Chapter 4 - DIE FAMILIE LUO

In einem hohen Gebäude in der S-Stadt fand das vierteljährliche Treffen der Tianhua-Gruppe statt. Die Leiter der verschiedenen Abteilungen hatten sich in einem Konferenzraum versammelt und saßen an einem langen Tisch, in Erwartung des Beginns der Sitzung. Die Chefs derjenigen Abteilungen, die in den letzten drei Monaten erfolgreich waren, konnten es kaum erwarten, von ihren Erfolgen zu berichten. Diejenigen, deren Abteilungen nicht so gut abgeschnitten hatten, waren nervös. Sie blickten mit Bangen auf den Mann am Kopfende des Tisches.

Der Präsident und CEO der Tianhua-Gruppe – Luo Wei Tian.

Sein Gesichtsausdruck war kalt, als könne er nicht lächeln. Sein schwarzes Haar war mit ein paar grauen Strähnen perfekt zurückgekämmt. Seine Augen wirkten, als könnten sie einen mit einem einzigen Blick erstarren lassen. Obwohl er Anfang 50 war, ließ sein attraktives Gesicht und sein trainierter Körper ihn jünger erscheinen.

Das Leben von Luo Wei Tian war die perfekte Geschichte eines Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär. Er begann ganz unten und arbeitete sich langsam nach oben. Nach seinem Abschluss an einer renommierten Universität baute er anstatt einer Anstellung in einem großen Unternehmen sein eigenes Imperium auf. Die Tianhua-Gruppe war damals eine kleine Firma, kaum beachtet von der Öffentlichkeit. 30 Jahre später ist sie das größte Immobilienunternehmen in S-Stadt und eines der bedeutendsten im ganzen Land.

Der Präsident festigte mit seinen Errungenschaften den Stand der Familie Luo in der Oberschicht. Sie konnten sich nun selbstbewusst den anderen großen Dynastien des Landes entgegenstellen.

Man sagte, Luo Wei Tian habe alles für seine Frau getan. Sie war die junge Erbin der Familie Bai, einer der ältesten und vermögendsten Familien von B-Stadt. Seine gesamten Bemühungen und Opfer waren nur darauf ausgerichtet, sie heiraten zu können. Der Name „Tianhua" trägt zur Hälfte ihren Namen und zeugt von seiner tiefen Liebe zu ihr. Er gewann ihr Herz, sie heirateten und wurden Eltern von drei wunderschönen Kindern.

Es hätte ein wunderbares Märchen sein können, doch vor sieben Jahren endete es tragisch, als seine Frau und zwei Söhne in einen Autounfall verwickelt wurden. Ein betrunkener Lkw-Fahrer krachte in ihr Auto. Seine Frau starb, sein zweiter Sohn lag im Koma. Allein sein jüngster Sohn blieb unverletzt.

Der Lkw-Fahrer landete im Gefängnis und beging später Selbstmord. Die Firma, für die er fuhr, ging in die Insolvenz. Es zeigte, wie rücksichtslos ihr Präsident sein konnte. Seitdem ist er noch verschlossener geworden. Als könne nichts mehr seine Mauern durchbrechen.

Das verursachte Angst bei seinen Mitarbeitern, die ihre Arbeit nicht richtig machten, weil ein einziger Fehler den Verlust ihres Jobs bedeuten könnte.

Die Sitzung stand kurz bevor, als plötzlich der Assistent des Präsidenten, Assistent Wen, den Raum betrat. Er näherte sich dem Präsidenten und flüsterte ihm etwas ins Ohr. In den sonst so kühlen Augen des Präsidenten zeigte sich eine Regung.

Überraschend erhob er sich und verkündete: "Die Sitzung wird auf nächste Woche verschoben."

Dann verließ er den Raum, ohne jemandem auch nur einen Blick zu würdigen.

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Ein hochgewachsener junger Mann kam gerade aus einem der Universitätsgebäude der F-Universität. Er trug ein knispeliges weißes Hemd, das seinen schlanken, festen Oberkörper betonte und schwarze Hosen, die seine langen Beine perfekt umschmeichelten. Trotz seiner schlichten Kleidung konnte man sein elegantes Temperament nicht übersehen. Sein hübsches Gesicht war kalt und ausdruckslos. Als würde ihn nichts je berühren können.

Vorbeigehende Studentinnen konnten nicht anders, als ihn anzustarren. Einige erröteten sogar. Er war der begehrteste Junggeselle ihrer Universität, ein älterer Student der Wirtschaftsfakultät. Berühmt nicht nur wegen seines guten Aussehens, sondern auch für die besten Noten seines Jahrgangs. Dass er aus einer sehr reichen Familie stammte, spielte ebenfalls eine Rolle. Sein Name war Luo Ren.Luo Ren war gerade auf dem Weg zum Parkplatz, als ein Mädchen ihn plötzlich anhielt. Sie war schlank, hatte langes schwarzes Haar und große, rehbraune Augen. Die vorbeigehenden Leute erkannten sie sofort als das beliebteste Mädchen des ersten Jahrgangs.

"Senior, ich mag dich. Könnte ich deine Freundin sein?" gestand sie mit erröteten Wangen, die ihre Schönheit noch hervorhoben.

"Tut mir leid, ich bin nicht interessiert", erwiderte er ausdruckslos und ging an ihr vorbei.

Die Schüler, die Zeugen dieser Szene wurden, waren nicht mehr schockiert. Jeden Tag gestand irgendein Mädchen Luo Ren ihre Zuneigung, um dann ohne Umschweife zurückgewiesen zu werden. Kein Mädchen hatte je Erfolg bei ihm, egal wie hübsch oder intelligent es war.

Luo Ren war fast bei seinem Auto, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche und war leicht überrascht, den Namen seines Vaters auf dem Display zu sehen. Er nahm den Anruf entgegen. "Vater."

"Ah-Ren, Xiao Yan ist aufgewacht."

Zum ersten Mal seit langem zeigte Luo Rens ausdrucksloses Gesicht eine Regung.

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Ein großer Jugendlicher trat einen Jungen vor sich und drehte sich dann um, um einen anderen zu schlagen, der ihn von hinten attackieren wollte. Anschließend setzte er zu einer weiteren Attacke an. Innerhalb weniger Minuten lagen fünf Jugendliche stöhnend am Boden und konnten nicht mehr aufstehen. Der Einzige, der noch stand, war der große Teenager.

Einige Strähnen seines schwarzen Haars fielen auf seine Stirn. Seine schwarzen Augen blitzten gefährlich – wie das eines kleinen Tieres, das in einem Käfig gefangen ist. Seine Schuluniform war verschoben, einige Knöpfe fehlten sogar. Seine Ohren waren gepierct. Er war das Ebenbild eines Rowdys, aber er besaß noch immer einen gewissen wilden Charme, dem man sich nicht leicht entziehen konnte.

Der gut aussehende Teenager hieß Luo Jin. Er war Erstklässler an einer der renommiertesten weiterführenden Schulen in S City und galt offiziell als Unruhestifter.

"Abschaum", spottete der Jugendliche über die fünf am Boden liegenden Jungen.

Er hob den auf den Boden geworfenen Mantel seiner Uniform auf und begann, sich zu entfernen. Dann klingelte sein Handy. Er ging ran, ohne nachzusehen, wer anrief. "Was ist?"

"Fahr ins Krankenhaus. Yan Yan ist aufgewacht", sagte die kühle Stimme seines älteren Bruders.

Luo Jin blieb stehen, und in seinen schwarzen Augen wirbelte ein Sturm der Emotionen.