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Verfluchte Segen: Walpurgisnacht

🇧🇷DukeVanPumpkin
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Synopsis

Chapter 1 - Kapitel 1 - Prolog

Noah hasste Sonntage. Nein, streich das. Er hasste jeden einzelnen Tag, an dem er aufstehen musste. Mit langsamen, bedachten Schritten ging er durch das Schlachtfeld, das sich wie ein stummer Friedhof vor ihm ausbreitete. Die Leichen lagen in grotesken Positionen, wie gebrochene Puppen, die achtlos zurückgelassen worden waren. Noah beugte sich über einen der Toten, einen jungen Mann, dessen Gesicht noch die letzten Spuren von Angst und Schmerz zeigte. Er verspürte kein Mitleid, keine Reue. Für ihn waren diese Körper nichts weiter als leere Hüllen, Quellen von Dingen, die ihm ein guter Bonus einbringen konnten.

Als er nichts fand, wandte er sich dem nächsten Körper zu und durchsuchte ihn. Die Beute in seiner Tasche war nicht das, was er wirklich suchte. Es gab etwas anderes, etwas Wichtigeres, nach dem er suchte. Und der einzige Grund, warum er überhaupt die Leichen bestahl: Erkennungsmarken. Das war die fünfzehnte, die er fand. Normalerweise fand er nur zehn, maximal. Er steckte sie in einen anderen Beutel an der Hüfte.

Seine Hand ging zu seiner Hosentasche, als sein Klapphandy anfing zu vibrieren. Das Gerät war alt und leicht abgenutzt, aber es funktionierte immer noch. Das war alles, was für Noah zählte.

*Wusch*

Noah wich gelangweilt dem Angriff aus, der aus dem Nichts kam. Er hatte diese Art von Angriff viel zu oft erlebt, um sich noch darum zu kümmern. Der Wolf knurrte ihn an. Sein Schlangenschweif schlug auf den Boden, als wollte er Noahs Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken.

„Was ist los? Ich arbeite gerade." Seine Stimme war rau und emotionslos, als er den Anruf entgegennahm. Mehrere kleine Flammen begannen um Noah zu tanzen, als wären sie Irrlichter. Sein Zeige- und Mittelfinger waren auf den Wolf gerichtet. Sein Daumen zeigte nach oben. Er senkte den Daumen, und die Flammen schossen auf das Ziel. Der Wolf versuchte zu fliehen, aber es war zu spät.

Noah konzentrierte sich auf sein Handy und ignorierte das Weinen und Heulen des Wolfes, als es lebendig verbrannte.

„Der Boss ruft gerade alle. Komm zurück." Die Stimme am anderen Ende der Leitung war ebenso kalt, beinahe mechanisch.

Noah seufzte leise, warf einen letzten Blick auf das Land, das nur so mit Leichen bedeckt war, und dann steckte er die Beute in seine Tasche. Der Boss wartete, und wenn der Boss rief, dann gab es keine Diskussion.

Er zog seinen Helm an und stieg auf sein Quad, bevor er über mehrere Hügel raste. Der Motor heulte auf, als er über den unebenen Boden fuhr, und die Kälte schnitt ihm ins Gesicht. Überall war der Boden grau, tot. Hunderte, wenn nicht sogar tausende von Jahren ist es vielleicht her, seit es einen Funken Leben hier gab.

Alles, was er hinterließ, waren die verbrannten Reste des Wolfs.

Einmal an den Toren der Stadt, wurde er von zwei Wachen mit Waffen gestoppt. Er nahm seinen Helm ab und holte seine eigene Erkennungsmarke heraus. Einer der Wachen nahm die Marke und legte sie auf ein Tablet. Nicht mal eine halbe Sekunde später wurden Noahs Informationen angezeigt.

Name: Noah Corydon

Alter: 25

Rang: ◼️◼️◼️

Während einer der Wachen ungläubig auf seinen Rang starrte, nickte die deutlich erfahrenere Wache und ließ Noah durch.

-X-

„Hat lange genug gedauert." Noah schnaubte, setzte sich aber mit einem Lächeln neben die Frau. Sein Sitz befand sich im zweiten Stock, mit perfektem Blick auf die Bühne, wo der Boss erscheinen würde.

Die Frau neben ihm war ungefähr in seinem Alter. Ihre Kleidung bestand aus einer schwarzen Hose mit senkrechten orangen Augenmotiven, einem hautengen Shirt mit langen Ärmeln und einer schwarzen Jacke mit Kapuze, kurzen Ärmeln und augenähnlichen Mustern. Ihre dunkle Haut ließ ihre goldenen Augen besonders herausstechen.

„Im Gegensatz zu dir, muss ich arbeiten." Sie rollte die Augen und gab ihm ein „Fick dich". Nach ein paar Minuten wurde es dunkler, die Bühne war der einzige Ort mit Licht.

Schritte hallten im Raum wider, und Noah konnte nicht anders, als nervös die Seite seines Gesichts zu kratzen, als er erkannte, wer es war.

