Man sagt, die Zeit vergeht langsam, wenn einem langweilig ist, und so fühlte es Wen Qinxi, als der Winter seine Aktivitäten beschränkte. Der Winter war tatsächlich ereignisreicher, als er zugeben wollte. Mehrmals nutzte er Qie Ranzhes großes und bequemes Bett und verlangte Bezahlung dafür, dass er besonders Qie Ranzhe und alle anderen Jungen unterrichtete. Er wollte nicht, dass Qie Ranzhe später beim Betreten des Palastes verspottet wurde und brachte ihm deshalb verschiedene Dinge bei, denn das war seine Spezialität.
Abgesehen vom Nachhilfeunterricht trainierte Qie Ranzhe täglich an der Lin-Villa Seite an Seite mit Lin Mingxu, obwohl sie ständig aneinandergerieten. Lin Mingxu gab alles, um wenigstens einmal gegen Qie Ranzhe zu gewinnen, was sich jedoch als vergeblich herausstellte. Qie Ranzhe war wie ein unbesiegbarer, mächtiger Mischling, der ständig über ihn siegte, und es wurde mit fortschreitendem Training nur noch schlimmer. Selbst Meister Lin hatte seine Mühe, Qie Ranzhe zu besiegen und errang jedes Mal nur knapp den Sieg, doch das war nicht der frustrierendste Teil. Meister Lin bemerkte ein Muster, das sich erst beim vierten Mal offenbarte.
Das erste Mal passierte es, als Lin Mingxus Trainer, der ihn seit seinem fünften Lebensjahr ausbildete, plötzlich und unerwartet kündigte. Dies ereignete sich dreimal, bis Meister Lin beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Es stellte sich heraus, dass immer dann, wenn Lin Jingxie zugegen war – was selten vorkam – Qie Ranzhe den Trainer gnadenlos dominierte, als wolle er seine Fähigkeiten präsentieren, wie ein Teenager, der sich vor seiner Schwärmerei brüstet. Natürlich wusste Meister Lin nicht, dass Qie Ranzhe das tat, aber ihm war klar, dass dies irgendwie mit Lin Jingxie zusammenhing, also verbot er seinem Sohn, während des Trainings anwesend zu sein.
Da Qie Ranzhe sich nicht mehr zur Schau stellen konnte, verfiel er auf eine klassische Mitleidstaktik, die, wenn Sie mich fragen, sehr kindisch war. Nach dem Training rannte er mit den lächerlichsten Wunden zu Lin Jingxie, nur um in seiner Nähe sein zu können. Lin Mingxu konterte, indem er noch schlimmere Wunden zur Schau stellte, die ihm Qie Ranzhe beim Training zugefügt hatte. So war das Leben für Wen Qinxi, der sich um zwei große Babys kümmerte.
Er war es leid, Jolie ständig mit derselben Frage zu nerven. Wen Qinxi wollte wissen, wann Qie Ranzhe endlich die Göttin Zhuo Huangzhi treffen könnte, damit er diese lästige Babysitter-Aufgabe für den anhänglichen CEO loswürde. Der Tag, auf den er sich so sehr gefreut hatte, war endlich gekommen, und er musste Qie Ranzhe nur in die richtige Richtung lenken, um die Jungfrau in Not zu retten.
An diesem Tag schritt Wen Qinxi mit federndem Schritt und einem breiten Grinsen aus dem Herrenhaus heraus. Aber er war noch nicht weit gekommen, als er hörte, wie Lin Mingxu ihm nachrief und bat, dass sie gemeinsam gehen sollten. Wen Qinxi hatte nichts dagegen, ihn mitzunehmen, denn zu glücklich war er um sich zu kümmern. Sie machten sich auf den Weg in den Wald, denn dort sollte Qie Ranzhe laut Jolie sein. Als sie dort ankamen, gab Qie Ranzhe gerade einigen Tipps an Machu und die anderen Jungen im Nahkampf.
