Die Kunst des Origami war ursprünglich für religiöse und zeremonielle Zwecke vorgesehen, doch in diesem Moment nutzte jemand sie, um eine Gruppe von Jungen zu unterhalten. Wen Qinxi betrat die Unterkunft und fand eine Gruppe Jungen vor, die am Esstisch saßen und sich auf die süßen, appetitlichen Kuchen stürzten, die Frau Lin gerade für sie geschickt hatte. Er gesellte sich zu ihnen, konnte sich jedoch nicht den köstlichen Leckereien hingeben, da er hart daran arbeitete, sich eines bestimmten prallen Beutels zu entledigen. Wen Qinxi beschloss, Origami zu falten, während er sich mit den Jungen unterhielt, um sich von der verführerischen Süße abzulenken.
Während seines Studiums hatte er sich einem Origami-Club angeschlossen, um ein Mädchen zu beeindrucken, wurde jedoch enttäuscht, als dieses einen Athleten bevorzugte, der einen Marathon in einem Hemd mit ihrem Namen lief, anstatt sich für einen niedlichen Elefanten mit einer geheimen Botschaft zu begeistern. Wenigstens lernte er, verschiedene andere Figuren zu falten: einen Drachen, einen Fisch, einen Fuchs, einen Frosch, einen Panda, eine Schildkröte, einen Vogel und einen Wal, alle von mittlerem Schwierigkeitsgrad.
Die Jungen beobachteten ihn, wie er das Papier geschickt faltete und rätselten, was das Endergebnis sein würde, indem sie den letzten Süßkartoffelkuchen darauf verwetteten. Sie rieten eifrig und machten sich spielerisch über die Vorschläge der anderen lustig. Der Raum füllte sich sofort mit spielerischen Sticheleien einer Gruppe ausgelassener Jungen. „Ich glaube, das wird eine Katze", mutmaßte Shufen, während er auf die Falten deutete, an denen Lin Jingxie gerade arbeitete. „Da sind eindeutig ein Schwanz und Schnurrhaare."
Die anderen lachten über seine Vermutung, und Machu klopfte ihm sanft auf den Kopf: „Ich glaube, deine Augen funktionieren nicht richtig, das können keine Schnurrhaare sein. Das ist offensichtlich ein Frosch." Auch Machu wurde nicht verschont, und die Gruppe neckte ihn scherzhaft wegen seiner furchtbaren Wahl. Wen Qinxi konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen; er ahnte, dass keiner von ihnen richtig liegen würde, bis Xie Ruen sich zu Wort meldete.
Der Junge war immer noch wachsam, wenn Lin Jingxie in der Nähe war, was angesichts der früheren Mobbingvorfälle verständlich war. Während die anderen Jungen Lin Jingxies Gesellschaft genossen, blieb er normalerweise still. Heute aber sprach er plötzlich. „Wenn ich richtig rate, isst du dann den Süßkartoffelkuchen?", fragte Xie Ruen zögerlich. Er hatte bemerkt, dass Lin Jingxie nichts aß, obwohl er begierig die süßen Kuchen ansah und sich nach ihnen sehnte, sich jedoch offensichtlich stark zurückhielt. Es war offensichtlich, dass er essen wollte, aber nicht konnte.
Wen Qinxi hob den Kopf, unterbrach sein Faltwerk kurz und warf Xie Ruen einen Blick zu, kehrte dann aber schnell zu seiner Arbeit zurück, als er sah, dass der Junge sich wieder zurückzog. Schnell stimmte Wen Qinxi zu: „Ja, das werde ich tun, wenn du richtig rätst", sagte er mit sanfter Stimme, um den Jungen nicht zu verschrecken.
„Es ist eine Schildkröte", sagte Xie Ruen leise, doch als die Worte herauskamen, brachen die anderen Jungen in ungebremstes Gelächter aus. Nach ein paar weiteren Faltungen verstummten jedoch alle, als sie die niedliche kleine Schildkröte sahen.
Wen Qinxi lächelte und sagte: „Hier, sie gehört dir", während er die Schildkröte direkt vor Xie Ruen platzierte und fröhlich nach dem letzten Süßkartoffelkuchen griff, dessen süßer Geschmack seine Sinne kitzelte. Machu und die anderen lobten einen schüchternen Xie Ruen dafür, dass er einen so scharfen Blick hatte, während der süß lächelnde Junge die Schildkröte vorsichtig in der Hand hielt. Er hielt sie so behutsam wie Glas, aus Angst, sie könnte bei der kleinsten Bewegung zerbrechen. Er ließ sogar nicht zu, dass die anderen sie berührten, was die anderen dazu veranlasste, sich auch eine zu wünschen.
