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Chapter 58 - Die Entscheidung

"Du möchtest für mich arbeiten?!"

Da Hyes verschlafene Stimme wurde plötzlich unerwartet laut, als sie diesen Satz beinahe ins Telefon schrie. Nachdem sie all ihre Ersparnisse verloren hatte, überlegte Se Ah lange und intensiv, welche Optionen sie hatte, und kam zu dem Schluss, dass sie keinesfalls noch zahllose Jahre damit verbringen wollte, das ihr gestohlene Geld zurückzuverdienen. Sie konnte es sich nicht länger leisten, Zeit zu verschwenden, und Kang Da Hye war ihre Schnellstraße, um ihre nun unrealistisch erscheinenden materiellen Ziele zu erreichen.

"Du sagtest vorhin, du würdest mich im 'Red Velvet' als Domina arbeiten lassen, besteht das Angebot noch?"

"Ja, natürlich, aber warum diese plötzliche Meinungsänderung? Ist etwas passiert? Brauchst du mehr Geld für die Wohnung?"

Da Hyes besorgte Stimme traf die falschen Saiten in Se Ahs Herz und sie spürte, wie sich ein trockener Knoten in ihrem Hals bildete. Sie musste sich zusammenreißen, um die unnötigen Emotionen zu unterdrücken, und antwortete mit gefälschter, leicht zitternder Stimme,

"Es ist nichts passiert... Ich dachte nur, dass zusätzliches Geld nie schaden kann. Man sollte immer auf Nummer sicher gehen..."

"Na gut, wenn du meinst. Wann möchtest du anfangen? Die Schichten beginnen normalerweise um 21 Uhr, aber du kannst natürlich die Zeit wählen, die dir am besten passt. Du kannst entweder täglich arbeiten oder nur am Wochenende, ich muss dich jedoch daran erinnern, dass dein Gehalt von der Anzahl der Kunden abhängt, die du pro Nacht bedienst."

"Mann, Da Hye, du klingst wie ein Zuhälter."

Ein kurzes Lachen erfüllte das andere Ende der Leitung.

"Wenn das so ist, Yoon Se Ah, dann bin ich der großzügigste Zuhälter, den du je kennenlernen wirst! Wie auch immer, denk noch darüber nach und schicke mir später deine Gedanken per SMS, ich werde mit meinen Leuten sprechen und dir mitteilen, was ich dir anbieten kann."

"Alles klar, danke, Da Hye."

"Kein Problem."

Beide machten eine Pause, doch keiner von ihnen war bereit aufzulegen. Schließlich, nach einigen Sekunden des Schweigens, seufzte Da Hye laut und versuchte es erneut,

"Bist du sicher, dass nichts passiert ist? Ich könnte dir das Geld einfach leihen, weißt du."

Se Ah wusste das, aber sie hasste es, in der Schuld von jemandem zu stehen, ganz gleich bei wem.

"Danke, aber alles ist in Ordnung. Ich rufe dich später an."

Sie legte das Telefon auf den Küchentisch und lehnte sich mit ausgestreckten Armen darüber. Nachdem sie in Yang Min Seoks Zimmer ausgeschlafen, sich um den Papierkram für das Bankkonto gekümmert und das Problem mit der Krankenhausrechnung ihrer Mutter gelöst hatte, war ihr freier Montag fast vorbei, und sie hatte praktisch keine Kraft mehr, auch nur darüber nachzudenken, obwohl sie Herrn Shin versprochen hatte, dass sie versuchen würde, einige ihrer Aufgaben von zu Hause aus zu erledigen, da Lee Min Hyun ebenfalls nicht im Büro war.

"Warum zum Teufel hat sich Min Hyun einen Tag frei genommen? Ist er wieder krank?"

Se Ah richtete sich rasch wieder auf und schüttelte den Kopf, als wolle sie nutzlose Emotionen abschütteln und Platz für wichtigere schaffen."Jetzt ist nicht die Zeit, um an andere zu denken, Yoon Se Ah, dein Wohlergehen steht an erster Stelle."

