Chapter 32 - Familienbande (Teil 2)

Amalia berührte ihr Gesicht und plötzlich überschwemmten sie Erinnerungen an ihren Adoptivvater, so lebendig, als wären sie erst gestern gewesen. Je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurden die Bilder in ihrem Kopf.

Schließlich erinnerte sie sich, wie ihr Adoptivvater zu seinem Reichtum gekommen war. Alles begann mit einer Antiquität, die tausende Jahre alt war. Als Amalia noch jünger war, kaufte ihr Adoptivvater auf einem Antikmarkt eine Weinkaraffe.

Der Verkäufer behauptete, es sei ein Porzellangefäß aus einer alten Dynastie, umgeben von einer Aura der Unsterblichkeit, und Amalias Adoptivvater glaubte ihm aufs Wort.

Zuhause angekommen, reinigte er die Karaffe und füllte sie sogar mit Wein. Jedes Familienmitglied, ob alt oder jung, nahm einen Schluck, in der Hoffnung, etwas von der Aura der Unsterblichkeit abbekommen zu können.

Als Amalias Mutter das Stück jedoch von einem Experten begutachten ließ, stellte sich heraus, dass es in Wirklichkeit ein Urinal aus der Alten Dynastie war. Es war zwar authentisch, aber dessen einstiger Zweck machte es zu einer peinlichen Angelegenheit.

Das einzig Gute daran war, dass die Familie Vanquez über Nacht dank dieses Urinals zu großem Reichtum kam.

Amalia konnte über diese Erinnerungen nur den Kopf schütteln. Sie hätte lieber vergessen, dass sie einmal aus einem antiken Urinal getrunken hatte. Die nähere Betrachtung zeigte die zweifelhaften Seiten im Charakter ihres Adoptivvaters.

Doch die eigentliche Kraft, die die Familie Vanquez in den nächsten Jahrzehnten vorantrieb, war Amalias Adoptivmutter. Sie unterstützte ihren Ehemann, sorgte für Kontinuität und Erfolg der Familie.

Die Adoptivmutter war eine bestimmende Persönlichkeit, unerschütterlich in ihren Entscheidungen und messerscharf im Verstand. Sie war eine beeindruckende Frau in der Geschäftswelt, strebte aber nie nach persönlichem Ruhm. Statt dessen unterstützte sie unauffällig ihren Mann und war somit das eigentliche Entscheidungsoberhaupt der Familie Vanquez.

Amalias Hand lag sanft auf dem Rücken ihrer Adoptivmutter, und in ihrem Gesicht zeigte sich ein sanftes Lächeln. Ursprünglich wollte sie sich nicht in die Welt ihrer Adoptiveltern integrieren, da sie immer eine Einzelgängerin war und fürchtete, an familiärer Wärme zu sehr hängen zu bleiben. Doch hatte sie ihre Meinung geändert.

Dieses Paar, welches sein Herz an die Adoptivtochter verloren hatte, empfand trotz eines Jahres der Trennung nicht die geringste Fremdheit. In ihrem Herzen war und blieb sie ihre eigene Tochter, Entfremdung gab es keine.

Wäre sie distanziert geblieben, hätten sie es wahrscheinlich bemerkt und es hätte zu Missverständnissen führen können. Um ihren Gefühlen nicht im Wege zu stehen, beschloss sie, alles auf sich zukommen zu lassen.

"Kind, warum ist dein Gesicht so blass und glatt geworden? Welche Pflegeprodukte benutzt du?" fragte Amalias Vater und zwickte sie plötzlich in die Wange. "Sag es deinem Vater, dann kann deine Mutter es auch benutzen. Sie hat mittlerweile Falten."

Die warme Atmosphäre wurde von Amalias Vater unterbrochen. Noch bevor Amalia reagieren konnte, versetzte die Mutter dem Vater einen Tritt, worauf dieser aufstöhnte.

"Selbst wenn du nicht sprichst, wird niemand denken, dass du stumm bist!" tadelte Amalias Mutter ihn. Als sie sah, wie er schmerzverzerrt das Gesicht verzog, konnte sie nicht länger an sich halten. "Warum stellst du dich so an? Ich habe dich gar nicht getreten."

Amalias Vater stellte das Heulen sofort ein. "Frau, ich meine es doch nur gut. Wenn du dich nicht pflegst, werden dich die Leute als 'gelbgesichtige Frau' verspotten. Ich habe Angst, dass es deswegen zu Streitereien kommen könnte, auch wenn es eine Frau sagt, wäre das Ergebnis das Gleiche."

Amalias Mutter seufzte, schien ihrem kindischen Mann gegenüber hilflos zu sein, aber auf ihren Lippen lag ein leises Lächeln. "Gut, genug gescherzt. Jetzt aber zu den ernsten Themen."

Als die Mutter ernst wurde, änderte sich ihre ganze Ausstrahlung. Der Vater trat nicht mehr in Erscheinung und verhielt sich an ihrer Seite wie ein treuer Hund.

"Amalia, hat Arthur dir irgendwas gesagt? Vor einem Jahr hat er uns von dir ferngehalten und jetzt hat er uns plötzlich hierher gebracht. Er ist definitiv keine herzensgute Person. Versucht er, uns zu benutzen, um dich unter Druck zu setzen?"