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Chapter 53 - Alter Mann

Fast ein Jahr war nun vergangen, seit ich in die Avrion-Akademie eingetreten war. Das hieß, unsere Grundausbildung zum Ritter neigte sich dem Ende zu und wir würden im nächsten Jahr in das zweite Jahr an der Akademie wechseln. Wir mussten unsere Schärpenausbildung noch fortsetzen und ich musste die Ausbildung zum Drachenritter noch absolvieren.

Die Ausbildung zum Drachenritter entsprach nicht ganz meinen Erwartungen. Sie hatten extra einen Lehrer von der Roland-Akademie eingeflogen, um uns Magie beizubringen. Doch als sich kein Erfolg einstellte, versuchten sie, uns bis an unsere körperlichen Grenzen zu treiben, in der Hoffnung, dass sich so etwas ergeben würde. Jeden Tag probierten wir etwas Anderes aus und es fühlte sich mehr so an, als wären wir Versuchskaninchen anstatt Trainierende. Ganz gleich, was passierte, sie schienen nicht zufrieden mit den Ergebnissen, die wir lieferten.

Das Jahr neigte sich dem Ende zu und die letzte Wintersaison war hereingebrochen. Der Schnee wurde tiefer und an den Gebäuden bildeten sich massive Eiszapfen. Nicht alle Studenten hatten es bis zum Ende geschafft. Einige fanden es zu hart, mit den Anforderungen des Trainings Schritt zu halten, da sie entweder zu faul oder unfähig waren. Andere hingegen hatten gegen die Regeln der Avrion-Akademie verstoßen und waren daher der Schule verwiesen worden.

Die meisten meiner Informationen über die Avrion-Akademie erhielt ich von einer Person namens Kyle. Es kam mir so vor, als wäre Kyle inzwischen unser achter Mitbewohner geworden, da er mehr Zeit in unserem Raum mit uns verbrachte als in seinem eigenen. Er war noch immer der Alte, immer auf dem neuesten Stand, was das Stadtgespräch betraf.

Unter den Studenten kursierten Gerüchte, dass die dunkle Gilde die Avrion-Akademie infiltriert hatte. Dass einige Ritter heimlich für sie arbeiteten. Einige behaupteten sogar, dass die Ritter auf dem Schlachtfeld in großer Zahl verloren gingen und dass die Schattenpest begann, sich über die Grenzen hinweg auszubreiten.

Natürlich wurden diese Informationen den Studenten nicht weitergegeben und kamen nur durch Gerüchte zustande, so dass es schwer zu bestätigen war, ob diese wahr waren oder nicht. Was wir jedoch wussten, war, dass immer mehr Treffen zwischen den Rittermeistern einberufen wurden und dass die Anzahl der Ritter in der Stadt scheinbar zurückgegangen war.

Ich war ein wenig größer und muskulöser geworden und ich würde sagen, dass meine Schwertfähigkeiten jetzt anständig waren. Ich war mittlerweile ebenbürtig mit Gary, wenn es um unsere Schwertfähigkeiten geht, aber es fühlte sich an, als hätte ich eine Wand erreicht. Wenn ich jetzt gegen Harry kämpfen würde, wusste ich, dass ich keine Chance auf einen Sieg hätte.

Damit waren mir letztendlich drei verschiedene Möglichkeiten geblieben, meine Stärke zu verbessern. Ich musste lernen, wie ich das Ki in meinem Körper und in meinem Schwert nutzen kann, mehr Drachenfähigkeiten freischalten oder mehr Tierkristalle sammeln.

Die erste Option erforderte, dass ich einen Lehrer finde oder darauf warte, dass die Akademie mich unterrichtet. Bei der zweiten Option hatte ich immer noch keine Ahnung, wie ich meine Drachenfähigkeiten freischalten konnte. Also blieb die letzte Option, die am einfachsten war. Diese Chance würde sich bald bieden, da die Schüler im zweiten Jahr in den umliegenden Ländern des Königreichs jagen gehen mussten.

Nachdem das Training beendet war, wurde es für mich zur Routine, mich abends alleine auf dem Dach zu entspannen. Die anderen unterhielten sich weiterhin über die Ereignisse in Avrion und gewöhnten sich an meine Abwesenheit.

Als ich auf die Stadt hinunterblickte, fiel mir etwas Seltsames auf. Unten ging ein alter Mann alleine durch die Nacht. Pensionierte Ritter durften in der Stadt bleiben, was also kein ungewöhnlicher Anblick war. Die Stadt war sicher, denn nur Ritter durften hier wohnen. Das machte Verbrechen sehr selten.