Wen Qinxi willigte natürlich allzu bereitwillig ein und knabberte sorglos an dem Süßkartoffelkuchen. Qie Ranzhe schlenderte mit den sorgfältig in seiner Tasche verstauten Anhängern entspannt in den Unterschlupf, als solch eine Szene ihn erwartete. Die Jungen nahmen sofort seine Gegenwart zur Kenntnis, während sie aufgeregt durcheinandersprachen und Lin Jingxies Meisterwerk präsentierten, doch Qie Ranzhe fixierte den zur Hälfte gegessenen Süßkartoffelkuchen in Lin Jingxies Hand. Die Stirn runzelnd, erinnerte er sich daran, wie er beschuldigt worden war, Lin Jingxie gemästet zu haben. Ohne zu zögern, ging er heran und nahm dem anderen den Kuchen weg, sein schelmisches Grinsen deutlich auf dem Gesicht.
Wen Qinxi, dem grade sein köstlicher Kuchen entwendet worden war, konnte dies nicht auf sich sitzen lassen und versuchte verzweifelt, ihn zurückzuerobern. Er stürzte sich auf Qie Ranzhe wie ein aufgebrachter Tiger, allerdings machte ihm der Größenunterschied einen Strich durch die Rechnung. Der Großgewachsene hielt den Kuchen knapp über seinem Kopf, fast die Decke berührend, während Wen Qinxi in die Luft sprang und versuchte, ihn zu erreichen.
Die Jungen mussten leider mit ansehen, wie Qie Ranzhe Lin Jingxie mit einem strahlenden Lächeln hänselte. Qie Ranzhe genoss es besonders, wenn Lin Jingxie aus Versehen auf seine Zehen trat, während er sich an ihm hochzog, um den Kuchen zu ergreifen. Es war gleichzeitig lustig und befriedigend und animierte ihn dazu, Lin Jingxie noch mehr zu ärgern, doch das Opfer seiner Neckereien sah alles andere als erfreut aus.
"Du darfst das nicht essen", meinte Qie Ranzhe, bevor er sich den gesamten Kuchen in den Mund stopfte. Wen Qinxi erstarrte und starrte auf Qie Ranzhes vollgestopfte Wangen, die ihn an einen attraktiven Hamster erinnerten - vorausgesetzt, man fand Hamster attraktiv. Fassungslos realisierte er, dass Qie Ranzhe etwas aß, von dem er bereits abgebissen hatte, und fragte sich, was nur mit Qie Ranzhe los sei. War seine Mysophobie geheilt worden, bevor sie das Spiel begannen?
"Jolie, ich glaube, ich werde deinen verdammten Chef umbringen. Er hat meinen verdammten Kuchen verschlungen und zeigt nicht die kleinste Reue", dachte Wen Qinxi, bevor er sich still wieder hinsetzte.
"Kleiner Dickkopf, wieso bist du so sauer? Es ist doch offensichtlich nur zu deinem Besten, sonst gibst du ihm nachher wieder die Schuld wegen deines kleinen Beutels", erwiderte das System spöttisch.
"Verschwinde, du nutzloses System!", entgegnete Wen Qinxi, während er etwas anderes faltete. Als Qie Ranzhe sah, dass er Lin Jingxie verstimmt hatte, konnte er den damit verbundenen Schmerz kaum ertragen. Jedes Mal, wenn Lin Jingxie auf ihn wütend wurde, fühlte es sich an, als ob ihm jemand einen glühenden Eisenstab in den Magen rammen würde. Um Lin Jingxie zu beruhigen, eilte er in die Küche und bereitete einen Obstsalat zu, reich an aromatischen und wohlschmeckenden Fruchtstücken.
Als er zurückkehrte, hatte Lin Jingxie bereits einen Fisch, einen Fuchs und einen Panda für drei andere Jungen gefaltet und arbeitete gerade an einem weiteren, das wie ein winziger Vogel aussah. Er setzte sich Schulter an Schulter mit Lin Jingxie, doch dieser beachtete ihn nicht und unterhielt sich fröhlich mit den Jungen weiter. Qie Ranzhe spürte Unruhe in sich aufsteigen, zog die Lippen zusammen und flüsterte Lin Jingxie etwas ins Ohr, während seine freie Hand über dessen Rücken strich. "Es tut mir leid. Ich habe eben übertrieben", sagte er mit fahler Miene.