Der Sommer näherte sich. Langsam fing es an wärmer zu werden. Der Schnee schmolz und tropfte von den Blättern hinab auf dem Boden des Pilzwaldes.
Ein Junge von fünfzehn Jahren galoppierte zwischen den Bäumen hindurch. Er hatte längeres lockiges Haar. Es war so schwarz wie die Nacht. Er trug einen grauen Mantel welcher durch den Wind wehte. Er kannte sich in der Gegend aus und ritt ohne Probleme mit einer enormen Geschwindigkeit durch den dichten Wald. Er sprang über kleinere Bäche und Felsen. Am Rande des Waldes wartete ein weitere Junge auf ihn.
"John! Komm beeil dich. Vater mag es nicht wenn wir ihn warten lassen." Rief er. John hielt mit einer knappen Bremsung vor ihm an. Der Junge war sein Bruder und so alt wie er selbst.
"Wettrennen bis zum alten Wachturm?" Fragte John.
"Wir sollten uns nicht ablenken lassen." John schaute ihn an: "Du hast sowieso keine Chance, Rob."
Rob, kurz für Robbert, konnte das nicht einfach so hinnehmen und galoppierte ohne ein weiteres wort zu sagen los.
"Das ist nicht fair!" Rief John ihm hinterher und galoppierte ebenfalls los. Robbert war etwas größer und stärker als er.
Er trug die selbe graue Kleidung. Sein Haar war dunkelblond und sie hingen ihm etwas über die Stirn. Er bekam schon etwas Bartwuchs worauf John etwas neidisch war.
John konnte ihn bei einer kleinen Brücke fast einholen, doch plötzlich bekam er ein seltsames Gefühl im Nacken. Er blieb stehen. Rob bemerkte es nicht und ritt weiter.
John sah sich um. Er stieg von seinem Pferd und schaute von der Brücke hinab in den kleinen Fluss. Dann hörte er hinter sich ein Rascheln aus den Büschen. Er zog sein Schwert aus der scheide als er ein knurren hörte. Er sah zwei leuchtende Augen die in seine starrten. Ein Unwohlsein umhüllte ihn. Das Wesen trat langsam heraus. Es war ein Großer Wolf. John blieb der Atem stehen. Der Wolf fing wieder an zu knurren. Johns Pferd erschrak und rannte davon. John ging langsam zurück und hielt sein Schwert schützend vor sich.
Je länger der Wolf ihn an sah desto mehr Angst kroch in seinen Körper. Seine Beine fingen langsam an zu zittern.
"John?!" Rief Robbert aus der Ferne. John wollte zurück rufen, doch es kam kein Ton aus seinem Mund. Er war einen kurzen Moment unachtsam und schaute sich nach seinen Bruder um. Er sah wieder zum Wolf. Er sprang auf John zu. Er hielt sein Schwert so fest er konnte und Streckte es in die Richtung des Wolfes und schloß die Augen.
Er spürte wie Blut über sein Gesicht spritzte und er zu Boden viel. Er spürte den heißen, immer langsamer werdenden, Atem des Wolfes in seinem Gesicht.
Nachdem er sich beruhigen konnte öffnete er langsam die Augen. Der Wolf lag auf ihn wodurch er sich nicht bewegen konnte. Verschwommen sah er sich um und blickte auf die brücke. Sein Bruder Robbert kam angeritten. John wurde schwarz vor Augen und er verlor kurz darauf sein Bewusstsein.
Als er die Augen wieder öffnete blickte er in das Gesicht seiner Schwester Costia.
Sie war zehn Jahre alt. Sie hatte dieselben dunkelblonden Haare wie ihr Bruder Robbert. Sie hatte ein kleines rundes Gesicht und große Augenbrauen genau wie ihr Vater. Sie trug, wie es sich für eine Dame eines großen Hauses gehörte, ein edles Kleid, allerdings war es mit Schrammen und flecken überseht, denn sie erkundete gerne die Gegend und spielte mit den anderen Kindern des Hofes Ritter. Septa Ann war darüber nicht erfreut. John sah sie mit großen Augen an.
"Was ist passiert?" Fragte er mit heiserer Stimme. Costia sah ihn glücklich ins Gesicht.
"Du bist wach!" Schrie sie fast vor Freude und rannte aus dem Zimmer. John richtete sich auf. Er lag in seinem Bett in Monhain. Rechts von ihm schien die Abend Sonne hinein und erleuchtete sein Zimmer. Er schob die weiche Decke zur Seite und wollte auf stehen. Dann bemerkte er erst das sein ganzer Oberkörper mit einem Verband übersehen war. Er fühlte mit seinen Fingern über das Verband und spürte wie die Haut auf seiner rechten Brust brannte.
