Kapitel 7: Die Entscheidung liegt nah Teil 2
Die letzten Proben für das große Stück liefen auf Hochtouren, und die Kinder der Klasse waren aufgeregt. Jeder wollte sein Bestes geben, denn dieses Jahr markierte das Ende einer Ära – ihrer gemeinsamen Schulzeit mit Frau Wirsing. Während die meisten Kinder voller Eifer waren, schien Akio, der von der Aufführung ausgeschlossen worden war, gedanklich weit entfernt zu sein. Seine Mutter hatte ihn in den letzten Tagen immer wieder ermahnt, sich zu konzentrieren und die verbleibende Zeit mit seinen Klassenkameraden zu genießen. Doch Akio fühlte sich zunehmend isoliert.
Sophies Onkel Dimitrios, ein bekannter Reporter, war in der Schule, um ein paar Interviews mit den Schülern zu führen und die Proben zu dokumentieren. Sophie hatte ihre Rolle als die große Liebe der Prinzessin voller Stolz angenommen und nutzte jede Gelegenheit, um sich ins Rampenlicht zu stellen. Sie war überzeugt, dass dies ihre Chance war, sich zu beweisen – nicht nur als Schauspielerin, sondern als etwas Besonderes.
Als Dimitrios Sophie fand, strahlte sie bereits vor Vorfreude. „Hallo, meine kleine Sternchen-Nichte," begann er, das Mikrofon in der Hand. „Darf ich dir ein paar Fragen stellen?"
Sophie nickte, ihre Haltung aufrecht und königlich. „Natürlich, aber nur, wenn sie interessant sind."
Dimitrios lachte. „Gut, dann erzähl mir, wie es sich anfühlt, Teil dieses besonderen Projekts zu sein."
Sophie schien nachzudenken, bevor sie antwortete. „Es fühlt sich… großartig an. Ich meine, ich habe die beste Rolle im ganzen Stück. Wer würde das nicht lieben?"
„Die beste Rolle, sagst du?" Dimitrios lächelte. „Was macht sie denn so besonders?"
Sophie zögerte einen Moment. „Weil sie wichtig ist. Ohne die große Liebe wäre die Geschichte nicht komplett." Ihre Stimme klang stolz, doch ihre Augen verrieten, dass sie mit etwas rang.
„Es klingt, als würdest du diese Rolle sehr ernst nehmen," bemerkte Dimitrios. „Bedeutet sie dir etwas persönlich?"
Sophie errötete leicht und wandte den Blick ab. „Vielleicht. Es ist nur… ich glaube, jeder möchte so gesehen werden, oder? Dass jemand so für einen kämpft, wie die Prinzessin für ihre große Liebe kämpft."
Dimitrios nickte, als ob er die Tragweite ihrer Worte verstand, entschied sich jedoch, sie nicht weiter zu bedrängen. „Das ist eine sehr schöne Sichtweise. Ich bin sicher, du wirst alle beeindrucken."
Sophie richtete sich auf und lächelte wieder selbstbewusst. „Natürlich werde ich das."
Während Dimitrios weiter durch die Schule zog, um mit anderen Schülern zu sprechen, beobachtete Sophie heimlich Akio, der abseits mit Auron und Lirien sprach. Es war merkwürdig, ihn so ruhig zu sehen. Normalerweise war Akio laut und voller Energie, doch jetzt wirkte er, als trüge er eine unsichtbare Last. Sophie wusste nicht, warum, doch sie verspürte einen drängenden Wunsch, ihm zu helfen.
Sie überlegte, ob sie zu ihm gehen sollte, doch die Worte schienen ihr zu fehlen. Was sollte sie sagen? Und was, wenn er sie nicht ernst nahm? Ihre Gedanken drifteten ab, und sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie ihm einmal wirklich nahe sein könnte. Doch dann schüttelte sie den Kopf. „Das ist doch albern," murmelte sie zu sich selbst.
„Was ist albern?" fragte plötzlich Lirien, die Sophie unbemerkt beobachtet hatte.
Sophie zuckte zusammen. „Nichts! Ich dachte nur… über das Stück nach."
Lirien lächelte leicht. „Es wird bestimmt großartig. Du machst das super."
Sophie nickte, doch in ihrem Inneren fragte sie sich, ob Lirien wusste, worüber sie wirklich nachgedacht hatte.
Während die anderen Kinder weiter über ihre Rollen und die bevorstehende Aufführung sprachen, blieb Sophie für sich. Ihre Gedanken waren bei Akio, doch sie konnte nicht verstehen, warum er ihr plötzlich so wichtig war. Sie wollte ihm helfen, doch sie wusste nicht, wie. Es war ein Gefühl, das sie nicht erklären konnte – ein Bedürfnis, ihm zu zeigen, dass er nicht allein war.
Vielleicht, dachte sie, würde sie eines Tages den Mut finden, es ihm zu sagen. Aber heute war nicht dieser Tag.