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Chapter 72 - Peinlich

Für die Menschen, die an das Leben auf einem Planeten gewöhnt sind, bedarf die Vorstellung von Raumreisen einer gewissen Erklärung. Trotz der Unendlichkeit der Galaxie besteht diese größtenteils aus leerem Raum, mit einigen Sternen dazwischen. Durch ihr gewaltiges Ausmaß sammeln sich diese 'einigen' Sterne zu Abermilliarden an.

Von einem Stern zum nächsten zu reisen nimmt, selbst mit FTL, viel Zeit in Anspruch. Es ist nicht so, dass FTL-Reisen zu langsam wären, sie erfordern jedoch eine Menge Berechnungen und Präzision, um das richtige Ziel zu erreichen. Ein Abweichung von nur einem Prozent bei den Koordinaten könnte ein Schiff um hunderte Lichtjahre vom Kurs abbringen.

Nur durch essentielle Hafensysteme können Schiffe ihre Navigation beschleunigen. Ähnlich wie Leuchttürme im Dunkeln, ermöglichen sie es fernen Schiffen, eine Position viel einfacher anzuvisieren, ohne das Risiko zu groß ist, das Ziels zu verfehlen.

Ein hochmoderner Raumgleiter wie die Torch of the Vanguard ist in der Lage, die enormen Berechnungen durchzuführen, um ganze Staaten zu durchqueren. In dem Moment, in dem sie in den FTL-Modus übergeht, ist sie auf dem Weg zu einem Sternensystem eines Nachbarstaates. Ihr moderner FTL-Antrieb verkürzt eine beeindruckende Distanz von Dutzenden Lichtjahren auf eine Reise von lediglich zwei Tagen.

Doch Weder Ves, Dietrich, noch irgend ein anderer Passagier schenken der unglaublichen Geschwindigkeit des Schiffes Beachtung. Eine Technologie wie diese ist üblich, wenn auch teuer.

Anstelle dessen, verschleppen Dietrich Ves zur Hälfte in eine der vielen Bars des Raumschiffes. Da es immer noch universeller Tag ist, wirkt die recht schlicht aussehende Trinkstube eher karg. Die meisten Gäste tragen die Uniform der Townsend Spacelines, ihre engen Kragen geöffnet und ihre Gesichter entspannt, da sie eine Pause genießen.

"Hallo! Zwei Crincho's, bitte!"

Der menschliche Barkeeper zapft ein paar Biere und schiebt sie über den Tresen. Dietrich schnappt sich einen Becher und trinkt einen großzügigen Schluck. "Ah, dieses Crincho ist viel besser als das Gesöff in unserer Stammkneipe. Unser Lieferant zieht uns über den Tisch!"

"Es ist nicht gerade günstig, Waren zu unserem Planeten zu verschiffen." sagt Ves, während er einen kleinen Schluck nimmt, immer noch etwas unbehaglich. "Und es ist nicht so, dass unser Planet besonders reich ist. Wir können uns nicht so viel leisten wie ein Bentheimer."

Sie bedauern beide kurz die schwache Wirtschaft des Planeten Cloudy Curtain. Dem System fehlt eine robuste industrielle Basis, welche billige Rohstoffe in teure Endprodukte verwandeln könnte. In Bezug auf Ressourcen, enthalten die Asteroidenfelder nur gewöhnlichen Schrott wie Eisenerze und Eis. Auch die Planeten können sich nicht auszeichnen.

In einem Universum mit Milliarden von Sternen, mangelt es der Menschheit nicht an grundlegenden Ressourcen. Jeder x-beliebige Konzern könnte eine Bande Bergleute anheuern und sie auf einem beliebigen, noch nicht beanspruchten Sternensystem absetzen. Nein, das auf was die meisten Menschen heutzutage Wert legen, sind exotische Ressourcen. Diese werden immer seltener, je weiter man sich vom Zentrum der Galaxie entfernt. Die Helle Republik liegt zufällig am Ende eines galaktischen Arms.

"Pssst." Dietrich stößt Ves in die Seite und nickt in Richtung eines einfahrenden Pärchens. "Hühner gesichtet auf drei Uhr."

Ves hebt eine Augenbraue und wollte so etwas wie 'na und?' sagen, aber eine Hand zerrt ihn plötzlich von seinem Barhocker. Die beiden jungen Männer gehen schnell auf das Mädchenpaar zu.

