Hazel antwortete nicht. Sie legte einfach den Hörer auf.
Dann holte sie mit zitternden Händen aus der Nachttischschublade ein Fläschchen mit Pillen heraus. Es waren Antidepressiva. Leise schüttete Hazel mehrere Pillen aus und schluckte sie alle auf einmal.
Sie hatte unter schweren Depressionen gelitten.
Am Anfang hatte sie nur ein oder zwei Antidepressiva für einen Tag nehmen müssen. Dann waren es fünf, und jetzt musste sie manchmal mehr als ein Dutzend davon nehmen, um sich endlich zu beruhigen.
"Hazel? Hallo? Hazel?" Tristan schrie besorgt in sein Telefon.
Doch es war das Piepsen, das ihm antwortete.
Tristan, der sich Sorgen um Hazel machte, steckte sein Handy sofort ein. Er stürmte aus seiner Wohnung, sprang in sein Auto und fuhr eilig zu Hazels Hotel.
Er und Hazel kannten sich im Ausland, seit sie beide Kinder waren.
Damals waren sie noch Nachbarn.
Tristan war zwar fünf Jahre älter als Hazel, aber das hinderte den Jungen nicht daran, die Saat der Liebe in seinem Herzen aufgehen zu lassen.
Später kehrte Tristan in sein Heimatland zurück, um dort zu studieren. Was er nicht erwartet hatte, war, dass Hazel ihm nicht lange danach folgte und sie tatsächlich auf dieselbe Schule gingen.
Hazel war keine Streberin, aber sie war tatsächlich sehr gut im Lernen. Mit achtzehn Jahren war sie bereits Studentin, und das machte die beiden wieder zu Klassenkameraden.
Hazel hielt sich auf dem Campus immer bedeckt. Tristan hingegen war geduldig genug, um zu warten, bis aus seinem Schwarm eine Frau geworden war.
Doch als die Zeit endlich reif war, schockierte der Vorfall zwischen Hazel und Chase die ganze Stadt! Das Glück war nicht auf Tristans Seite.
Was dann geschah, war die Hochzeit von Hazel und Chase. Sie heirateten auf Druck der Ältesten beider Familien, und das war Tristans größtes Bedauern in seinem Leben.
Eine halbe Stunde später kam Tristan im Hotel an.
Hazel hatte sich bereits wieder beruhigt.
"Hey, Tristan!" Hazel begrüßte Tristan mit einem schwachen Lächeln und einer Tasse Kaffee.
Als Tristan feststellte, dass Hazel geistig stabil war, atmete er erleichtert auf. "Hazel, du musst dich vor ihren giftigen Worten schützen. Kümmere dich einfach nicht um sie. Lass sie reden. Die Zeiten haben sich geändert, Hazel, Internet-Trolle und ihre Worte sind in der Lage, jeden Mann oder jede Frau zu zerstören. Verdammt noch mal. Sie können sogar ein mächtiges Haus oder ein Geschäftsimperium zu Fall bringen. Man muss sie nur blockieren!"
Hazel warf Tristan einen hilflosen Blick zu. "Ich kann sie ignorieren, aber was ist mit meinen Kindern? Ich weiß nicht, was ich tun soll." Sie wusste einfach nicht, wie sie sich gegen so etwas wehren sollte.
Tristan starrte Hazel ein paar Sekunden lang schweigend an, bevor er ihr sanft auf die Schulter klopfte. "Du musst gar nichts tun. Überlass das ruhig mir", sagte er. "Wenn es etwas gibt, womit du nicht klarkommst, dann lass es da. Ich werde immer bei dir sein." Mit diesen Worten umarmte Tristan Hazel fest.
Hazel lehnte sich sanft an seine Brust und flüsterte: "Vielen Dank, Tristan!"
Tristan hatte sich immer gut um sie gekümmert, und Hazel wusste, warum. Obwohl sie ihm dankbar war, erkannte Hazel, dass sie den Mann nicht ruinieren durfte, indem sie auf seine Gefühle einging.
Früher hatte sie einen anderen Mann geheiratet und dessen Kinder ausgetragen. Sie wusste, dass eine solche Frau von Tristans traditioneller Familie niemals akzeptiert werden würde.
Außerdem war Tristan ein bekannter Spieler. Er war nicht nur zu Hazel gut gewesen, sondern auch zu den anderen Künstlerinnen in seiner Gesellschaft.
