Am nächsten Morgen erwachte Danny von einem ungewöhnlich melodischen Geräusch. Es klang wie das Summen eines Chores, doch als er die Augen öffnete, erkannte er, dass es die Umgebung selbst war – die Kristalle, die in den Felsen wuchsen, vibrierten sanft im Rhythmus des Windes.
Kael'thar wartete bereits auf ihn. Der mächtige Drache stand auf einem Vorsprung, die Flügel leicht gespreizt, sodass sie das Licht der aufgehenden Sonne einfingen.
„Es ist Zeit," sagte Kael'thar und fixierte Danny mit seinen goldenen Augen.
Danny nickte, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug. Er hatte gestern zugesagt, aber jetzt, da der Moment gekommen war, fühlte sich der Zweifel wie ein schwerer Schatten auf ihm.
„Was genau werde ich lernen?" fragte er schließlich.
„Zunächst einmal Kontrolle," erklärte Kael'thar. „Die Essenz in dir ist wie ein Sturm – roh, mächtig, aber ohne Richtung. Wenn du sie nicht bändigst, wird sie dich verzehren."
Das erste Training
Kael'thar führte Danny in ein Tal, das von hohen, schimmernden Felsen umgeben war. Im Zentrum des Tals befand sich eine Quelle, deren Wasser in einem silbrigen Glanz schimmerte.
„Stell dich an den Rand der Quelle," wies Kael'thar ihn an.
Danny gehorchte, spürte aber, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete.
„Schließe die Augen," fuhr der Drache fort. „Atme tief ein … und lass die Energie in dir frei."
Danny tat, wie ihm geheißen. Er spürte die Wärme in seiner Brust, die Essenz, die wie ein stiller Fluss durch ihn strömte. Doch je mehr er versuchte, sie zu spüren, desto wilder wurde sie. Die Wärme wurde heiß, fast brennend, und plötzlich schoss ein goldener Lichtstrahl aus seinen Händen und prallte gegen einen der Felsen.
Ein lautes Krachen ertönte, und Danny öffnete die Augen. Der Felsen war gespalten, die Bruchstelle glühte wie geschmolzenes Metall.
„Das … wollte ich nicht," sagte Danny, während sein Atem stockte.
Kael'thar nickte langsam. „Genau das meine ich. Deine Essenz ist mächtig, aber sie ist ungezähmt. Du musst lernen, sie zu führen, nicht sie dich."
Reflexionen während des Trainings
Während des Trainings versuchte Danny immer wieder, die Essenz zu kontrollieren, doch es schien ihm schwerzufallen. Die Energie war wild und widersetzte sich seinen Bemühungen.
Nach einer besonders frustrierenden Übung ließ er sich erschöpft auf den Boden fallen. „Ich schaffe das nicht," murmelte er.
Kael'thar legte den Kopf schief. „Du gibst zu schnell auf, Danny. Warum glaubst du, dass du es nicht schaffst?"
Danny schwieg, aber in seinem Inneren tobte ein Sturm aus Selbstzweifeln. Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Kindheit, zu all den Momenten, in denen er das Gefühl gehabt hatte, nicht gut genug zu sein. Doch dann erinnerte er sich auch an die wenigen Male, in denen er es gewagt hatte, mutig zu sein – wie damals, als er den jüngeren Schüler verteidigt hatte.
„Ich weiß es nicht," gab Danny schließlich zu. „Aber … ich will es schaffen. Ich will lernen, das hier zu kontrollieren."
Kael'thar betrachtete ihn einen Moment lang schweigend. „Dann ist der erste Schritt getan. Der Wille, zu lernen, ist der Schlüssel."
Ein unerwarteter Erfolg
Später an diesem Tag, als Danny versuchte, die Essenz erneut zu aktivieren, spürte er einen Unterschied. Er atmete tief ein, ließ die Energie durch sich hindurchfließen, aber diesmal zwang er sie nicht. Er ließ sie einfach geschehen, führte sie mit seiner Vorstellungskraft, wie ein Musiker, der eine Melodie spielt.
Zu seiner Überraschung spürte er, wie die Wärme sich sanft in seiner Brust ausbreitete, ohne zu brennen. Als er die Hände hob, formte sich ein goldenes Licht in seinen Handflächen – ruhig, strahlend, und doch mächtig.
Kael'thar beobachtete ihn mit einem zufriedenen Ausdruck. „Du lernst, Danny. Du lernst, zu vertrauen – dir selbst und deiner Essenz."
Zum ersten Mal seit Langem fühlte Danny sich wirklich stolz auf sich. Es war ein kleiner Schritt, aber er war der Anfang von etwas Größerem.
Ein unerwartetes Hindernis
Doch die Ruhe hielt nicht lange an. Als die Dämmerung hereinbrach, tauchte eine unheimliche Gestalt am Rand des Tals auf. Sie war in einen schwarzen Umhang gehüllt, und ihre Präsenz ließ die Luft kälter werden.
Kael'thar erhob sich sofort, die Schwingen bedrohlich ausgebreitet. „Bleib hinter mir, Danny," knurrte er.
Die Gestalt sprach mit einer Stimme, die wie das Knirschen von Eis klang. „Der Erbe der Essenz. Endlich haben wir dich gefunden."
Dannys Herz schlug schneller. Wer war das – und warum suchte diese Gestalt nach ihm?