Obwohl informell gekleidet, sehen die beiden Frauen bezaubernd aus. Die beiden rabenschwarzen Göttinnen ähneln sich so sehr, dass sie Schwestern sein müssen. Die Größere ist sportlicher und schaut nicht auf ihren freigelegten Bauch. Die Kleinere ist konservativer gekleidet, hat aber einen kurvigeren Körper. Beide unterbrechen ihr Gespräch und betrachten die herannahenden Jäger.

"He, Ihr hübschen Damen, was führt euch denn zu unserem großartigen Raumschiff?"

Die Mädchen kichern beide hinter vorgehaltenen Händen. Die ältere Schwester nimmt das Wort. "Ach, Ihr wisst ja, besorgte Eltern, die uns an einen sicheren Ort schicken wollen."

Dietrich macht weiterhin der älteren Schwester schöne Augen, offensichtlich die jüngere Ves überlassend.

Er schluckt kurz und sagt dann, "He, wie ist dein Name?"

"Rose. Rose Allemaier."

"Und was machst du so im Leben?"

"Ich bin in meinem letzten Jahr, um meinen Abschluss in Terranischer Ökologie zu machen. Und du?"

"Ich bin ein unabhängiger Mech-Designer. Ich habe mein Geschäft erst vor ein paar Monaten gegründet und konnte bereits einige Verkäufe erzielen."

Ves prahlt ein wenig mit seinen Leistungen, doch Roses Augen werden langsam glasig. Da er ihr Desinteresse bemerkt, wechselt er das Thema. Er bemüht sich, Roses Interesse zu wecken, aber er kann nicht beurteilen, ob ihm das gelingt.

In der Zwischenzeit kommen Dietrich und die älteren Schwester, die Piper heißt, bestens miteinander aus. Er legt sogar seine Hand um ihre Hüfte und zieht sie näher zu sich.

Er wünschte, er hätte Lucky mitgenommen, anstatt ihn in der Hütte faulenzen zu lassen. Als Ves ein zögerndes Gespräch mit der zurückhaltenden Rose führt und nicht viel über das Mädchen herausfindet.

"Es war nett, aber wir müssen zurück zu unseren Eltern." Sagt Piper und tauscht mit ihrem Kommunikator die Kontakte mit Dietrich aus. "Man sieht sich!"

Als die beiden Frauen gehen, starrt Dietrich Ves an und kratzt sich am Kopf. "Mann, wenn ich euch beide so herumstolpern sehe, ist es mir peinlich, dich als meinen Freund zu bezeichnen. Bist du in einer Höhle aufgewachsen oder was?"

"Ich hab fast meine ganze Energie in meine Karriere investiert. Ich konnte es mir nicht leisten, mich von Mädchen ablenken zu lassen."

Der Little Boss starrt Ves an, als wäre er ein Alien. "Mann, das klingt traurig. Du solltest öfter rauskommen. Dies sind die besten Jahre unseres Lebens. Warte nicht bis du Falten hast, bevor du anfängst, dich im Dating-Dschungel zurecht zu finden. Dann ist es viel zu spät!"

Er schwätzt weiter über die Kunst, Mädchen aufzureißen. Der Mann spricht mit Begeisterung und zieht ein paar gleichgesinnte Männer an, die ihm großzügige Ratschläge geben. Es wird zu einer kleinen Show, in der sie alle versuchen, dem Streber beizubringen, wie man sich mit dem anderen Geschlecht versteht.

Ves hört nur halb zu, was alle in ihrem betrunkenen Zustand sagen, da er mehr darüber nachdenkt, wie er seine stetig anwachsenden Design-Punkte ausgeben sollte. Mit dem Ruhm seines Modells, der seine Verkäufe steigert, kann er sich leisten, seine Grundlagen zu festigen. Vergiss darüber ins Bett zu hüpfen mit Mädchen, er würde lieber in einen Pool mit DP springen."Du meine Güte, du bist ja rettungslos verloren. Egal." schloss Dietrich, während er seinen leeren Becher wegschmiss. "Lasst uns die Geschäfte erkunden. Ich bin gespannt, was für edle Sachen hier zu finden sind. Vielleicht gibt es sogar Waren, die nur in der Freitagskoalition zu finden sind."