"Hazel, du solltest dich heute im Hotel ausruhen. Lass dich vorerst nicht blicken. Abgesehen von den Internet-Trollen müssen wir uns auch vor einigen begeisterten Verrückten in Acht nehmen. Ich mache mir Sorgen um deine Sicherheit."
"Das ist schon in Ordnung. Ich passe schon auf mich auf! Außerdem muss ich heute ins Büro gehen.
Heute war der Tag, an dem sie den Wettvertrag mit Chase unterschreiben sollte! Wenn sie nicht ins Büro gehen würde, hätte Chase sie aus der Haynes-Gruppe gedrängt.
"Na gut, dann bringe ich dich später ins Büro."
Tristan war seit Jahren im Showbusiness tätig, und sein Team würde wissen, was zu tun war.
Es war ein Kinderspiel für ihn, die öffentliche Meinung umzustimmen und Hazels Image zu ändern.
"Danke!"
"Hör auf damit, Hazel. Du musst mir niemals danken."
Chase machte sich frühmorgens auf den Weg in sein Büro, mit dem Vorsatz, geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen, bevor er sein Spiel mit Hazel fortsetzte.
Im Konferenzraum saßen die Führungskräfte von Black Corp. dicht aneinander gereiht, jeder mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Niemand wollte es wagen abzuschweifen, nicht wenn Chase anwesend war - seine berüchtigt kurze Zündschnur im Hinterkopf.
Kurz darauf schwang die Tür des Konferenzraums auf und Chase trat in seinem makellosen Anzug und mit einem eisigen Gesichtsausdruck ein.
"Guten Morgen, Mr. Black!"
"Dann lass uns beginnen!" sagte Chase, während er sich am Kopfende des langen Konferenztisches niederließ.
Seine Sekretärin schaltete hastig den Projektor ein und reichte ihm dann eine Tasse heißen Kaffee.
Einer nach dem anderen schalteten auch die Vorstandsmitglieder ihre Laptops an, bereit, sich Notizen zu machen.
"Heute konzentrieren wir uns auf drei Schwerpunkte und ...", begann Chase, als er seinen Laptop öffnete, doch im nächsten Moment stockte seine Stimme.
Kaum hatte er seinen Laptop aufgeklappt, sprang ein Bild auf. Und weil sein Laptop mit dem Projektor verbunden war, starrten nun alle im Raum auf das Nacktbild eines Mannes auf der großen Leinwand.
Was zum Teufel!
Überraschung und Schock spiegelten sich in den Blicken der Führungskräfte wider, einige waren so entsetzt, dass sie ihren Mund voll Kaffee ausspuckten.
Chases vor Wut weit aufgerissene Augen fixierten das Bild, das sein eigenes Gesicht auf einem nackten Körper zeigte.
Auf dem Bild posierte er, als wäre er ein Stripper für kleines Geld. Eine Hand in die Hüfte gesetzt, die andere schlug auf seinen Hintern, während "Chase" allen Zuschauern einen Kuss zuwarf!
Offensichtlich war es ein Photoshop-Kunstwerk.
Dennoch konnte das seinen rasenden Blutdruck nicht senken. Wild hämmerte er auf den Ausschaltknopf ein.
Sich in seinen eigenen Laptop zu hacken und ihn so reinzulegen? Zu diesem Zeitpunkt wäre Chase bereit gewesen, alles zu tun, um den Übeltäter zu finden.
Doch der Streich war noch nicht zu Ende. In diesem Augenblick erschienen unzählige Memes auf der großen Leinwand – alle handelten von Chase! In einem davon hielt "Chase" sogar sein bestes Stück und wackelte damit!
Den Vorständen blieb buchstäblich die Spucke weg.
Sie beeilten sich, ihre Köpfe zu senken und so zu tun, als hätten sie nichts gesehen. Ihnen war klar, wie furchtbar Mr. Black werden konnte, wenn er in Rage war.
Aber es fiel ihnen so schwer, das Lachen zurückzuhalten, dass alle leicht auf ihren Sitzen zitterten.
Um ehrlich zu sein, empfanden sie eine gewisse Genugtuung über den Vorfall. Dieser kleine Scherz war eine Art Revanche für die schlechte Behandlung durch Chase – und es fühlte sich gut an!