Sie mussten sich jetzt bewegen. Sie hatte sich jedoch wieder so an ihn gelehnt, wie sie es immer getan hatte, und binnen weniger Sekunden waren die letzten fünf Jahre und all die schrecklichen Dinge, die er getan hatte, vergessen. Sein Körper war angespannt und sein Atem stockte.
Das Auto war schon weitergefahren und bog in die nächste Straße ein, um erneut ihre Runden zu drehen. Sie hätten nur wenige Sekunden Zeit bis es zurückkam. Er musste sie von hier wegbringen, denn das Team würde schon bald nach ihr suchen.
Dennoch bewegte er sich nicht.
Er hatte seine Hand bereits von ihrem Mund genommen und seinen Griff gelockert, aber jetzt ließ er seine Hände zu seinen Seiten fallen. Er wartete, aber sie bewegte sich nicht weg. Sie standen da, wie sie es immer getan hatten, es passte einfach zusammen, so als wären sie aus demselben Guss.
"Zev?" flüsterte sie diesmal seinen Namen, ihre sanfte Stimme lief wie ein liebkosender Hauch über seine Haut. Er fühlte es wie Fingerspitzen, die seine Wirbelsäule hinauffuhren und seinen Atem stocken ließen.
"Wir müssen uns beeilen, jetzt. Sie werden in einer Minute wieder da sein." Es waren die ersten Worte, die er seit Jahren zu ihr gesagt hatte, und der Kampf gegen alle seine Gefühle, zusammen mit der Angst um sie, machte seine tiefe Stimme schärfer als beabsichtigt.
Sie spannte sich an, dann sah sie langsam zu ihm auf, ihr Haar wehte in seinem Gesicht, seine Brust berührend, als sie sich zwischen seinen Füßen drehte.
"Bist du es wirklich?" hauchte sie.
"Ich bin es wirklich."
Die Sehnsucht, ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen, ihren Mund mit seinem zu versiegeln und ihre Körper erneut aneinander zu pressen, war so stark, dass er erschauderte. Doch er zwang sich zur Zurückhaltung. Sie mussten sich bewegen. Doch zuerst musste er den Zauber von ihrem Blick auf ihm durchbrechen.
Wie viel von seinem Gesicht konnte sie in diesem Licht erkennen? Wahrscheinlich nicht viel, vermutete er.
Doch sein verdammtes Sehen … für ihn war sie kristallklar, ihre blauen Augen weit geöffnet und ungläubig, ihr leicht geöffneter Mund, ihre weiche und schlaffe Unterlippe, die darauf wartete, dass er ...
Dass er ihren Schlag nicht kommen sah, zeigte seine Verunsicherung.
Als ihre Handfläche auf seine Wange knallte, hallte es in seinem Kopf nach, aber er ertrug es. Bewegte sich nicht. Er presste nur seine Zähne zusammen gegen den Schmerz und schaute sie an, flehte sie stumm an es zu verstehen, obwohl er wusste, dass sie es nicht konnte.
Ein ganzes Leben war in den letzten fünf Jahren vergangen. Sie konnte es nicht einmal erahnen…
Sie holte aus, um erneut nach ihm zu schlagen, aber diesmal fing er ihr Handgelenk mühelos ab und es riss ihn aus seiner Starre.
Sie verschwendeten Zeit.
Ihre Augen weiteten sich noch mehr – vor Wut oder Angst, er war sich nicht sicher. Wahrscheinlich beides.
"Du kannst mich später ohrfeigen. Jetzt müssen wir uns bewegen", knurrte er und zerrte sie, ohne ihr Handgelenk loszulassen, in Richtung Treppe.
"Was? Was machst du..."
Er wirbelte rum und legte ihr erneut die Hand auf den Mund.
Ihre Augen weiteten sich so sehr, dass er das Weiße drumherum sehen konnte. "Du kannst mich hassen, wenn du willst", flüsterte er. "Aber wenn die Männer in diesem Auto uns finden, bist du tot und ich werde eingesperrt. Also bitte… bitte, Sasha, geh. Folge mir und stell keine Fragen. Ich bringe uns in Sicherheit und dann … dann kannst du mich so oft ohrfeigen, wie du willst."