Die Boulevards entlang der Hauptpassagen boten hochwertige Produkte zu noch höheren Preisen an. Jedes Geschäft gab seine Preise in Koalitionskrediten, kurz Cols, an. Ein Bekleidungsgeschäft verlangte fünfzigtausend Cols für ein einziges Herrenoutfit, während ein Eiscafé Luxus-Eissorten für tausend Cols pro Kugel anbot.

"Wie ist der Wechselkurs?"

Ves holte seinen Kommunikator hervor und programmierte ihn so, dass er jeden Preis in Cols, den er sah, automatisch umrechnete. Ein Overlay in seinen Augen fügte unauffällig die Preise in hellen Krediten hinzu.

Er fluchte ein wenig über den lächerlichen Kurs. "Er liegt bei fast hundert zu eins. Füge einfach zu jedem Col-Preis, den du siehst, zwei Nullen hinzu."

Das bedeutete, dass das Herrenoutfit fünf Millionen helle Credits kosten würde. Um es in Perspektive zu setzen, könnte Ves mit so viel Geld ein Viertel eines Mechs bauen.

"Diese Typen sind verdammt verschwenderisch. Das stellt das Geld, das wir für die Überfahrt gezahlt haben, in den Schatten."

"Ich habe das Gefühl, dass diese Raumfahrtgesellschaft nie beabsichtigt hat, ihre Gewinne aus den Ticketpreisen zu scheffeln. Das hier ist praktisch eine Stadt im Weltraum. Die Passagiere hier bezahlen dafür, das Leben in der Koalition zu erleben."

Wenn die Fackel der Vorkämpfer ein Mikrokosmos der Koalition war, dann bedeutete das, dass unser gesamter Reichtum uns in die untere Mittelschicht einordnete, was den Wohlstand betrifft. Mit anderen Worten, wir waren Niemande.

"Mit so viel Geld, das für Luxusgegenstände ausgegeben wird, frage ich mich, warum diese Zweitklassigen Staaten nicht alle drittklassigen Nachbarstaaten aufgeräumt haben."

"Es lohnt sich nicht. Das Geld, das benötigt wird, um ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten, ist im Vergleich zu dem Reichtum, den sie aus unseren ärmeren Gebieten erzielen können, nicht tragbar."

Das war die einfache Erklärung. Ves war sicher, dass andere Bedenken diese zweitklassigen Riesen zurückhielten. Aber was er sagte, stimmte immer noch. Ohne ausreichende exotische Ressourcen hatten die zweitklassigen Staaten keinen Anreiz, ihre Territorien zu erweitern. Es war wie das Anschließen an eine Müllhalde. Es stank und versaut ihnen die Aussicht.

Die hohen Preise trübten ihre Lust am Schaufensterbummel. Sie trennten sich, als Ves zurück in seine Kabine wollte. Da seine Sicherheit gewährleistet war, konnte Dietrich den Unterbauch des Schiffs erforschen, wo unterschiedliche Arten von Blutsport und Duellen stattfanden.

"Viel Spaß da unten, und lass dich nicht in irgendwelche Wetten verwickeln. Ich brauche dich noch, um mich nach Leemar und zurück zu begleiten."

"Keine Sorge, ich werde schon klar kommen, Mama." Dietrich rollte mit den Augen. "Du hast mein Funkgerät, also ruf mich an, wenn du Unterstützung brauchst."

"Ich bin mir sicher, dass die Sicherheitskräfte des Schiffs die meisten Vorfälle in den Griff bekommen können. Obwohl die Chancen gering sind, mache ich mir mehr Sorgen um Piraten und andere Raubzüge. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, scheint sich der lokale Sternensektor immer mehr aufzuheizen."

Als Ves die Nachrichten verfolgte, erfuhr er, dass der Vorfall in Bentheim kein Einzelfall war. Verschiedene andere drittklassige Staaten wurden von ähnlichen beunruhigenden Vorfällen heimgesucht. Auf einem Planeten explodierte die Treibstoffraffinerie, was zu massiven Schäden und einem hohen Verlust an Menschenleben führte.