Was mir jedoch auffiel, war das, was sich hinter dem Mann befand. Eine Gruppe von vier Personen schien ihm zu folgen. Ich hatte sie schon eine Weile beobachtet, um meinen Verdacht zu bestätigen. Anscheinend war die Stadt doch nicht so sicher, wie ich dachte. Menschen waren eben doch immer noch Menschen und taten einander grundlos grausame Dinge an.

Eigentlich wollte ich mich nicht einmischen, da es mich nichts anging, aber irgendetwas störte mich. So beschloss ich, meine Drachenaugen-Fähigkeit zu aktivieren, um zu sehen, was los war.

Ich hasste es, wenn mein Instinkt recht hatte, denn jeder der vier Personen, die dem Mann folgten, hatte eine gemischte Aura. Die Farben, die von ihren Körpern ausstrahlten, waren gelb und violett gemischt. Zweimal hatte ich bereits eine violette Aura gesehen, das erste Mal bei meinem Vater und das zweite Mal beim König der Tropfenbären. Das konnte nur bedeuten, dass es die Schattenpest war.

Nachdem, was mit meinem Vater passiert war, waren sie zu meinen Feinden geworden. Es war an der Zeit, dass ich ihnen selbst ein paar Fragen stellte.

Ich kletterte schnell vom Dach des Gebäudes herunter und nutzte dabei die Vorsprünge und Risse in den Wänden. Ich entschied mich dafür, auf den Dächern der Häuser zu bleiben, während ich durch die Stadt ging. So konnte ich mich besser positionieren und hatte einen besseren Überblick. Ich ging schnell dorthin, wo ich den alten Mann gesehen hatte.

Endlich hatte ich den alten Mann eingeholt, die Gruppe von Menschen folgte ihm nach wie vor aus einiger Entfernung. Es war, als warteten sie auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen.

Dann tat der alte Mann etwas Unerwartetes: Er beschloss, in eine Gasse zwischen zwei Häusern zu gehen, in der sich keine Menschen aufhielten. Als würde der alte Mann den Tod herbeisehnen. Es war offensichtlich, dass die Gruppe diese Gelegenheit nutzen würde, um ihn anzugreifen.

Als der alte Mann die Gasse betrat, folgte ich ihm auf dem Dach. Wie ich erwartet hatte, versperrten ihm zwei Personen den Weg, als er ein gutes Stück in die Gasse hineingegangen war und zwangen ihn zum Umdrehen. Der Mann drehte sich um und zwei weitere Personen standen nun da und versperrten ihm den Rückweg. Er war gefangen.

"Ich fürchte, Sie werden uns begleiten müssen, alter Mann."

Der alte Mann sah sich bei den Leuten um, die ihn umgaben.

"Ich schätze, die Gerüchte über die Infiltration von Avrion durch die Dunkle Gilde waren doch wahr."

Für einen Moment dachte ich, ich hätte den alten Mann falsch verstanden. Die Dunkle Gilde? Ich war verwirrt. Diese Leute waren eindeutig von der Schattenpest infiziert. Hatte die Dunkle Gilde etwas mit der Schattenpest zu tun oder hatte der alte Mann sie einfach mit der Dunklen Gilde verwechselt?

Einer der Männer begann zu lachen.

"Ihr seid so ahnungslos. Die Dunkle Gilde wird bald Avrion übernehmen und keiner wird sie stoppen können."

"Einer gegen vier, das wird schwierig, aber ich werde nicht kampflos aufgeben."

Der alte Mann klang selbstbewusst, doch die Aura, die von den vier Personen ausging, war stark. Höchstens zwei hätte er ausschalten können und der alte Mann schien keine Waffen bei sich zu haben.

Obwohl ich mir nicht zutraute, sie selbst auszuschalten, hatte ich Vertrauen in meine Fähigkeiten mit der schwarzen Schärpe, falls ich in Schwierigkeiten geriet. Das Wichtigste war, meine Identität vor ihnen zu verbergen, nur für den Fall, dass sie doch den nächsten Tag noch erleben würden. Ich zog meine schwarze Schärpe schnell ab und schnitt sie in zwei Teile, so dass sie sich zu einem langen Band formte, ähnlich einem Schal.

Ich wickelte die Schärpe um mein Gesicht und bedeckte damit meinen Mund und meine Nase. Ich trug meine schwarze Schärpe mit Kapuze, so dass meine Haare gut bedeckt waren.

Ich sprang vom Dach des Gebäudes und landete neben dem alten Mann.

"Warum probieren wir es nicht mit zwei gegen vier?"