überlegte. Sie hatte noch lange nicht alle aus der Schulzeit wiedergesehen. Es wäre wirklich schön, sie alle wieder zu treffen.
Da jeder mit seiner Karriere oder dem Familienleben beschäftigt war, war es schwierig, sich alle an einem Ort zu versammeln.
"Tja, ich denke, ich habe keine andere Wahl. Ich muss aber auch noch an meiner Forschung arbeiten", sinnierte Loreen laut.
"Nein, nein! Ich will gar nicht hören, dass du ablehnst. Ich rufe dich eigentlich nur an, weil unser Fahrer schon unterwegs ist, um dich abzuholen! Sei in ein paar Minuten bereit! Wir treffen uns in der Exclusive Bar", zwinkerte Sera ihr zu und warf ihr Küsschen zu.
"Was?! Warte, ich-"
"Bis gleich! Und bitte zieh etwas Weniger Bescheidenes an, du weißt, was ich meine", lachte Sera und beendete den Anruf, bevor Loreen etwas sagen konnte.
"Ah, dieses Mädchen! Warum ändert sie sich kein bisschen?", grübelte Loreen. Bei diesem Tempo blieb ihr keine Zeit mehr, sich vorzubereiten.
'Na gut, dann gehe ich eben hin. Es ist sowieso das erste Mal seit Langem.'
Schnell machte Loreen sich fertig, denn der Fahrer konnte jeden Augenblick erscheinen. Glücklicherweise hatte sie es sich durch ihre tägliche Eile, bereit für die Arbeit zu werden, angewöhnt, sich so schnell wie möglich vorzubereiten.
Wie Sera gesagt hatte, hörte Loreen wenige Minuten später ein Auto vor ihrer Wohnung parken. Kurze Zeit später klopfte es an der Tür.
Sie musste sich fragen, wieso Sera annahm, sie würde immer noch in derselben Wohnung leben. Wäre sie umgezogen, hätte Sera ihren Fahrer zu einer falschen Adresse geschickt.
Allein der Gedanke ließ Loreen Mitleid mit dem Fahrer haben. Staus waren manchmal so schrecklich, dass die Fahrt an einen anderen Ort wirklich anstrengend gewesen wäre.
"Das sollte ausreichen", überprüfte Loreen ihr Spiegelbild ein letztes Mal und seufzte. Zumindest sah sie nicht mehr so erschöpft aus wie zuvor.
Sie öffnete die Tür und ein seriöser älterer Herr lächelte ihr zu und begrüßte sie.
Loreen stoppte kurz und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß.
'Ich denke, ich habe diese Person schon einmal gesehen. Wer war er noch mal? Er kommt mir so bekannt vor.'
"Hallo Lori! Siehst du dir an! Du bist eine erwachsene Frau geworden! Wie ich es erwartet habe, bist du genauso hübsch wie deine Oma", strahlte der Mann mit einem leuchtenden Lächeln.
Lori war ihr Kosename!
'Moment mal! Diese Stimme...'