"Nein!" hallte Elias' Stimme durch das Chaos, weit entfernt und doch voller Verzweiflung unter all dem Geschrei und den Rufen. Der Schuss dröhnte in ihren Ohren, und Evelyn kniff die Augen zusammen, bereit, den Einschlag der Kugel zu ertragen.
Aber bevor sie den brennenden Schmerz spüren konnte, ergriff eine kräftige Hand ihr Handgelenk und zog sie mit Nachdruck heran. Sie stieß gegen einen festen, warmen Körper, und der dezente Duft von Sandelholz rief ihre erstarrten Sinne wach.
Die Kugel, die auf Evelyn abgegeben worden war, traf stattdessen die Uhr an der Wand neben dem Tresen. Kunden in der Nähe schrien auf und suchten Deckung, ebenso wie Elias, dessen von Angst geweitete Augen auf Evelyn gerichtet waren.
"Geht es dir gut?" Zevians tiefe, raue Stimme gab ihr Lebensgeist wieder und rüttelte sie aus ihrer Benommenheit. Evelyn öffnete ihre Augen, verwirrt und außer Atem.
Bevor sie begreifen konnte, was passierte, zog Zevian sie noch näher an sich und schützte sie mit seinem Körper, als sie sich zusammen duckten. Im Knien hielten sie sich bedeckt, als die Angreifer weiter feuerten und der Mann, der Kiana bewachte, instinktiv ihren Tisch anhob und ihn als Schutzschild gegen das Kugelhagel einsetzte.
"Papa!" Kianas Schreie wurden lauter, während sie zu Zevian blickte. Sie löste sich aus den Armen Johns, ihres Leibwächters und Chauffeurs, bewegte sich näher zu Zevian, der sie schnell mit seiner anderen freien Hand beschützend umfasste.
Evelyns Augen irrten hastig durch das Chaos auf der Suche nach Elias und sie atmete erleichtert auf, als sie ihn mit zwei weiteren Menschen unter einem Tisch geduckt sah.
"Ich werde nie wieder die Schule schwänzen!" murmelte Kiana zwischen ihren erstickenden Schluchzern. Endlich begriff sie die Gefahren, vor denen John sie immer gewarnt hatte, wenn sie heimlich allein loszog, und schwor sich, es nie wieder zu tun.
Zevian gab ihr einen Kuss auf den Kopf und tätschelte beruhigend ihren Rücken. Er konnte nicht wütend sein, nicht in einer Zeit, in der ihr unerlaubtes Davonschleichen ihm die Gelegenheit gab, jemandem wieder zu begegnen – jemandem, der so besonders war, auf so eine filmreife Art. Er dachte nach und seine Augen wurden wärmer, als er auf Evelyn neben sich blickte.
"John und ich kümmern uns um sie. Bleib bei ihr, in Ordnung?" sagte er und führte Kiana zu Evelyn hinüber. Evelyn umschloss das Mädchen rasch mit ihren Armen als die zwei Männer sich erhoben.
Evelyn strich Kiana beruhigend über den Rücken und tröstete sie, während sich das zitternde kleine Lamm enger an sie schmiegte. "Darum kam sie mir also bekannt vor", dachte Evelyn, in der Hoffnung, dass Zevian in Sicherheit wäre. Sie wusste, dass er ein ausgezeichneter Kämpfer war; sie hatte es vor Jahren bei einem ihrer Dates erlebt, aber ihr Herz schlug dennoch heftig, und das Knallen der Waffen erweckte ihre quälenden Kindheitserinnerungen.
Zevians sanftmütiges Verhalten zerbrach in dem Moment, in dem er aufstand. Seine Miene verfinsterte sich, als würde er in die Haut des Teufels schlüpfen. Einer der Schützen wich zurück, als er Zevian erblickte; er kannte seine Identität nur zu gut. Auch die Gesichter seiner Kameraden veränderten sich, Schock lag in ihren Augen, als Zevian mit ruhigen Schritten seine Ärmel hochkrempelte und auf sie zuging.
"Was zum Teufel macht er hier?" murmelte einer von ihnen, seine Hand in Panik zitternd. Er richtete die Waffe auf Zevian, traute sich jedoch nicht abzudrücken. Nur ein Narr würde den reichsten Mann des Landes anschießen, dessen Verbindungen tief in die Unterwelt reichten.
John setzte sich schnell gegen die beiden anderen Angreifer zur Wehr, die auf ihn zustürzten, drehte geschickt ihre Handgelenke und zwang sie, ihre Pistolen fallen zu lassen. Im Gegensatz dazu nahm sich Zevian Zeit, trat direkt vor den Angreifer, der zuvor auf Evelyn geschossen hatte. Er stoppte nur wenige Zentimeter vor der Waffe, die Hände entspannt in den Hosentaschen versteckt, als würde er es dem Mann überlassen wollen, den Abzug zu betätigen.
