Nachdem er William als seinen Meister akzeptiert hatte, begab sich Noah am nächsten Morgen frühzeitig zum Wächtergebäude, gemäß Williams Anweisungen. Am Vormittag zuvor hatte er seiner Mutter die Situation erklärt und als er die neuen blauen Flecken auf ihrem Körper sah, konnte er nicht anders, als traurig zu sein. Er betrat das Gebäude und ging direkt in den ersten Stock. Die Männer, die die Treppe bewachten, waren über seine Ankunft informiert und ließen ihn ohne Probleme passieren.
Noch bevor er seinen Fuß auf die letzte Stufe setzte, hörte er Williams Stimme am Ende des Flurs. "Du bist früh dran." Bei dem Anblick der gähnenden Gestalt, die nun im weißen Trainingsanzug sein Meister war, fühlte er eine gewisse Beklemmung. Er zeigte einen ernsten Gesichtsausdruck und verneigte sich leicht mit der linken Faust in der rechten Hand. "Dein Schüler war begierig zu lernen, Meister." William warf ihm nicht einmal einen Blick zu und gab ihm ein Zeichen ihm zu folgen.
Gemeinsam betraten sie einen geräumigen Raum mit Waffen an den Wänden und einigen vereinzelt aufgestellten Holzpuppen. Ein weiteres Gähnen unterdrückend, deutete William auf den Boden: "Setz dich, ich bin morgens nicht wirklich gut, also möchte ich alles nur einmal erklären, dann kannst du mir Fragen stellen." Noah setzte sich fast sofort im Schneidersitz auf den Boden. In seinen Augen war die Sehnsucht deutlich zu erkennen.
William ordnete kurz seine Gedanken und begann dann mit ernster Miene zu erklären: „Zuerst möchte ich sicherstellen, dass du verstehst, warum der Kapitän entschieden hat, dich in die Wache aufzunehmen. Wir können keine Leute haben, die andere Männer für ihre hart verdienten Techniken betrügen, besonders ein Kind wie du. Unter Abwägung von Vor- und Nachteilen haben wir beschlossen, dass es besser ist, deine Gier für unsere Bedürfnisse zu nutzen, anstatt dich zu bestrafen. Vergiss also nicht, dich beim Kapitän zu bedanken, wenn du ihn siehst."
Ein kalter Schweißtropfen lief Noah den Rücken herunter, als ihm klar wurde, wie unvorsichtig er gewesen war. "Die Kinderfassade funktioniert nicht gegen mächtige Leute oder vielleicht ist es ihnen einfach egal, dass ich ein Kind bin." "Als zweites wollen wir dir nichts schenken, ein Wächter muss Verdienste sammeln, um Belohnungen zu erhalten, und du wirst keine Ausnahme sein. Da du nun aber mein Schüler bist, werde ich dir zum Anfang etwas geben. Betrachte es als ein Darlehen, das du durch deinen Dienst als Wache zurückzahlen musst. Verstehst du mich? Du wirst für deine Familie Blut vergießen müssen, um das zu bekommen, was du willst."
Dann setzte William sich auf den Boden und zog einen Stapel Blätter aus seinem Trainingsanzug.„Ich werde dir eine Übungsmethode für das Bewusstseinsmeer geben und dich eine Kampfkunst und Körper-Stärkungsmethode - eine, die kein Dantian benötigt - aus denen auswählen lassen, die ich für dich zusammengestellt habe. Diese Zettel enthalten nur die allgemeine Beschreibung der Techniken, also komm näher und lies sie sorgfältig. Wähle diejenigen aus, die deinen Eigenschaften und Bedürfnissen entsprechen."
Noch bevor er die Blätter auf den Boden legen konnte, kniete Noah bereits vor ihm. "Dieser verdammte Junge ist nicht einmal so schnell gelaufen, als er vor mir weggerannt ist." Mit einem leisen Seufzer fügte William hinzu: "Denk daran, dass du die Körper-Stärkungsmethode wechseln musst, sobald du ein Dantian gebildet hast und dass die Kampfkünste den Atem benutzen, um ihre wahre Kraft auszudrücken. Du bist also vorerst auf den Atem beschränkt, den du in deinem Körper ansammelst."
Nach der letzten Warnung legte er die Blätter auf den Boden - die zur Körperstärkung auf der rechten und die zur Kampfkunst auf der linken Seite - und beobachtete mit einem leichten Lächeln, wie sein Schüler sie mit eifrigen Augen las. Es schien, als könnte er sie mit nur einen Blick aufnehmen. "Er hat sicherlich den Willen eines Kultivierenden, ich frage mich, wie weit er kommen kann."
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Übersetzt von: Alessandro Sica