Der Boss betrat die Bühne. Sein schwarzer maßgeschneiderter Anzug machte einen guten Eindruck, aber selbst aus der Ferne konnte man erkennen, dass dieser Mann Muskeln hatte, die nicht nur zur Schau waren.

„Ich bin mir sicher, einige von euch fragen sich, warum ich mir die Mühe gemacht habe, euch zu rufen." Er begann zu grinsen. „Mir geht es genauso. Ich wäre lieber in einer Bar, als eure Gesichter zu sehen." Er schnippte mit den Fingern und ließ einen Bildschirm hinter sich erscheinen, der groß genug war, damit jeder im Raum ihn sehen konnte. Es war die Karte des Kontinents.

„Vor vier Monaten wurden mehrere Züge überfallen. Normalerweise würden wir das den Jägern oder Söldnern überlassen, aber sie begannen auch, Erkennungsmarken zu sammeln, wahrscheinlich damit man nicht herausfindet, wo sie genau sind. Im schlimmsten Fall ist es ein intelligentes Monster, das alles einsammelt." Er schaute sich zu den Sammlern im zweiten Stock um. „Und leider wird jede Marke innerhalb der Grenze unseres Königreichs gesammelt, also sollen sich unsere Sammler darum kümmern."

Die Karte verschwand und wurde durch mehrere Namen ersetzt. „Ihr werdet in Zweier-Teams reisen. Es wird noch besprochen, wann genau es beginnen wird, aber seid alle auf Bereitschaft."

-X-

Noah beugte sich nach vorne und suchte seinen Namen auf der Liste. Er war nicht wirklich schwer zu finden, da er der Einzige war, der Corydon als Nachnamen trug.

Noah Corydon & Ana Rebecca Silva

„Du bist dran, die Führung zu übernehmen", sagte Rebecca und lachte ein wenig bei Noahs Murren.

Sie waren nicht wirklich überrascht, dass sie ein Team waren. Sie hatten schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet, und wenn mehrere Leute gute Ergebnisse liefern, werden sie öfter zusammengeworfen.

Noah spürte, wie seine Augenlider schwer wurden, während die Monotonie der Stimme auf der Bühne seinen Geist in einen Dämmerzustand versetzte. Die Worte des Bosses wurden zu einem fernen Rauschen, während er sich in seinen Gedanken verlor. Rebecca hingegen scrollte gelangweilt durch ihr Handy, während sie mit einem Ohr dem Boss lauschte.

Als der Boss schließlich seine Ansprache beendete und die Menge begann, sich zu zerstreuen, blieb Noah noch einen Moment sitzen. Er öffnete langsam die Augen, blinzelte die Müdigkeit weg und sah zu Rebecca hinüber, die immer noch in ihr Handy vertieft war.

„Bei mir oder bei dir?", fragte er, während er aufstand und sich streckte.

„Bei dir. Mein Kühlschrank ist leer." Sie steckte ihr Handy und die Kopfhörer weg.

Gemeinsam verließen sie den Raum, die Geräusche der anderen Mitglieder verblassten hinter ihnen. Draußen schlug ihnen die kalte Nachtluft entgegen, und Noah genoss es sehr.

„... brauchst du Hilfe?", fragte Rebecca. Noah sah sie verwirrt an, bis sie mit ihrem Kinn auf sein Quad deutete, wo jemand wartete. Noah biss leicht die Zähne zusammen und wischte seine Haare von seiner Stirn.

„Nein. Ich kümmere mich um ihn. Pass nur auf, wenn sie auftaucht. Und ja, du hast die Erlaubnis, sie zu verbrennen."

Rebecca nickte und ging zu ihrem eigenen Quad, bevor sie wegfuhr. Der Mann sah, wie Noah näherkam, und kratzte sich am Nacken.

„Hey Noah."

„Gib mir einen guten Grund, warum ich deine Knochen nicht brechen sollte." Der Mann zuckte ein wenig zusammen und hob seine Hände.

„Ich will nur reden."

„Wir haben geredet. Jetzt verschwinde." Noahs Flammen erschienen wieder um ihn herum.

„Es geht um den alten Mann!", sagte der Mann schnell und nervös. „Er hat deine Verbannung für das Familientreffen aufgehoben!"

Noah hob eine Augenbraue und ließ seine Flammen verschwinden. Er setzte sich auf sein Quad und legte seine Arme auf seine Oberschenkel.

„Rede."

-X-

Rebeccas Auge zuckte, als sie die Frau vor der Tür von Noahs Wohnung sah. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand. Die Frau war elegant gekleidet, mit langen schwarzen Haaren, die glatt über ihre Schultern fielen, und einem Gesicht, das makellos zu sein schien.

Oh, wie sehr Rebecca dieses Gesicht in Flammen setzen wollte.

„Was willst du hier?", fragte Rebecca kühl. Sie war nicht die Art von Person, die Höflichkeiten austauschte, vor allem nicht mit jemandem, der ohne Einladung auftauchte.

Die Frau schenkte ihr ein kleines Lächeln, das jedoch nicht ihre Augen erreichte. „Ich bin hier, um mit Noah zu sprechen. Es ist eine Familienangelegenheit."