Zevian streckte seine Handfläche aus und forderte den Mann mit seinem Blick auf, ihm die Waffe zu übergeben. Der Mann schluckte, sein Verstand raste, unsicher, ob er sich selbst erschießen oder die Waffe Zevian überlassen sollte. Aber als sich Zevians Mine verdüsterte, reichte er ihm zügig die Pistole.
"Wer hat Sie geschickt?", erkundigte sich Zevian und prüfte das letzte Geschoss in der Pistole.
"Wir waren auf uns gestellt! Wir haben nur wegen des Geldes angegriffen", log der junge Schläger, dessen Hose sich beinahe nass anfühlte, als Zevian plötzlich die Waffe auf seinen Kopf richtete.'Zevian hob eine Augenbraue und legte den Zeigefinger auf den Abzug. "Sie sollten Ihre Zielscheiben prüfen, bevor Sie blindlings Geld nachjagen."
Seine Worte ließen den Mann schockiert aufstöhnen. Er öffnete und schloss seinen Mund ein paar Mal, völlig unerwartet für den Teufel, der ihn in diesem Chaos einfangen würde. Er warf einen Blick auf den Tisch, hinter dem sich das Ziel versteckt hielt, und grübelte über Theorien nach, bevor seine Augen in Erkenntnis weit aufsprangen.
Nicht möglich! Haben sie gerade Zevians heimliche Begleiterin angegriffen? dachte er und erinnerte sich daran, wie Zevian diese Frau zurückgezogen hatte, als er eigentlich nur versuchte, ihre Schulter zu prellen und Angst einzujagen, wie befohlen.
"W-wir sollten ihr nur Angst machen, Sir! Bitte lassen Sie uns gehen! Bitte!" stammelte einer seiner Kameraden, der unter Johns Tritten litt, und stoß einen markerschütternden Schrei aus, als John ihm hart in den Magen trat.
Zevian seufzte, fuhr sich mit der Hand durch die Haare, genervt von der Unterbrechung durch die Polizisten. Er nickte bloß und wies John an, sie erst einmal machen zu lassen, denn er konnte diese Ratten später immer noch aufspüren, selbst wenn sie den Cops entkommen würden.
Die Menge, die während des Tumults stehen geblieben war, verstreute sich langsam, als die Polizei anfing, das Gebiet abzusperren. Die Menschen im Laden atmeten erleichtert auf und kamen langsam aus ihren Verstecken hervor.
Viele, insbesondere Frauen, konnten nicht anders, als zu kreischen, als Zevian zurückkehrte und John ihm folgte. Einige erkannten ihn sofort wieder, viele aber beneideten Evelyn und Kiana darum, einen so coolen Ehemann zu haben.
Elias und John liefen gleichermaßen zu Evelyns Tisch. John räumte den Tisch beiseite, der seine kleine Dame abschirmte, um Platz für seinen Chef zu machen. Kiana schlüpfte aus Evelyns Armen und sprang zu Zevian, der sich hinunterbeugte, um nach ihnen zu sehen.
"Geht es dir gut?" fragten Elias und Zevian gleichzeitig, ihre Besorgnis galt Evelyn, die sichtlich verstört aussah.
"Ich hole etwas Wasser", bot Elias an, und Evelyn nickte, bemüht ruhig zu bleiben.
Erinnerungen an ihre Entführung im Alter von sechs Jahren kamen in Evelyns Kopf hoch, die zierliche Gestalt ihrer Mutter, die von einem Entführer mit einer gezackten Narbe an der rechten Wange erschossen wurde. Der Schmerz, die Schreie, alles kehrte in einem Schwall zurück und machte ihr das Atmen schwer. Ihre Brust schnürte sich zusammen, ihre Sicht verschwomm, und sie spürte, wie der vertraute erstickende Griff einer Panikattacke sie ergriff.
Zevians Gesicht wurde ernst, als er sah, wie Evelyns Gesichtsausdruck blasser wurde. Ihre Atemzüge waren kurz und schnell, ihre Augen tränenvoll. „Evelyn?", rief er leise, seine Stimme brach durch das Chaos, das sie umgab.
Sie sah zu ihm auf, ihre Augen unscharf, die Monster in ihrem Kopf wurden stärker und brutaler. Tränen rannen ihr langsam über die Wangen, und sie suchte Trost in seinen Armen, dem einzigen Ort, wo sie sich sicher fühlte.
„Hol mich hier raus. Bitte!", flehte Evelyn, ihre Stimme kaum hörbar, während sie ihr Gesicht in seiner Schulter verbarg und ihre Tränen sein Hemd durchnässten.
Ohne zu zögern, nahm Zevian sie instinktiv in die Arme. „Bringen Sie Dr. Mike zu meinem Haus", befahl er John, bevor er das Chaos verließ.
„Haben wir endlich meine Mami gefunden?", fragte sich Kiana, während sie zu John aufsah, der ebenso überrascht war, seinen Chef eine Frau tragen zu sehen. „Ich glaube schon!", überlegte Kiana und ihr Gesicht erhellte sich mit einem Lächeln.