Am Nachmittag um vier Uhr loggten sich die Luo-Brüder wieder in Arcadia ein. Luo Yan hatte sich stets zu dieser Zeit angemeldet, bedingt durch seine Nachhilfestunden. Er hatte nie daran gedacht, seine Lektionen ausfallen zu lassen, nur um früher am Tag Arcadia zu spielen.
Während der mehr als einem halben Monat der Nachhilfe hat er viel gelernt. Es bleibt nur noch ein Monat bis zum neuen Schuljahr, weshalb es wichtig war, sein akademisches Wissen aufzufrischen. Obwohl er diese Dinge bereits vor Jahren gelernt hatte, bedeutete das nicht, dass alles perfekt in seinem Gedächtnis verblieben war. Die Nachhilfestunden waren also wirklich von Nutzen. Wenn er schon zur Schule zurückkehrte, wollte er zumindest sicherstellen, dass er keine einfachen Fehler machte, nur weil er ein oder zwei Dinge vergessen hatte. Es ist besser, gute Noten zu erzielen.
Luo Yan blickte auf seinen jüngeren Bruder herab. Er konnte sich auch jetzt noch nicht an dessen Niedlichkeit sattsehen. Sein älterer Bruder hatte ihm gesagt, er solle mehr Fotos machen und sie ihm schicken. Videos wären sogar noch besser. Wenn Luo Ren nicht mit der Arbeit beschäftigt war, würde er sicherlich nicht zögern, mit ihnen zu spielen.
„Ah Jin, hast du vorhin nicht gespielt?", fragte er ihn.
Luo Jin schüttelte den Kopf. „Da wir uns jetzt beide für eine Klasse bewerben wollen, ist es besser, wenn wir gemeinsam gehen."
Sie machten sich nun auf den Weg zum Klassenbüro, dem Ort, an den man sich wenden muss, wenn man sich für eine Klasse bewerben möchte.
„Habt ihr euch schon für eine Klasse entschieden?", fragte Luo Yan.
In Arcadia gab es neben zwei Spezialklassen - Alchemist und Schmied - acht weitere Klassen, aus denen Spieler wählen konnten. Als er spielte, gab es nur fünf Grundklassen. Aber mit dem Übergang zur VR-Technologie wurden die Klassen erweitert, was das Spiel vielfältiger machte und den Spielern mehr Auswahlmöglichkeiten bot.
Die acht Klassen ließen sich wie folgt aufteilen:
Schwertkämpfer, deren Hauptwaffe, wie der Name schon sagt, das Schwert ist. Ihre Fähigkeiten sind auf Kraft und physischen Kampf ausgerichtet. Manchmal können sie als Tank einer Gruppe fungieren, aber meistens auf Kosten der Beweglichkeit oder Reichweite. Sie stellen die Klasse mit den ausgewogensten Grundstatistiken dar.
Berserker sind offensive Schwergewichte mit ungewöhnlich hohen Gesundheitspunkten (HP). Dadurch können sie Schaden gut widerstehen. In Hinblick auf die Tank-Rolle sind sie die perfekte Wahl, obwohl ihre Beweglichkeit im Vergleich zu anderen Klassen definitiv am niedrigsten ist.
Schützen und Revolverhelden, die grundsätzlich zusammengefasst werden können, unterscheiden sich nur durch die Wahl ihrer Waffe. Schützen verwenden Bögen, während Revolverhelden Gewehre nutzen. Beide verfügen über Fernangriffe, die sich allerdings meist auf ein bis drei Ziele konzentrieren.
Attentäter haben die höchste Geschwindigkeit. Ihre Verteidigung ist nicht sehr hoch, aber sie können einem einzelnen Gegner erheblichen Schaden zufügen. Sie sind gut im Nahkampf, aber bei Fernangriffen eher schlecht. Bei dieser Klasse ist es am besten, sich dem Gegner zu nähern, bevor man angreift.
Magier können einer Gruppe von Gegnern großflächigen Schaden zufügen und besitzen die höchste Menge an Magiepunkten (MP) aller Klassen, was es ihnen erleichtert, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Ihre Verteidigung ist jedoch die niedrigste, wodurch sie angreifbarer sind.
Priester legen ihren Fokus auf Heilfähigkeiten. Sie verfügen sogar über eine Fähigkeit, mit der sie einen toten Teamkollegen sofort wiederbeleben können. Sie sind bekannt für ihre Unterstützungsfähigkeiten und nicht gut im Einzelkampf, aber in einem Teamkampf sind sie unverzichtbar.
Schließlich die Barden, deren Waffen meist Musikinstrumente sind. Die meisten ihrer Fähigkeiten sind unterstützend, können jedoch vorübergehend die Statistiken ihrer Teamkollegen verstärken. Sie werden auch als Unterstützungsklasse eingestuft, haben jedoch im Vergleich zur Priesterklasse eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit, einen 1-gegen-1-Kampf zu gewinnen.
Luo Yan hatte bereits die Attentäter-Klasse gewählt. Er war sich nicht sicher, für welche Klasse sich Luo Jin entscheiden würde.
"Ja, ich habe Revolverheld gewählt", sagte Luo Jin.
