In diesem Moment starrte sie kalt auf Sang Zhilan, der die Schränke durchwühlte und ein Kleidungsstück nach dem anderen herausnahm. Die waren doch alle für Wei Jiani, nicht wahr?
Sang Zhilan hatte keine Ahnung, dass Tang Yuxin wach war; sie erkannte nicht, dass dies nicht die alte Tang Yuxin war. Unter der Haut eines dreijährigen Kindes lauerte eine bemitleidenswerte Seele, die viel Leid erfahren und Stürme überstanden hatte.
Erst nachdem Sang Zhilan Tang Yuxins Kleiderschrank fast geleert hatte, stand sie auf. Als sie sich umdrehte, trat sie unwillkürlich einen Schritt zurück und stieß gegen den Schrank hinter ihr, was sie zu Tränen rührte.
Sie sah, dass das Kind auf dem Bett hellwach war und Sang Zhilan direkt anstarrte. Es waren nicht die Augen eines Kindes, sondern eher düster, kalt und etwas kühl.
"Xinxin, wann bist du aufgewacht?" Sich die Hüfte reibend, ging Sang Zhilan hinüber und legte ihre Hand auf Tang Yuxins Haar. In ihren Augen lag noch immer eine gewisse mütterliche Zuneigung. Egal, was passiert, es war ihre Tochter. Aber mit der Zeit hatte sich ihr Herz verändert. Nachdem sie Wei Tian geheiratet hatte, bevorzugte sie unbewusst Wei Jiani.
Allmählich zehrte diese Bevorzugung den letzten Rest mütterlicher Liebe auf, den sie noch hatte.
Tang Yuxin senkte die Augen und tat so, als sei sie noch im Halbschlaf. Sie rieb sich die Augen und legte sich wieder hin, um weiterzuschlummern. Sang Zhilan schöpfte natürlich keinen Verdacht.
Als sie sah, dass Tang Yuxin schlief, griff sie nach dem Stapel Kleider, den sie gerade auf das Bett geworfen hatte, doch sie konnte ihn nicht wegziehen.
Was ist denn da los? Sie tastete sich an den Kleidern entlang, bis sie Tang Yuxins kleine Hand entdeckte, die eine Ecke des Kleides fest umklammerte. Die Hand des Kindes war winzig, aber wie konnte sie so fest zupacken?
Sie zerrte mit aller Kraft an den Kleidern und zog Tang Yuxin schließlich aus der Decke.
Tang Yuxin setzte sich auf, drückte das Kleidungsstück fest an ihre Brust und weigerte sich, es Sang Zhilan zu geben.
Sang Zhilan hatte es eilig, in die Stadt zurückzukehren. Wenn sie nicht bald aufbrach, würde kein Transport zur Verfügung stehen, und sie würde hier bleiben müssen. Allein der Anblick von Tang Zhinian war ihr zuwider, wie konnte sie nur mit ihm das Bett teilen?
"Xinxin, hör auf Mama, lass los."
Sang Zhilan überredete Tang Yuxin: "Mama bewahrt deine Kleider für dich auf. In ein paar Tagen wird sie dich mit in die Stadt nehmen. Dort gibt es jede Menge leckeres Essen, und wir können in einem hohen Gebäude wohnen. Xinxin, willst du nicht mitkommen?"
Tang Yuxin sagte kein Wort, sondern drückte sich nur fester an ihre Kleidung und weigerte sich, sie loszulassen.
"Xinxin..." Sang Zhilans Geduld war erschöpft. War dieses Kind nicht früher sehr gehorsam gewesen? Früher folgte sie ihr auf Schritt und Tritt. Sie hatte ihr schon einmal die Kleider weggenommen, und erst vor ein paar Tagen hatte sie ihr gesagt, dass sie ihre Sachen packen würde, um in die Stadt zu ziehen, und sie war einverstanden. Warum also verhielt sie sich heute so anders?
"Xinxin, lass los."
Als sich der Himmel verdunkelte, wurde Sang Zhilans Laune immer gereizter.
Tang Yuxin hingegen drückte sich nur noch fester an ihre Kleidung, senkte den Kopf, schwieg und vermied den Blickkontakt.
Abrupt schlug Sang Zhilan Tang Yuxin auf den Rücken, vielleicht mit mehr Kraft als beabsichtigt, so dass Tang Yuxin auf das Bett rollte und mit dem Kopf gegen die Ecke des Tisches schlug.
In diesem Moment hörten Tang Zhinian und Tang Zhijun, die gerade von den Feldern zurückgekehrt waren, Tang Yuxins herzzerreißende Schreie, als sie sich der Tür näherten.