Die Tage in Sylvandor vergingen, doch für Danny fühlte es sich an, als würde die Zeit stehen bleiben. Die Dorfbewohner beobachteten ihn aus der Ferne, ihre Blicke vorsichtig und voller Zweifel. Er war ihr Held gewesen, doch jetzt war er ein Mann, der mit einer Dunkelheit lebte, die sie nicht verstehen konnten.
Kira hatte sich im Dorf zurückgezogen, nur selten zeigte sie sich, und selbst dann hielten die Leute Abstand zu ihr. Ihre Anwesenheit war wie ein ständiger Schatten, der das friedliche Leben in Sylvandor störte. Kael'thar, der oft außerhalb des Dorfes kreiste, kam nur noch selten herab, um zu sprechen – als ob auch er die Spannung in der Luft spürte.
Doch Danny wusste, dass die Ruhe trügerisch war. Die Schatten in ihm rührten sich. Sie warteten.
Eines Nachts, als das Dorf schlief, erwachte Danny mit einem Schrei. Sein Körper war schweißgebadet, sein Atem schwer. Der Traum war so lebendig gewesen, dass er noch immer das Echo der Stimmen in seinem Kopf hörte. „Du kannst uns nicht verleugnen."
Er stand auf, zog seinen Umhang über und trat hinaus in die kühle Nachtluft. Der Mond stand hoch am Himmel, doch sein Licht schien schwächer als sonst. Die Schatten der Bäume wirkten lebendig, als würden sie sich bewegen, wenn Danny nicht hinsah.
Am Rand des Waldes traf er auf Kira, die ihn bereits erwartete.„Ich habe dich schreien gehört," sagte sie, ohne ihn anzusehen. Danny nickte. „Es war wieder der Traum. Sie rufen mich. Immer lauter." „Und was sagen sie?" fragte sie. Er zögerte. „Dass ich sie akzeptieren soll. Dass ich Teil von ihnen bin."
Kira schnaubte leise. „Das sagen sie immer. Sie lügen, Danny. Die Schatten nehmen, was sie wollen, und geben nichts zurück." Danny schwieg, seine Augen auf den dunklen Wald gerichtet. „Was, wenn sie nicht lügen? Was, wenn sie wirklich Teil von mir sind?" „Und was, wenn du sie benutzt?" Kira trat einen Schritt näher. „Du hast sie gebunden. Das ist mehr, als die meisten je geschafft haben. Warum solltest du dich nicht ihrer Macht bedienen?"
Danny sah sie an, überrascht. „Das klingt, als würdest du mir raten, sie zu akzeptieren." Kira hielt seinem Blick stand. „Ich sage, dass sie dich nicht zerstören müssen. Nicht, wenn du die Kontrolle behältst." Am nächsten Morgen kam Kael'thar zu ihnen, seine mächtigen Schwingen warfen lange Schatten über das Dorf. Er wirkte unruhig, seine Bewegungen hastiger als sonst.
„Es gibt Neuigkeiten," sagte er und sah zuerst zu Danny, dann zu Kira. „Die Schatten haben sich erneut gesammelt. Nicht in Karath'Zul, sondern weiter westlich – in den Schwarzen Sümpfen. Die Berichte sprechen von einer neuen Präsenz, etwas Mächtigem." „Ein neuer Kristall?" fragte Kira.
Kael'thar schüttelte den Kopf. „Nein. Etwas anderes. Die Drachen haben es gespürt. Es ist, als würde sich die Dunkelheit selbst manifestieren." Danny atmete tief ein. Die Schatten ließen ihn nicht los. Selbst nachdem er sie gebunden hatte, suchten sie weiter nach Wegen, in die Welt zurückzukehren.
„Dann müssen wir dorthin," sagte er schließlich. „Wir müssen es aufhalten." Die Reise zu den Schwarzen Sümpfen dauerte drei Tage. Die Landschaft um sie herum veränderte sich, je weiter sie nach Westen kamen. Die Wälder wurden dünner, das Gras welk und braun. Schließlich erreichten sie die Sümpfe, ein ödes Gebiet voller abgestorbener Bäume, giftiger Nebel und schwarzer Gewässer.
„Das ist ein Ort der Fäulnis," murmelte Kael'thar, während er über ihnen kreiste. „Hier hat die Dunkelheit eine andere Form angenommen." „Es fühlt sich anders an als in Karath'Zul," sagte Kira leise. „Aber es ist genauso stark." Danny nickte. Die Schatten in ihm reagierten auf den Ort, als würden sie erkennen, was hier lauerte.
Am zweiten Tag in den Sümpfen fanden sie, was sie suchten. Tief im Herzen der Schwarzen Sümpfe, zwischen zerfallenen Ruinen und moosüberwucherten Steinen, stand ein gewaltiger Monolith. Er war aus schwarzem Stein, von Rissen durchzogen, und pulsierte mit einer unheimlichen Energie.
„Das ist es," sagte Kael'thar, als er landete. Danny trat näher, sein Herz raste. Der Monolith schien ihn zu rufen, seine Präsenz war überwältigend. „Wir warten, Danny." Die Schatten in ihm erwachten, stärker als je zuvor. Er fühlte, wie sie sich in seinem Geist regten, ihn drängten, näher zu kommen.
„Wir müssen es zerstören," sagte Kira und zog ihren Dolch. „Egal, was es ist, es darf nicht bleiben." Kael'thar nickte. „Ich stimme zu. Aber seid vorsichtig. Dieses Ding... es ist anders als der Kristall. Es lebt." Als Danny sich dem Monolithen näherte, spürte er, wie die Dunkelheit in ihm nach außen drängte. Die Schatten wollten nicht kämpfen – sie wollten verschmelzen.
„Du gehörst zu uns. Und wir zu dir." Kira legte eine Hand auf seinen Arm. „Bleib bei dir, Danny," sagte sie. „Lass sie nicht gewinnen." Danny nickte schwach. Doch die Dunkelheit war stark, stärker als zuvor. Er fühlte, wie sie ihn ergriff, wie sie ihn einhüllte. „Das Gleichgewicht ist eine Lüge."
Mit einem letzten Funken Willenskraft hob Danny sein Schwert und schlug auf den Monolithen ein. Der Stein splitterte, und eine Welle aus Schatten brach hervor, die alles um sie herum verschlang. Als die Dunkelheit sich legte, stand Danny allein vor den Trümmern des Monolithen. Kira lag am Boden, reglos, doch sie atmete. Kael'thar war verwundet, aber lebendig.
Doch Danny selbst spürte die Veränderung. Die Dunkelheit in ihm war nicht mehr gebunden – sie war frei. Sie war ein Teil von ihm geworden, ein Schatten, der in seinem Herzen lebte. „Es ist nicht vorbei," flüsterte er, während er in die Nacht starrte. Die Schatten waren nicht besiegt. Sie waren in ihm. Und der Preis des Gleichgewichts hatte sich für immer verändert.