Es hatte keinen Sinn, die Entscheidung zu überdenken, es war offensichtlich, was sie tun musste - bei ihrer aktuellen finanziellen Lage hatte sie keine andere Wahl, als jeden Abend ins Red Velvet zu gehen und zu hoffen, dass sie mindestens einen Kunden pro Schicht bekam. Sie wusste, dass Da Hye ihr wahrscheinlich aus Freundschaft mehr zahlen würde, aber diesmal war es wichtig, dass sie tatsächlich Arbeit hatte.

"Also gut, ich habe mich entschieden. Los geht's, Yoon Se Ah."

***

Das Red Velvet, obwohl eine recht spezialisierte, teilweise exklusive Bar, war dank Kang Da Hyes zahlreichen Verbindungen voller Leben. Die Leute nutzten es als ihr Versteck, als intimen Ort, um dem Alltag zu entfliehen und in eine vertraute, gemütlichere Welt einzutauchen, in der man sie so akzeptierte, wie sie waren; um neue Partner und Freunde zu treffen, und nicht zuletzt, um den nötigen Service zu erhalten, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Als Se Ah sah, wie die Bar fast bis zum Rand gefüllt war, faszinierte sie die Anzahl der Menschen, die unkonventionelle Bedürfnisse hatten und diese um jeden Preis befriedigen wollten.

"Yoon Se Ah! Du bist da!"

Die Frau drehte sich um, als sie eine vertraute Stimme hörte, und lächelte. Oh Ma Ri winkte ihr zu und kam mit einem breiten, strahlenden Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht auf sie zu.

"Hallo, Ma Ri, lange nicht gesehen."

"Ganz genau! Als Kang Da Hye mir erzählte, dass du ab jetzt hier arbeiten wirst, musste ich sie praktisch anflehen, meine Schichten zu tauschen, nur damit ich dir helfen kann! Ich bin so froh, dass du dich dafür entschieden hast."

Ma Ris fröhliche Stimme und ihr überraschend frohgemutetes Verhalten brachten Se Ah durcheinander und verwirrten sie sogar. Sicher, die beiden kannten sich schon lange, aber sie hatten kaum eine so enge Beziehung, dass sie so freundlich miteinander sein konnten. Doch Ma Ri war, genau wie Da Hye, von Natur aus gesellig, also beschloss Se Ah, es einfach hinzunehmen und sich nicht darüber aufzuregen.

Ma Ri nahm sie an der Hand und führte sie weg von der Menschenmenge in Richtung der "Spielzimmer", während sie ihr die Regeln der Bar und ihre Aufgaben erklärte.

"Im Grunde ist das alles nichts Besonderes, du bist ja bereits mit allem vertraut, du musst es nur als dein normales Spiel ansehen. Die einzige Ausnahme ist, dass sie keinen Sex mit dir haben dürfen, sonst ist alles erlaubt, wenn sie es wünschen."

Ma Ri öffnete die Tür zur Umkleidekabine und lächelte.

"Hier kannst du dich umziehen, wenn du bestimmte Kleidungsstücke oder Dessous benutzt hast, lege sie in den Behälter im Schrank, sie werden danach gewaschen oder entsorgt, abhängig vom Ergebnis... Hast du noch Fragen?"

Se Ah schüttelte den Kopf und sah sich im Raum um. Ma Ri hatte recht, das war nichts Neues für sie, sie kannte alles, und doch fühlte sie sich irgendwie immer noch etwas beunruhigt. Als hätte Ma Ri ihre Gedanken gelesen, klopfte sie ihr auf die Schulter und lächelte.

"Es ist am Anfang seltsam, wenn man es als Job macht, ich weiß, aber du wirst dich schnell daran gewöhnen."

Ma Ri wollte gerade den Raum verlassen, hielt inne und drehte sich noch einmal um.

"Oh, dein erster Kunde wartet im dritten Spielzimmer auf dich. Viel Erfolg!"