Luo Yan war etwas überrascht von der Wahl seines Bruders. Angesichts seiner kämpferischen Leistung beim gestrigen Leveln hatte er gedacht, Luo Jin würde sich für die Berserker-Klasse entscheiden. „Du hast das nicht nur gewählt, weil es cool klingt, oder?", neckte er ihn.
"Natürlich nicht! Wofür hältst du mich?", entgegnete Luo Jin empört. „Ich habe mich dafür entschieden, weil ich eine passive einzigartige Fähigkeit namens ‚Chaotischer Geist' habe. Jedes Mal, wenn ich einen Fernangriff ausführe und dieser erfolgreich ist, wird der Gegner automatisch verwirrt. Der Effekt dauert 5 Sekunden. Um das nutzen zu können, hatte ich nur vier Möglichkeiten - Bogenschütze, Revolverheld, Magier und Barde. Unter diesen habe ich mich für den Revolverhelden entschieden."
Diese passive einzigartige Fähigkeit war tatsächlich sehr effektiv. Es wäre eine Verschwendung gewesen, wenn Luo Jin sie nicht genutzt hätte. Doch was Luo Yan überraschte, war die sorgfältige Analyse seines Bruders. Er hatte nicht erwartet, dass Luo Jin diesen Aspekt so durchdacht angehen würde.'"Wow, Ah Jin ist so schlau, dass er das alles analysieren kann", konnte er nicht widerstehen, seinen Bruder weiter aufzuziehen.
Wie erwartet wurde Luo Jin rot im Gesicht. "Wie schlau? Das ist doch eine einfache Sache. Denkst du, ich hätte keinen Verstand?"
Nachdem er das gesagt hatte, marschierte er sofort schneller los. Luo Yan konnte nur hilflos hinterherziehen.
"Will Ah Jin mich nicht fragen, welche Klasse ich gewählt habe?"
Luo Jin sah zu ihm auf. "Welche Klasse?"
Luo Yan lächelte. "Attentäter."
Luo Jin dachte an die einzigartige Fähigkeit, die sein Bruder gestern in der Arena gezeigt hatte. Es schien, als wäre diese Klasse wirklich für ihn gemacht. Doch das bedeutete auch, dass seine Kämpfe von nun an größtenteils im Nahkampf stattfinden würden. Luo Jin konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen. Doch er mischte sich nicht in seine Entscheidung ein. Denn wenn es um dieses Spiel ging, würde er seinen Bruder keinesfalls unterschätzen.
"Schöne Wahl", sagte er schlicht.
Luo Yan lächelte wie eine Blüte. "Nicht wahr?"
Während sie weitergingen, spürte Luo Yan, dass viele Blicke auf sie gerichtet waren. Nein, genauer gesagt, auf ihn. Einige waren intensiver als andere. Er zog die Stirn in Falten. Als sie gestern durch Olkdale Town schlenderten, gab es zwar auch Leute, die ihn anstarrten, aber es war nicht so schlimm. Als ob sie Löcher in ihn starren wollten oder so.
Was ist nur los mit diesen Leuten? Er wusste, dass er aussah wie ein Elf, aber sicher war das nicht das erste Mal, dass sie jemanden sahen, der gut aussah. Sie würden ihn doch nicht belagern, oder?
Wenn Luo Yan diese Blicke bemerkte, dann natürlich auch Luo Jin. Sein kleines Gesicht verzog sich unzufrieden. "Yan, vielleicht solltest du eine Maske tragen."
Luo Yan sah amüsiert auf seinen Bruder herab. "Warum? Schämt sich Ah Jin, mit mir zu gehen?", fragte er und tat ganz betrübt.
"Nein! Siehst du nicht, wie die Leute dich anstarren? Fühlst du dich nicht unwohl?" Denn Luo Jin war es sicherlich.
"Nein", antwortete Luo Yan lächelnd.
Er fühlte sich wirklich nicht unwohl. Schließlich konnten diese Leute nur schauen. Und wenn sie es wagen würden, ihn zu berühren, würde er sich einfach ausloggen. Warum sollte er sein Gesicht verstecken, nur weil die Menschen zu intensiv starrten? Warum sollte er derjenige sein, der sich anpassen muss? Wäre das nicht zu unfair ihm gegenüber?
Luo Jin seufzte, als er die Antwort seines Bruders hörte. Nun gut, schön. Er würde einfach aufpassen, dass niemand versuchen würde, seinem zweiten Bruder etwas anzutun.
Nach ein paar weiteren Minuten Fußweg kamen sie endlich beim Klassenbüro an. Es war ein schlichtes dreistöckiges Gebäude mit dem Schild "Class Bureau" an der Vorderseite. Sie waren gerade dabei einzutreten, als Luo Yan spürte, wie sein Arm plötzlich ergriffen wurde.
Er runzelte die Stirn, genervt. Er dachte, es sei einer dieser Leute, die ihn angestarrt hatten. Er drehte sich um, voller Verärgerung im Herzen. Doch als er das tat, war er leicht überrascht.
Denn was er zuerst sah, war ein Paar elektrisch blauer Augen.