Was Ves merkwürdig fand, war, dass die Gruppen, die diese Terroranschläge durchführten, alle unterschiedlich aussahen. Die Gruppe, die in Bentheim zuschlug, protestierte gegen die korrupten galaktischen Konzerne, die angeblich die Helle Republik aus den Schatten manipulierten. Eine andere Terrorgruppe in einem anderen Staat kämpfte für die Rechte ausgebeuteter Bergarbeiter.

"Wer glaubt, dass diese Gruppen nicht miteinander in Verbindung stehen, dann fresse ich mein Kommunikationsgerät."

Er verschwendete keine Zeit mehr mit den Nachrichten und wandte sich stattdessen der MTA zu. Als Organisation, die sich mit allem rund um Mechs befasst, bot sie Mech-Designern viele Dienstleistungen an. Ves hatte sich bereits um die Zertifizierung gekümmert. Jetzt wollte er auf ihre offene Bibliothek zugreifen.

"Es ist schon großzügig von Direktor Chandler, mir ein paar Bücher kostenlos zur Verfügung zu stellen. Er hat mir gezeigt, dass es noch viel aus Büchern über das Universum zu lernen gibt."

Natürlich kann das von einem fähigen Lehrer vermittelte Wissen das Auswendiglernen nicht ersetzen. Auch die in der offenen Bibliothek verfügbaren Bücher hatten ihre Grenzen. Als Ves sich im virtuellen Bibliotheksbereich der MTA anmeldete, hatte er Zugang zu vielen Büchern. Er sah aber auch, dass die meisten Bücher sich auf Grundlagenwissen und Kernkenntnisse konzentrierten. Neuestes, firmeneigenes Wissen fehlte in der Bibliothek völlig.

"Zum Glück muss ich mich nicht auf andere verlassen, um meine Fachkenntnisse zu entwickeln. Grundlagenwissen ist für mich ausreichend. Mit Hilfe der Bibliothek kann ich meine plötzlichen Fähigkeitenverbesserungen in Mechanik und anderen Bereichen nachweisen."

Da er kürzlich seine Fähigkeiten in Mechanik auf Gesellenniveau verbessert hatte, wollte er sein neu erreichtes Niveau durch das Lesen zusätzlicher Bücher stabilisieren. Er filterte die meisten Bücher zu anderen Themen aus und beschränkte sich auf die meistverkauften Anfängerbücher auf Gesellenniveau.

KÜNSTLICHE MUSKULATUR - WIE MAN SCHNELLER WIRD, von Meister Ricardo Takanata. Preis: 153.623 helle Credits.

DIE KRÄFTE, DIE ZWEIBEINIGE MECHS ANTREIBEN: EIN AUSGEWOGENER ANSATZ, von Meister R.I. Ulmer und Meister F.M. Smith. Preis: 346.535 helle Credits.

DER HANDBUCH DES GESSELLEN ZU MECH-MOTOREN, 74. AUFLAGE, von Meister Elia James, Meisterin Alice Coventry und Meister Christopher Lin. Preis: 86.232 helle Credits.

Ves'a Herz blutete förmlich, als er seine kostbaren Credits für diese Bücher ausgab. Die meisten der Meister, die diese Bücher verfasst oder herausgegeben hatten, waren renommierte Mech-Designer, die an der Spitze der Mech-Industrie standen. Die drei Bücher, die Ves ausgewählt hatte, bildeten das Kernwissen der Mechanik auf Gesellenniveau und selbst mit seinem durch das System verbesserten Gedächtnis konnte er aus diesen Büchern immer noch viel lernen.

Die Preise waren ursprünglich in verschiedenen Währungen angegeben. Vielleicht waren sie für diejenigen, die in zweitklassigen Staaten lebten, angemessen. Aber für er war sich sicher, dass sich die Einkäufe auszahlen würden, wenn er das Wissen aufgenommen hätte. Aber es stellte immer noch einen großen Teil seiner Ersparnisse dar.

"Ich habe das Gefühl das Gefühl zu haben, wieder auf der Universität zu sein. Nun, solange das Schiff noch unterwegs ist, habe ich mehr als genug Zeit, um diese Bücher zu verdauen."

Gerade als er in seine Einkäufe eintauchen wollte, öffnete sich die Kabinentür. "VESSE! Du musst nach unten kommen! In einer Stunde werden sich zwei Mech der nächsten Generation duellieren! Sammle deine Credits und lass uns wetten gehen!"

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