Im Städtchen Silver Leaf, in einer alten Villa...
"Hör auf so zu tun, als würdest du studieren. Du bist nicht für die Magie gemacht", unterbrach eine kalte Stimme Kent, als er gerade versuchte, einen einfachen Zauberspruch zu erlernen.
Kent rückte seine Brille zurecht und richtete seinen Blick auf die schöne Frau vor ihm, Thea Frost – seine versprochene Braut. Sie war fünf Jahre älter als er und arbeitete als Älteste an derselben Zaubererschule, an der Kent ein Schüler war.
Kent wurde von ihrer Großmutter, die ihn auch adoptiert hatte, mit Thea zusammengebracht. Im letzten Jahr starb ihre Großmutter, und mit ihrem Tod begannen Kents Albträume.
"Was starrst du so? Steh auf", fuhr Thea ihn an und unterbrach seine Gedankengänge erneut, bevor sie das Zauberbuch vor ihm zuschlug.
"Schätzchen, was ist los?" fragte Kent Thea mit bleichem Gesicht. Auch wenn Thea ihn von Anfang an nie mochte, war sie ihm gegenüber noch nie so rücksichtslos gewesen.
"Deine Tage als Schmarotzer sind gezählt, Kent. Ich habe meiner Großmutter versprochen, mich um dich zu kümmern, bis du volljährig wirst. Heute ist dein 18. Geburtstag. Also such dir einen Job und sorge fortan für dich selbst. Und verlasse in ein paar Tagen die Villa; ich werde sie verkaufen", erklärte Thea unerbittlich, ohne seine Gefühle zu beachten.
"Aber, Thea, ich bin dein Ehemann. Wohin soll ich gehen?" fragte Kent, ohne Theas Worte wirklich ernst zu nehmen.
"Du nutzloses Stück Mist, hör auf mich 'SCHÄTZCHEN' zu nennen. Niemand heiratet einen Versager wie dich. Du suchst nur eine reiche Gönnerin; geh und finde eine", entgegnete Thea schroff und entriss Kent das Zauberbuch.
Wütend, aber verschwiegen, sagte Kent kein Wort. Seine Adoptivgroßmutter hatte ihn schwören lassen, Thea immer zu lieben, egal in welcher Situation. Ihre letzten Worte hatten sich in sein Herz gebrannt.
Fünf Minuten später stand Kent mit seiner alten, abgenutzten Bambustasche vor der Tür. Thea verriegelte die Tür und rief mit einem Pfiff ihr Haustier.
Da er keine Haustiere hatte, die ihn zur Zaubererschule bringen konnten, ging Kent mit bedrücktem Gesicht die Straße entlang und überlegte, welche Nebenjobs er aufgrund seines Magiergrades der dritten Klasse bekommen könnte.
Als er das Eingangstor der Zaubererschule erreichte, landeten plötzlich zwei kahlköpfige Adler vor ihm.
'Ahh~'
Verblüfft fiel Kent zurück auf die Straße und im nächsten Moment tropfte Blut von seinem Ellenbogen.
"Hey Kent, wo sind meine Münzen? Du wolltest heute zahlen", forderte eine Frau mit rundem, vollem Gesicht und prallem Busen, ohne auf Kents blutenden Ellenbogen zu achten.
Kent stand langsam auf und stoppte die Blutung mit seiner bloßen Hand. "Ich habe gerade keine Münzen. Gib mir ein paar Tage. Ich fange heute mit einem Teilzeitjob an und werde so schnell wie möglich zahlen", antwortete er, während er seinen schmerzenden Ellenbogen kühlte.
"Das war nicht unsere Vereinbarung. Du solltest heute zahlen. Es sind nur 20 Bronzemünzen. Hast du denn keine Eltern, die dir Taschengeld geben?" fragte Mona in spöttischem Ton.
Bevor Kent antworten konnte, schaltete sich Monas Freund ein. "Mona, komm, wir gehen... Er ist ein Bettler ohne Rückhalt. Wir haben gleich ein Date nach dem Unterricht. Beeil dich", sagte Ric, ein dicklicher junger Mann, der neben Mona auf einem weiteren kahlköpfigen Adler saß und seinen Blick auf Monas üppige Oberweite heftete.
Kent hatte Lust, die beiden Turteltauben vor ihm zu vermöbeln. Er wusste, dass Monas Familie nicht reich war, aber um mit den Erben der Reichen wie Ric auszukommen, präsentierte sie immer stolz ihre Figur in engen Kleidern.
"Hmmh... Kent, es ist mir egal, was du machst; du solltest bis heute Abend zahlen. Sonst beschwere ich mich bei den Ältesten", warnte Mona Kent, bevor sie davonflog.
Ric schwebte absichtlich über Kent, wirbelte dabei den ganzen Staub und Müll auf der Straße auf. Nach einem spöttischen Lachen machten sich die beiden auf den Weg zur Schule.
Gerade als sie weggingen, flog Theas Adler an Kent vorbei. Sie hielt kurz über ihm inne und warf ihm ein paar Kupfermünzen zu. "Versorg deine Wunde."
Kent fühlte Verzweiflung, als er Thea nachblickte, die seinen Stolz vollkommen erschüttert hatte. Er verfluchte seine schwache Magie und ging weiter. Doch nach einigen Schritten blieb er vor einer großen Steintafel stehen, die am Schultor angebracht war.