Machu stand in der Mitte mit Qie Ranzhe, während die anderen sie in einem Kreis umstanden. Wen Qinxi beobachtete Qie Ranzhe aus der Ferne und wollte ihr Training nicht stören. Diese Jungen benötigten das Training, das in der Zukunft nützlich sein würde, wenn ihr älterer Bruder offiziell als Prinz anerkannt werden würde. Er stellte fest, dass Qie Ranzhe irgendwie gewachsen war, da er zu Machu herunterschauen musste, um mit ihm zu sprechen. Es war unglaublich, wie eine ausgewogene Ernährung bei Qie Ranzhe einen Wachstumsschub ausgelöst hatte, der Wen Qinxi inzwischen fast einen Kopf kleiner erscheinen ließ."Sogar in diesem verdammten Spiel strahlst du noch", spottete Wen Qinxi und wartete geduldig darauf, dass er fertig war. Qie Ranzhe war so in seine Übung vertieft, dass er Lin Jingxie erst bemerkte, als Machu auf ihn zeigte. Er blickte zu Lin Jingxie hinüber und sah, wie dessen hübsche Gestalt im Sonnenlicht glänzte. Qie Ranzhe grinste, als Lin Jingxie ihm winkte, während die Jungen einander leise etwas zuflüsterten. Nur Lin Mingxu bemerkte, dass etwas in der Luft lag. Er wollte es Lin Jingxie sagen, aber Qie Ranzhe drohte, ihm das Training zur Hölle zu machen, also ließ er den Gedanken fallen, da er genau wusste, zu was Qie Ranzhe fähig war.
Qie Ranzhe beendete seine Erklärung und forderte Machu heraus, es noch einmal zu versuchen, aber das endete nicht gut für ihn, da Qie Ranzhes Prahlsucht plötzlich wieder durchkam. Er wurde etwas aggressiver als gewöhnlich und warf ihn mit einem Schlag zu Boden, worauf Machu schmerzhaft auf den Boden krachte. Als sein Körper mit einem lauten Knall aufschlug, zogen sich die Jungen zurück und zündeten eine Kerze für ihren Stellvertreter an, in der Hoffnung, dass Qie Ranzhe Gnade walten lassen würde. Im Bruchteil einer Sekunde hatte Qie Ranzhe Machu in einem Scharfschützengriff, verdrehte sein Bein mit minimaler Kraft, aber sein Gegner litt unerträgliche Schmerzen und die Adern auf seinem geröteten Gesicht traten hervor. "Ran-ge, ich ergebe mich, verdammt!", sagte Machu mit einem gequälten Gesichtsausdruck, bevor Qie Ranzhe ihn losließ.
Qie Ranzhe half ihm auf und prüfte, ob es ihm gut ging, doch Machu hielt ihn zurück. "Aiyo... du hast mir fast das Bein gebrochen", sagte er, während er sich die schmerzenden Muskeln rieb, "Obwohl ich es nicht übel nehmen würde, wenn es dir Saozi verschaffen würde." Das letzte wurde flüsternd gesagt, und ein Lächeln erschien auf Qie Ranzhes Gesicht.
Er klopfte Machu zweimal auf den Rücken und sagte: "Du bist ein guter Mann, Machu. Heute bekommst du fünfzig Prozent meines Abendessens", bevor er auf Lin Jingxie zustolzierte und dabei sanft auf seine Unterlippe biss. Sein Verhalten ließ vermuten, dass er sich wie in einer Kirschblütenszene aus einem Film wähnte. Qie Ranzhe blieb direkt vor Lin Jingxie stehen, beugte sich hinunter und flüsterte: "War ich gerade cool?"
"Verdammt, er ist so selbstverliebt", dachte Wen Qinxi und lehnte sich zurück, um etwas Abstand zwischen sich zu bringen. Er spürte plötzlich ein anhaltendes Kribbeln, wo der warme Atem von Qie Ranzhe seine Haut gestreift hatte. "Jolie, beschaffe diesem Protagonisten seine Hauptdarstellerin, bevor ich ihn mit bloßen Händen umbringe", wies er das System an.
"Sicher, machen wir das", antwortete Jolie und kämpfte gegen den Drang an, ihn auszulachen.