Die Stadt des Terrors
Als Lucien, Céleste und Étienne nach Paris zurückkehrten, fanden sie eine Stadt vor, die kaum noch wiederzuerkennen war. Die Straßen, einst voller Leben und Geschwätz, waren jetzt still, nur unterbrochen vom rhythmischen Hämmern der Guillotine. Angst schien die Stadt zu regieren. „Das ist nicht mehr die Revolution, die wir unterstützt haben," murmelte Céleste, als sie durch eine Gasse schlichen. „Das war sie nie," entgegnete Lucien. „Wir haben nur nicht hingesehen." Étienne führte sie zu einem kleinen Unterschlupf in einem verfallenen Haus nahe Montmartre. Dort warteten einige alte Bekannte aus dem Widerstand, doch auch ihre Gesichter wirkten gealtert, gezeichnet von Misstrauen und Verlust. „Ihr seid zurück," sagte eine Frau namens Amélie, die einst eine der Anführerinnen des Widerstands gewesen war. „Aber warum? Paris ist kein Ort für Träumer mehr." „Wir sind nicht hier, um zu träumen," antwortete Lucien. „Wir sind hier, um etwas zu beenden."
Ein Netz aus Verrat
Étienne erklärte den Plan: Robespierre, der selbsternannte Retter der Revolution, hatte die Bewegung in eine Diktatur verwandelt. Seine Anhänger durchsuchten die Stadt nach Verrätern – ein Begriff, der mittlerweile fast jeden einschloss, der nicht seiner Linie folgte. „Er hat Listen," sagte Étienne. „Namen von Menschen, die er für gefährlich hält. Und eure Namen stehen darauf." „Natürlich tun sie das," sagte Lucien trocken. „Es wäre enttäuschend, wenn ich nicht wichtig genug für seine Aufmerksamkeit wäre." „Das ist kein Scherz," sagte Étienne scharf. „Diese Listen werden jeden Tag kürzer, weil die Guillotine schneller arbeitet als wir. Wenn wir nicht handeln, wird niemand mehr übrig sein, der kämpfen kann."
Der Plan
Die Gruppe beschloss, die Liste zu stehlen. Sie war in der Conciergerie untergebracht, einem der sichersten Orte der Stadt – und gleichzeitig dem letzten Halt für viele vor ihrer Hinrichtung. „Das ist Selbstmord," sagte Amélie, als sie den Plan hörte. „Vielleicht," sagte Céleste, „aber es ist besser, als hier zu sitzen und darauf zu warten, dass sie uns finden." Lucien sah sie an, sein Herz schwer von der Entscheidung, die sie getroffen hatten. „Es gibt keinen Ausweg mehr, oder?" „Nein," sagte Céleste leise. „Nur noch einen Weg nach vorn."
Die letzte Mission
Die Nacht des Einbruchs war kalt und still. Die Gruppe, in dunkle Mäntel gehüllt, schlich sich durch die Straßen. Die Conciergerie war gut bewacht, doch Étienne hatte einen Kontakt innerhalb der Wachen – einen Mann, der genug von Robespierres Terror hatte. „Ihr habt zwanzig Minuten," sagte der Mann, als er sie durch einen Seiteneingang führte. „Nicht länger." Lucien und Céleste folgten Étienne durch die dunklen Gänge, ihre Schritte gedämpft. Jede Ecke, jede Tür schien eine neue Gefahr zu bergen, und Luciens Herz schlug wie ein Trommelwirbel. „Hier," flüsterte Étienne, als sie einen kleinen Raum erreichten. Ein Schreibtisch, vollgestapelt mit Papieren, stand im Zentrum. „Das sind die Listen," sagte er. „Schnell." Céleste begann, die Papiere zu durchsuchen, während Lucien am Eingang Wache hielt. Seine Hand lag auf dem Griff eines Dolches, und seine Augen durchsuchten die Dunkelheit nach jeder Bewegung. „Ich habe sie," flüsterte Céleste, doch in diesem Moment hörten sie Schritte. „Soldaten," zischte Étienne. „Wir müssen weg."
Ein Opfer für die Freiheit
Die Gruppe eilte zurück durch die Gänge, doch die Soldaten hatten sie entdeckt. Ein Alarm ertönte, und der Klang von Schritten hallte durch die Mauern. „Wir müssen uns aufteilen," sagte Étienne. „Das ist unsere einzige Chance." „Keine Chance," widersprach Lucien. „Wir bleiben zusammen." Doch Étienne riss ihm die Liste aus der Hand und rannte los, bevor Lucien ihn aufhalten konnte. „Ich werde sie ablenken!" rief Étienne über die Schulter. „Ihr müsst raus!" „Er wird es nicht schaffen," sagte Céleste, ihre Stimme zitternd. „Ich weiß," murmelte Lucien, doch sie hatten keine Wahl. Sie fanden einen Ausgang und schafften es, die Conciergerie zu verlassen, doch Étienne kehrte nicht zurück. Am nächsten Morgen hörten sie, dass er gefangen genommen und sofort hingerichtet worden war.
Ein Funke der Hoffnung
Die Liste, die Étienne geopfert hatte, enthielt Namen, die die Revolution retten konnten. Amélie und die anderen begannen sofort, die Betroffenen zu warnen und sie in Sicherheit zu bringen. „Er hat es geschafft," sagte Céleste eines Abends, als sie und Lucien in ihrem Versteck saßen. „Er hat uns Zeit verschafft," sagte Lucien, doch seine Stimme war schwer vor Trauer. Céleste legte eine Hand auf seine. „Wir müssen es zu Ende bringen, Lucien. Für Étienne, für alle, die wir verloren haben." Lucien sah sie an, und in ihren Augen sah er die Entschlossenheit, die ihn immer wieder zu ihr zog. „Dann tun wir es," sagte er. „Ein letztes Mal."