"Zaubererschule der Himmelsfamilie..." – Die Buchstaben waren tief in den Stein gemeißelt worden, von einem Zauberer auf Meisterniveau.Kent blickte weiterhin auf den Namen der Schule. Seine Fäuste ballten sich in Zorn. Schon zwei Jahre lang war er in der Magus-Klasse der Stufe 3 verblieben. Nun war er das dritte Jahr in derselben Klasse. Seine Mitschüler hatten ihn längst übertroffen, nur er selbst rang mit den Jüngeren.
Kent war kein fauler Schüler. Seit seinem ersten Schultag hatte er unermüdlich darauf hingearbeitet, ein erfolgreicher Magus zu werden und sich um seine Großmutter und Thea zu kümmern. Doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund konnten seine Meridiane jeweils nur wenig Aura speichern.
Trotz mehrerer Besuche bei unterschiedlichen Heilern, die seine Großmutter organisiert hatte, konnte niemand das eigentliche Problem feststellen.
Während Kent auf den Namen der Schule starrte, krampften sich seine Fäuste vor Frustration über die vergeblichen Anstrengungen. Mit einem schweren Seufzer wandte er sich vom Schultor ab, um in der Stadt nach Arbeit zu suchen.
Auf seinem Weg durch die engen, verlassenen Straßen überlegte Kent, wo er Arbeit finden könnte. Er ging umher und erkundigte sich in einigen Kräuterläden, ob sie jemanden als Aushilfe benötigten. Aber jedes Mal, wenn seine Qualifikation als Magus der Klasse 3 zur Sprache kam, wendeten sich die Ladenbesitzer ab.
Mit gesenktem Kopf steuerte Kent auf die Außenbezirke zu, wo üblicherweise Tagelöhner beschäftigt waren.
Kaum hatte er jedoch eine schmale Gasse betreten, wurde er durch eine Windböe zurückgedrängt, und ein riesiger Rabe, so groß wie zwei ausgewachsene Menschen, landete vor ihm.
„Nein... friss mich nicht, friss mich nicht", schrie Kent voller Angst und wich mit geschlossenen Augen zurück.
Der Rabe, mit karmesinroten, bedrohlichen Augen, scharfen Federn und goldenen Klauen, presste Kent zu Boden, ließ ihn keine Fluchtmöglichkeit.
Doch entgegen seinen Befürchtungen griff der Rabe ihn nicht an. Mit zitternden Gliedern öffnete Kent langsam die Augen. Der Rabe starrte ihn mit prüfendem Blick an. Als ihre Blicke sich trafen, begann Kents Herz aus Furcht zu rasen.
'Akk... Akkk... kkk...'
Der schwarze Rabe stieß hustende Laute aus, und plötzlich erschien auf seinem Schnabel eine Kristallkugel. Der Rabe neigte seinen Kopf langsam und gestikulierte, dass Kent die himmelblaue Kugel nehmen sollte.
Kent war verdutzt, griff aber schließlich behutsam mit zitternder Hand nach der Kugel.
Kaum hatte Kent den Kristall ergriffen, vibrierte er und signalisierte einen eingehenden Anruf. Das Bild in der Kristallkugel zeigte eine Frau mittleren Alters mit jugendlichem Antlitz.
Die Frau blickte Kent weiterhin intensiv an.
„Hallo", erwiderte Kent verwirrt.
Im nächsten Augenblick füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie sagte mit bewegter Stimme: „Kent, erinnerst du dich an mich? Ich bin deine Tante."
Kent war geschockt. Zuerst dachte er an einen Scherz, aber der ehrliche Ausdruck der Frau, ihre Tränen und das gefühlvolle Sprechen überzeugten ihn von ihrer Aufrichtigkeit.
'Großmutter sagte, ich hätte keine Verwandten. Von wo kommt diese Tante? Sie nannte meinen Namen. Sie muss mich also wirklich gesucht haben.' Kents Gedanken überschlugen sich, als er versuchte, diese unerwartete Wendung in seinem Leben zu verarbeiten.
„Kent, es tut mir wirklich leid. Ich hätte dich früher finden sollen. Aber ich verspreche dir, ich werde meinen Fehler wiedergutmachen. Wegen unserer Feinde konnte ich dich nicht persönlich aufsuchen. Bald werde ich alle Probleme beiseite schaffen und dich treffen. Im Beutel des Raben ist eine Sparschweinkarte, auf der ich 5.000 Goldmünzen für dein Taschengeld deponiert habe. Wenn es aufgebraucht ist, schicke mir einfach eine Nachricht. Deine Mutter hat ein Vermögen für dich hinterlassen, das ich dir geben werde, wenn wir uns sehen. Ich liebe dich, Kent."
Das Bild der Frau verschwand von der Kristallkugel, einer Spezialausgabe der Himmelskugel von der Zauberervereinigung. Kent glaubte nun, dass er wirklich eine Verwandte in dieser Welt hatte.
Noch immer stand der Rabe ruhig vor ihm, doch Kent überwand seine Angst und griff in den befiederten Beutel des Wesens.
($ $)
'Was... das ist eine goldene Sparschweinkarte.' :D