"Wie geht es dir, junge?" Fragte eine dunkle Stimme. John sah auf. Sein Vater kam herein.
Mark Oppender, Lord des Ostens. Er war 32 Jahre alt. Seine Dunklenblonden Haare bekamen schon leichte graue Strähnchen. Costia hatte ihn geholt. Er kam näher und Maester Samwell folgte ihm.
Samwell war ein etwas korpulenter Maester mit braunen Haaren die in einen leichten Bart übergingen.
"Nehmt das zu euch." Sagte der Maester und reichte John ein Gefäß welche bläuliche Flüssigkeit beinhaltete. "Es wird die Schmerzen lindern."
John trank und zog dabei eine Grimasse. Es schien ihm offensichtlich nicht zu schmecken.
"Du kannst von Glück reden das du nur mit dieser Narbe davon gekommen bist." Sagte ihm sein Vater und deutete auf das Verband. John sah ihn schweigend an. Maester Samwell trat näher an ihn heran und öffnete langsam und vorsichtig das Verband und enthüllte die Wunde.
Drei dicke Kratzer waren tief in sein Fleisch geschnitten und es brannte als Maester Samwell sie mit einer klebrigen Salbe einrieb.
"Es sieht gut aus. Die Wunde wird heilen, aber eine Narbe wird bleiben." John lächelte milde.
Als Maester Samwell ein neues Verband umwickelt hatte, verbeugte er sich leicht und verließ das Zimmer.
Mark blickte seinen Sohn ernsthaft an.
"Wir werden bald zum Königstal reisen. Dein Bruder wird sich mit der Prinzessin verloben."
John sah ihn verdutzt an.
"Ich glaubte unsere Häuser würden sich nicht verstehen."
Mark kam näher: "Das gehört nun der Vergangenheit an. Es waren andere Zeiten und wir konnten uns auf einen Neuanfang einigen."
John bekam etwas Vorfreude. Er war noch nie im Königstal, doch diese Freude verfiel ihm schnell.
"Du wirst nicht mitkommen können. Du weißt warum."
John sah ihn traurig an: "Was ist an mir anders als bei meinen Brüdern und Schwestern?" Fragte er mir zitrigger Stimme.
"Ich werde dich immer als meinen eigenen Sohn sehen, vergiss das nie, doch du hast dich sicherlich schon mal gefragt warum du nie die selbe Anerkennung, außerhalb von Monhain bekamst, wie deine Geschwister."
John war den Tränen nah.
"Ich bin nicht von hier." Sagte er leise. Seine Wut stieg und er ballte seine Faust zusammen, wobei er kurz seine Schmerzen vergaß: "Woher komme ich?"
"Du solltest dich ausruhen, wir verschieben das Gespräch." Sagte sein Vater streng. Er drehte sich zur tür und blieb einen Moment stehen bevor er das Zimmer verließ.
Vor der Tür stand seine Mutter, Elisa Oppender, die einst eine einfache Hofdamewar.
Sie hatte sich das ganze Gespräch angehört.
"Er ist fast ein Mann. Er sollte die Wahrheit kennen." Sagte sie flüsternd.
"Jetzt ist nicht die Zeit dafür. Er muss sich ausruhen." Sagte Mark kalt und lief den dunklen Flur entlang. Johns Mutter stand vor der schweren Eisentür doch ging nicht hinein. John saß auf seinem Bett und mit jeder Minute kam sein Schmerz zurück.
Am nächsten Morgen ging es John schon besser. Die Medizin die ihm Maester Samwell gab wirkte langsam. Sein kleiner Bruder Brendan besuchte ihn.
Er war sechs Jahre alt, hatte ein zartes Gesicht und Haare die ihm bis zum Nacken hingen. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern waren seine Haare recht hell. Brendan sah zu seinem Bruder auf und wollte unbedingt seine Narbe sehen. Sein Vater kam herein.
"Zieh dich an. Du wirst uns zeigen wo du den Wolf getötet hast."
John hörte auf ihn.
Die Umgebung war in einem leichten Nebel eingehüllt und die Luft war Feucht von dem Regen in der Nacht. Der Weg war matschig und weich. John führte seinen Vater zur Brücke. Robbert begleitete die beiden.
Brendan wollte auch mit, doch sein Vater hatte es nicht erlaubt, weshalb er beleidigt zurück blieb.
"Wieso sind wir hier, Vater?" Fragte John als sie angekommen waren.