Er wartete nicht auf eine Antwort, ging die Treppe hinauf, zog sie hinter sich her.
Sie konnte sich nicht so schnell oder lärmlos bewegen wie er, dass musste er sich merken. Er musste sie auf eine Weise von hier wegbringen, die sie verkraften konnte.
Aber gerade als sie die Straße erreichten, hörte er das Geräusch des Autos, dass sich wieder näherte – bereits in der Seitenstraße, in der er sich zuerst versteckt hatte. Sie würden in Sekundenschnelle da sein und er hatte sie immer noch im Freien.
Ohne nachzudenken, zerrte er Sasha die Straße hinauf, genau da wo das Auto auftauchen würde, drei Eingänge weiter, flüsterte ihr eine Entschuldigung zu, als sie aufschrie, zerrte sie jedoch weiter und dann wieder runter in den nächsten Kellereingang.
Er legte seinen Arm um ihre Taille und warf sie praktisch in die enge Türöffnung, die von der Treppe überschattet wurde, die zur Eingangstür der Wohnung darüber führte, stellte sich dann zwischen sie und die Straße, seine Arme weit ausgebreitet, sodass sie nicht an ihm vorbeikam, und drehte sich der Straße zu, betend, dass sie einen weiteren Kreis drehen.
Die Wohnung ihrer Freundin war drei Türen weiter auf der anderen Straßenseite. Sie bräuchten mindestens dreißig Sekunden, um dorthin zu kommen.
"Hast du den Tür-Code für Robs Wohnung?" flüsterte er ihr zu.
Sie holte Luft. "Wie weißt du überhaupt—"
"Sasha! Antworte einfach, schnell! Kannst du rein ohne zu klingeln?"
Sie blinzelte. "Ja. Aber es gibt —"
"Egal", presste er hervor. "Sobald sie um den Block gefahren sind, rennen wir. Hast du verstanden? So schnell, wie nur deine Beine dich tragen können. Geradewegs zu seinem Haus und du gehst rein, selbst wenn ich nicht da bin."
"Was?! Wo willst du hin?"
"Ich gehe mit dir", zischte er, "Aber wenn irgendetwas passiert, geh ins Haus und verlasse es nicht, egal wer klingelt, hast du verstanden? Ich muss—"
"Nein, Zev, ich verstehe nicht!" flüsterte sie und schrie fast. "Wo kommst du her? Wie wusstest du, dass ich hier bin? Wie weißt du von Rob?"
"Ich erkläre dir alles später," sagte er, als die Lichter des Autos erneut vorbeifuhren, diesmal deutlich langsamer. Er verfolgte das Auto mit seinen Augen, betend, sie würden weiterfahren, dass sie sich unterhalten oder abgelenkt würden oder… irgendwas. Und ausnahmsweise sah es so aus, als würde Gott ihm zuhören, denn das Auto blinkte und bog langsam in die nächste Straße ab.
"Aber—"
Er gab ihr keine Gelegenheit zu widersprechen, rannte nur aus der Tür – ihre Hand wieder in seiner – und die Treppe zur Straße hoch. Sie stolperte auf dem Weg nach oben, aber er brachte sie mühelos wieder auf die Beine und sie waren am Laufen, er drängte sie vorwärts, verlangsamte sein Tempo, um Schritt mit ihr zu halten, seine Hand auf ihrem Rücken, drehte sich, um hinter sich zu schauen — und fluchte, als er das Auto aus der Straße auftauchen sah, in die sie gerade eingebogen waren. Sie hatten umgedreht und kamen zurück!
Ihr Straßenschuhe klatschten auf den Zement der Straße, dann auf den gegenüberliegenden Gehweg und er war ihr dicht auf den Fersen.
Der Grollen vom Motor des Autos konnte man in der Entfernung hören und er fluchte, warf sie praktisch die Treppe zu Robs Wohnungstür hoch und blieb dann über ihr stehen, beobachtete, wie das Auto auf sie zuraste, fast lautlos, wie ein schwarzer Panther, der seine Beute jagt.