Bei jedem Schritt, den der betrunkene General auf Arlan zuging, konnte man sehen, wie sich die Muskeln des Prinzen anspannten. Drayce, der ihm am nächsten stand, konnte deutlich erkennen, wie sein Freund zu schwanken begann.
Obwohl der Festsaal von Lärm erfüllt war, sprach Drayce leise und bediente sich eines kleinen westlichen Dialekts, um sicherzugehen, dass niemand außer dem Prinzen von Griven seine Worte verstehen konnte: "Denk an den Plan. Sprich deutlich und sieh ihm in die Augen. Das zeigt, dass du keine Angst vor ihm hast. Spiel schwer zu kriegen und lass ihn spüren, dass du mehr von ihm erwartest. Fordere ihn heraus."
Innerlich runzelte Arlan die Stirn. Er hätte fluchen mögen, doch sein Gesichtsausdruck durfte keinen Zorn verraten, da der General ihn fest im Blick hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen antwortete Arlan im gleichen Dialekt: "Sprechen wir aus Erfahrung? Es wirkt fast so, als hättest du viele Nächte mit ihm während der Schlachten deines Königreichs verbracht."
"Wenn das so wäre, stünde er jetzt nicht hier", entgegnete Drayce spöttisch.
"Du hast ihn am Leben gelassen, damit ich diesen Tag erleben darf, du..."
Ihr Wortgefecht wurde jedoch durch ein lautes, kehliges Lachen unterbrochen.
"Du bist also der Glückliche für heute Nacht?"
Arlan verbeugte sich nicht vor dem rotgesichtigen General Giles, sondern blickte mit sturer Mine in die gierigen Augen des Betrunkenen. "In diesem Festsaal kann sich wohl niemand anders als Sie, General Giles Seeiso, als glücklich bezeichnen."
Alle Blicke im Saal wandten sich dem General und dem attraktiven Mann zu, der ihm gegenüberstand.
Obwohl neben diesen Männern hübsche Frauen saßen, die ihnen zu Diensten waren, konnten sie ihren Blick nicht von Arlans Gesicht abwenden. Es war nicht nur seine Schönheit oder sein schlanker Körper, es war die Art und Weise, wie er sich selbstbewusst und stolz präsentierte, weder unterwürfig noch arrogant.
"Oh! Ein Temperamentvoller. Der General hat heute ein Glückslos gezogen", flüsterte ein Offizier seinem Untergebenen zu.
"Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich versucht, einen Mann mit auf mein Zimmer zu nehmen", bemerkte ein anderer. "Ich frage mich, ob er sich zähmen lässt."
"Ich würde all diese Frauen für diesen einen Mann eintauschen."
"Die Frauen aus dem Dorf sind nichts im Vergleich zu ihm."
"Wenn der General fertig ist, nehme ich ihn mit in meine Gemächer."
Drayce' feines Gehör fing all diese Gemurmel auf und er war froh, dass Arlan es nicht hören konnte, denn wer weiß, was sein Freund sonst getan hätte. Drayce kannte die wütende Seite seines sonst so verspielten Freundes, die selten zum Vorschein kam, und war sicher, dass sie sonst köpfungsreif wären – Scheiß auf den Plan. Immerhin war Arlan ein Prinz; er hatte die Würde eines Königs.
General Giles grinste, als sein lüsterner Blick über Arlans betörendes Gesicht wanderte. Der General hob eine grobe Hand, um Arlans Gesicht zu berühren, doch wie durch Zufall stolperte der vorbeigehende Diener und ließ das Holztablett fallen, Scheiben und Speisen auf dem Boden zerschmetternd.
Selbstverständlich war es Drayce, der ihn heimlich mit seinem umgehängten Schwert ins Stolpern gebracht hatte. Drayce wollte ganz sicher nicht, dass Arlan seine Königin wurde.
"A-Entschuldigung, General Giles." Der verängstigte Diener verbeugte sich immer wieder und bettelte den betrunkenen Mann um Gnade an.
General Giles starrte ihn wütend an, verschonte ihn dann aber, da er mehr Interesse an der Schönheit vor ihm hatte.
Der Diener nutzte die Gelegenheit, hastig die verstreuten Dinge vom Boden aufzusammeln. Ein anderer Diener eilte zur Hilfe, und dann machten sie, dass sie davonkamen.
Der unanständige Blick des Generals wanderte von Arlans Gesicht zu seinem Hals und dann herab zu seiner muskulösen Brust, die durch das teilweise geöffnete blaue Gewand zu sehen war.Arlan fühlte sich zu diesem Punkt zutiefst angeekelt, und es half auch nicht, dass das nächste Wort des Generals war:
"Köstlich!"