"Wölfe sind scheue Tiere, sie halten sich normalerweise von Menschen fern." Sein Vater überlegte kurz: "Es sei denn er hat etwas beschützt. Wo genau bist du ihm Wolf begegnet, John?"
John lief zum Gestrüpp um es ihm zu zeigen. Je näher er ging desto mehr kroch die Angst wieder in ihm hinein und er spürte wieder den Schmerz in seiner Brust. Er stand dort wie angewurzelt, bis er eine große Hand auf seiner Schulter spürte.
"Ist alles in Ordnung, John?" Fragte sein Vater mit eisiger Stimme und lief an ihm vorbei um sich die Stelle anzuschauen. Er beugte sich hinunter zum Boden und betrachtete die Pfotenabdrücke. Sie führten hinunter unter die Brücke zu einem kleinen Bach. Lord Oppender führte seine Söhne nach unten. Zwischen den dichten Gewächs, welches unter der Brücke wuchs, fanden sie ein Haufen von kleinen Wolfswelpen. John bekam sofort ein schlechtes Gewissen und ein beklemmendes Gefühl.
"Alle samt verhungert. Sie waren noch nicht in der Lage selber zu Jagen. Ohne ihre Mutter waren sie hier hilflos ausgesetzt." Sagte sein Vater und betrachtete die Welpen.
Sie wollte sie nur beschützen dachte sich John und konnte dabei den Blick nicht von den Welpen abwenden. Sein Vater drehte sich zu ihm und sah ihm tief in die Augen.
"Gib dir nicht die Schuld, es war Notwehr, aber las es dir eine Lehre sein." Er winkte Robbert zu sich herüber: "Lass es euch beiden eine Lehre sein. Egal wen ihr tötet, ob es ein Feind im Krieg ist oder ein Bandit auf dem weg nach Hause, solltet ihr euch bewusst sein, dass jene die ihr begrabt Lebewesen sind, die Familie haben, Nachkommen haben um die sie sich kümmern müssen. Tötet nicht zu eurer Belustigung. Tötet nur wenn ihr keine Wahl habt."
Mit diesen Worten ließ er sie alleine und ging voraus. John und Rob standen noch dort unten unter der Brücke, zwischen dem Bach und dem dichten Gewächs, und dachten über seine Worte nach. John hörte neben dem plätschernden Wasser ein leises schwaches wimmern.
"Hörst du das?" Fragte er seinen Bruder. Rob schüttelte mit dem Kopf. John lief etwas abseits von dem Bach. Entfernt von den anderen Welpen, fand er ein weiteres. Ein lebendiges. Er lag im Dreck und wimmerte vor Hunger. John nahm ihn auf dem Arm. Sein Schneeweißes Fell war bedeckt mit Schlamm. Rob kam zu ihm und zog ein Messer heraus. John sah ihn entsetzt an.
"Was hast du vor?" Fragte er.
Robbert sah sich den kleinen Wolf an.
"Es ist am hungern, schwach und einsam, ich werde es von seinen Qualen erlösen und es zu seinen Geschwistern schicken." Sagte er mit ernster Stimme. John blickte auf den kleinen Wolf der unschuldig in seinem Arm lag. Er dachte nach.
"Ich werde es tun, ich habe ihn gefunden."
Robbert übergab ihm sein Messer und ließ ihn allein. John wartete bis er weg war und lag den Wolf sanft auf dem Boden. Er zog sein Messer heraus und hielt es über ihn. Seine Hände fingen an zu zittern und seine Augen fingen an zu Tränen. Er konnte es nicht. Er nahm den Wolf mit sich und versteckte ihn in seinem Mantel. Rob wartete oben auf der Brücke.
"Hast du es getan?" Fragte er kalt.
John nickte nur, wobei er den Wolf unter seinem Mantel beruhigte und ihn streichelte.
Er schaffte es den Wolf unbemerkt in sein Zimmer zu bringen und fütterte ihn mit Essensresten die er heimlich beim Essen eingesteckt hatte. Am Abend saß er auf seinem Bett und kümmerte sich um seinen Wolf. Er dachte nach und sah ihn an. Er dachte nach wie er ihn nennen könnte. Er betrachtete ihn und bemerkte das es ein Mädchen war. Er stand auf und öffnete sein Fenster. Es war Vollmond und das Licht erleuchtete das weiße Fell des Wolfes. John sah sich den Mond an, dann blickte er wieder zum Wolf. Er trat näher und kraulte ihr Ohr.
"Luna werde ich dich nennen."
Der Wolf blickte mit seinen Smaragd grünen Augen zu ihm auf.