Dunkelheit erfüllte ihr Sichtfeld und sie fühlte sich, als wären ihre Glieder mit Gewichten beladen, die mehrere tausend Pfund wogen. Sie konnte sich kaum bewegen. Das Einzige, was ihr geblieben war, war ihr Gehör, doch selbst das war fast verschwunden.
Zhao Youlin konnte nur schwach wahrnehmen, dass sich viele Menschen um sie herum bewegten. Lautes Gerede und die Ausrufe Fremder ertönten.
"Um Himmels willen! Stoppt die Blutung! Schnell!"
"Was macht ihr da? Der junge Herr mag seine Frau vielleicht nicht besonders, aber wenn er herausfindet, dass die Dame sich die Pulsadern aufgeschnitten hat und zu Hause gestorben ist, dann sind wir alle geliefert!"
"Wozu das Gerede? Wo bleibt der Doktor? Wieso ist er noch nicht hier?"
"Der Arzt ist unterwegs, aber bis er eintrifft, wird die Dame längst... Stoppt erst mal die Blutung, bevor wir weitermachen. Oh, mein Gott! Warum ist da so viel Blut?!"
'Junger Herr? Frau? Hatte ich nicht Selbstmord begangen, indem ich mir die Pulsadern aufgeschnitten habe? Was geschieht hier?' War sie nicht an zwei Schüssen erlegen, die auf ihr Herz abgefeuert wurden? Könnte es sein, dass die Kugeln sie verfehlt hatten...? Doch selbst wenn sie wiederbelebt worden wäre, müsste die Wunde eigentlich eine Schusswunde sein. Was hatte das Aufschneiden ihrer Pulsadern damit zu tun?
Zhao Youlin fühlte sich benommen. Sie bemühte sich, die Augen zu öffnen, doch ihre Lider waren schwer wie Blei. Unbekannte Geräusche summten in ihren Ohren. Widerwillig driftete Zhao Youlin bald wieder in den Schlaf ab.
Als sie erneut zu Bewusstsein kam, drückte etwas auf ihre Brust und machte es ihr schwer zu atmen. Es fühlte sich an, als wäre sie ein Wal, der beinahe erstickt wäre, weil er versehentlich Wasser eingeatmet hatte. Ihr Überlebenstrieb veranlasste sie, reflexartig zu zucken und die Augen mit einem Keuchen zu öffnen.
Eine völlig unbekannte Szene entfaltete sich vor ihren Augen. Der Anblick des vertrauten, schneeweißen Hintergrunds eines Krankenhauses oder der abstoßende Geruch von Desinfektionsmitteln, die normalerweise damit einhergingen, fehlten. Stattdessen befand sie sich in einem gemütlichen, hell erleuchteten Raum, gefüllt mit einem milden Duft.
Instinktiv tastete Zhao Youlin ihre Umgebung ab. Sie hatte diesen Ort noch nie zuvor gesehen.
Das Innere dieses geräumigen Schlafzimmers präsentierte sich in einer einzigartigen europäischen Architektur und war mit luxuriösen Möbelstücken ausgestattet. Alles wirkte sowohl großartig und elegant als auch sauber und einladend. Selbst eine Laiin wie Zhao Youlin, die keinen Sinn für Luxusgegenstände und deren Preise hatte, konnte erkennen, dass diese Einrichtung sehr kostspielig war.
'Wo bin ich hier? Kenne ich jemanden, der so reich ist? Warum kann ich mich an nichts erinnern?' Da sie gerade erst erwacht war und verwirrt war, runzelte Zhao Youlin unbewusst die Stirn, um ihr Unbehagen zu unterdrücken.
Ein Windhauch ließ den Vorhang leicht gegen das Drahtgitter des Diebstahlschutzes an der mit Rosen geschnitzten Fensterbank flattern und erzeugte ein raschelndes Geräusch. Das Sonnenlicht strahlte auf sie herab, während sie auf einem breiten, weichen Bett lag.
Die Wärme berührte ihr Gesicht, und für einen Moment verlor Zhao Youlin sich in einer Trance. Sie hatte sich so sehr entspannt, dass sie nicht bemerkte, wie eine Gestalt den Raum betrat, bis...
Ein lauter Knall ertönte. In dem Moment, als ein Dienstmädchen mit einem Becken voll heißem Wasser den Raum betrat und entdeckte, dass Zhao Youlin wach war, ließ sie das Becken auf den Boden fallen. Sie drehte sich um und rannte hektisch hinaus, während sie rief: „Die Dame ist wach! Schnell, die Dame ist wach!"
'Dame?' Zhao Youlin runzelte die Stirn. Die Unstimmigkeit verwirrte sie erneut.
Sie blickte zum Eingang, wo das Becken gelandet war und das verschüttete Wasser eine Pfütze auf dem Boden bildete. Das Becken rollte noch. Unbewusst streckte Zhao Youlin ihre Hand aus, um die Schusswunden auf ihrer Brust zu fühlen. Im nächsten Moment erstarrte sie.
Es gab keine Wunden auf ihrer Brust. Stattdessen war ihre linke Hand in dicke, weiße Verbände gewickelt. Sie konnte schwach einige Linien karmesinroten Bluts auf dem Verband erkennen. Doch all das spielte keine große Rolle mehr, denn das größte Problem war ihre Hand... Es war nicht ihre!