"Das bin ich!" bestätigte Arlan mit frechem Lächeln, was glücklicherweise verhinderte, dass der alte General seinen schmierigen Blick weiter nach unten wandern ließ, denn sonst hätte Arlan nicht gewusst, was er getan hätte.
Er ärgerte sich darüber, dass er sein bestes Stück gerade noch vor dem Schwert seines Freundes gerettet hatte, und nun musste er es schon wieder retten, diesmal vor diesem hässlichen, schweinegleichen General. Trotz seiner Kleidung fühlte er sich nackt und verletzt durch die Art und Weise, wie der General sein attraktives Äußeres von oben bis unten würdigte.
General Giles grinste Arlan an. "Ein ganz schön kühner Liebhaber, nicht wahr? Noch nie hat es eine Kurtisane gewagt, sich mir zu widersetzen, und du hast dich nicht einmal vor mir verbeugt."
"Die Nacht ist noch jung. Es wird nicht zu spät sein, Ihnen später meinen Respekt zu erweisen, General. Je nachdem, wie der Abend verläuft; vielleicht werde ich Ihnen mehr als eine Verbeugung zeigen", antwortete Arlan mit einem spielerischen Lächeln und erwiderte den Blick von General Giles mit einer gehobenen Augenbraue.
"Bezweifelst du etwa, dass ich dich angemessen zufriedenstellen kann?" fragte der General.
"Wie bereits gesagt, die Nacht ist noch jung. Der General hat viele Gelegenheiten, meine Zweifel zu zerstreuen", entgegnete Arlan selbstsicher.
"Ich werde dich zuerst veranlassen, dich vor mir zu verbeugen, und später wirst du es tun", sagte der General von Thevailes, überzeugt von sich selbst.
"Das kann uns nur die Nacht zeigen", gab Arlan herausfordernd zurück.
Das Grinsen auf dem geröteten Gesicht des Generals wurde noch breiter, wodurch die Pockennarben auf seinen Wangen noch hässlicher wirkten.
"Interessant!" General Giles zog eine kleine Glasflasche, die mit einem hölzernen Knauf versiegelt war, aus seiner Tasche. "Siehst du das hier?"
Arlan warf einen Blick darauf, um zu erkennen, was es war.
Der alte General erklärte: "Wenn ich nur eine einzige Pille aus dieser Flasche schlucke, reicht das aus, um dich die ganze Nacht knien zu lassen. Aber da du so besonders bist, scheue ich mich nicht, zwei davon zu nehmen, damit du die nächsten zwei Tage weiter vor mir kniest."
Arlan verstand, worauf es hinauslief, und verfluchte diesen abscheulichen Mann in Gedanken, doch er musste seine Fassung bewahren. Ohne negative Emotionen auf seinem Gesicht zu zeigen, konnte Arlan nur lachen, um seinen Abscheu zu verbergen. "Leider! Ich kann es kaum erwarten, aber vielleicht sollte ich den General daran erinnern, dass es nötig sein könnte, eine ganze Flasche hinunterzuspülen."
"Zu viel Selbstsicherheit, hmm? Du scheinst noch nie jemandem wie mir begegnet zu sein", lachte der General erneut.
"Es scheint, als wäre auch der General noch nie jemandem wie mir begegnet. Ich werde dafür sorgen, dass der General diese Nacht nie vergisst", sagte Arlan mit einem Lächeln, das kein Lächeln war. Seine Worte trugen eine verborgene Bedeutung, die nur Drayce verstand, aber er empfand keine Mitleid für den Schweine-artigen General.
"Es wird ein Vergnügen sein, dieses Selbstvertrauen zu brechen. Wollen wir nicht gleich beginnen?"
"Der beste Wein wird zuletzt serviert, General", erwiderte Arlan mit einem Hauch von Suggestion. "Ich möchte den General darum bitten, mich ihm zuerst mit dem Wein des Marquis aufwarten zu lassen. Ich versichere Ihnen, selbst der gewöhnlichste Wein wird hervorragend schmecken, wenn er von mir serviert wird."
"Sehr wohl!" Der General von Thevailes stimmte zu und wandte sich ab, um zu seinem Platz am Kopfende der Festtafel zurückzukehren.
Arlan murmelte unter seinem Atem: "Findet ihn schnell. Ich habe nicht genügend Geduld, um es lange mit diesem Dreckskerl auszuhalten."