„Eine Familienangelegenheit?" Rebecca lachte trocken. „Er ist nicht hier. Komm später wieder."

Die Frau seufzte und schien ihre Geduld zu verlieren. „Können wir es drinnen besprechen?"

Rebecca trat vor und stellte sich vor die Tür. „Verschwinde."

„Auch wenn es vielleicht dich betrifft?", fragte die Frau mit einem süffisanten Lächeln. Rebecca antwortete mit Schweigen, verschränkten Armen und einer hochgezogenen Augenbraue. Die Köpfe der Feuerschlangen waren alle auf die Frau gerichtet.

„Naja. Eigentlich betrifft es Noahs N..."

Es passierte in einer Sekunde. Nein, es war schneller als eine Sekunde. Rebeccas Schlangen bissen jeweils in ein Körperteil der Frau und schleiften ihren Körper durch den Flur bis zum Fenster am Ende des Korridors. Schwerter aus Feuer schossen von oben herab auf die Schlangen und ließen sie frei. Die Frau hatte nicht einmal Zeit, ihre schmerzenden Körperteile zu spüren, bevor Rebecca sie an ihrer Kleidung packte. Ihr Oberkörper ragte aus dem Fenster heraus, ihre schwarzen Haare hingen nach unten. Als sie nach oben blickte, sah sie nur den Blick einer Feuerschlange, deren Maul viel zu nah an ihrem Gesicht war.

„Tür oder Fenster?"

Scheiße. Sie wurde stärker."

Die Frau packte Rebecca am Handgelenk und versuchte verzweifelt, den Mund zu öffnen:

„Sie wollen seine Nichte aus der Familie entfernen!"

Rebeccas Augen weiteten sich. Die Schlange verschwand, und die Frau wurde wieder nach drinnen geworfen.

Die Frau zischte vor Schmerzen, als Rebecca sie an den Haaren packte und durch den Flur bis zu Noahs Wohnung zog.

-X-

Noah hob eine Augenbraue bei dem Anblick vor ihm.

Rebecca saß auf der Couch, ein paar Dosen Bier neben sich und die Füße auf dem Tisch. Die Frau hingegen bot ein anderes Bild. Sie saß auf dem Boden, mehrere Schlangen umschlangen ihren Körper, die Zähne nur Millimeter von ihrer Haut entfernt.

Noah war mit dem Mann an einen ruhigeren Ort gegangen, um zu sprechen. Es hatte 15 Minuten mit dem Quad gedauert, von dort bis zu seiner Wohnung zu gelangen, und er hatte ungefähr 45 Minuten mit dem Mann geredet. Sie mussten also mehr oder weniger eine Stunde in dieser Position verharrt haben.

„Du kannst Helena freilassen", sagte Noah schließlich. Rebecca sah ihn an und ließ ihre Schlangen verschwinden. Helenas Hände zitterten, als sie versuchte, sich aufzurichten. Sie blickte Noah durch ihre Haare an und wollte etwas sagen, brachte jedoch kein Wort hervor.

„Otto hat mir bereits alles erklärt. Jetzt verschwinde."

Helena öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder und biss sich auf die Innenseite ihrer Lippe.

Langsam erhob sich Helena, ihre Bewegungen waren langsam und schmerzhaft. Ihre schwarzen Haare fielen ihr ins Gesicht, verdeckten ihre Augen, aber Noah spürte den Hass, der von ihr ausging. Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Wohnung. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, und für einen Moment herrschte gespannte Stille im Raum.

Rebecca öffnete eine der Bierdosen und nahm einen langen Schluck. „Und?"

Noah setzte sich auf einen der Sessel und lehnte sich zurück. „Anscheinend wollen sie, dass ich komme." Rebecca schmunzelte bei dem leichten Ärger in seinem Tonfall.

„Ach wirklich?" Rebecca nahm einen weiteren Schluck. „Und deine Nichte?"

„Es kommt eher darauf an, wer das Familienoberhaupt wird, nachdem der alte Mann gestorben ist."

Noah kratzte sich an der Augenbraue. „Und hör auf, so zu tun, als wüsstest du nichts."

„Okay, okay", kicherte sie und setzte sich aufrecht hin. „Also, wirst du hingehen oder nicht?"

„Ehrlich gesagt? Nein. Selbst wenn ich gehe, würde sich nichts ändern."

„Wenn du willst, kann ich gehen", schlug sie vor.

„Nein. Du würdest alles nur noch schlimmer machen."

„Ich würde nichts anfangen."

„Nein, du würdest es weitermachen und verschlimmern." Rebecca wollte ihre Bierdose auf Noah werfen, hielt aber im letzten Moment inne. Seine Schultern waren gesenkt, seine Hände gefaltet, die Daumen berührten seine Stirn. Mit geschlossenen Augen versuchte er, seine Atmung zu regulieren.

Rebecca stand auf und klopfte ihm auf die Schulter. Anscheinend würde sie heute das Kochen übernehmen.