Jael Valdic fühlte sich gelangweilt, als er auf dem Podium stand und auf eine Braut wartete, die er noch nie zuvor getroffen hatte. Der Gedanke, an dieser Zeremonie teilzunehmen, behagte ihm nicht; doch Widerspruch zu leisten kam der Ablehnung des Vertrags gleich.
Das Schlimmste waren die Menschen, die sich im Saal versammelt hatten. Überall wahrnahm er nur sie – ihre Anwesenheit reizte seine Nase. Ihre Angst, Ekel und Verachtung waren allgegenwärtig und niemand unternahm auch nur den Versuch, dies zu verbergen.
Er seufzte, nichts lieber hätte er, als dies hinter sich zu bringen. Die Vereinigung zwischen Menschen und Vampiren stand lange aus und würde wahrscheinlich bald ein Ende beider Seiten einläuten.
Eine Fanfare riss ihn aus seinen Gedanken. Als er nach der Ursache Ausschau hielt, erblickte er sie und erstarrte. Sie war zierlicher, als er es sich vorgestellt hatte – das üppige Kleid konnte ihre schmale Figur nicht verbergen.
Er konnte nichts aufnehmen, als er sie vom anderen Ende des Saales aus anstarrte. Er wollte ihr Gesicht sehen, irgendwelche Anzeichen wahrnehmen, aber er bekam nichts mit. Schließlich wandte er sich ab; sie kam auf ihn zu und seine Fragen würden bald beantwortet sein.
Ein Zeichen von ihm genügte, und die Vampire im Saal würden die Hochzeit im Handumdrehen in ein Blutbad verwandeln. Er schmunzelte. Der Gedanke war amüsant, und der Gedanke daran, zuzusehen, wie das Chaos ausbrach, bereitete ihm eine dunkle Freude.
Menschliches Blut war für ihn bedeutungslos, doch eines wusste er ganz sicher: Es schmeckte schlecht, wenn es von schlecht behandelten Menschen kam. Menschliche Gefangenschaft kam daher nicht in Frage. Schlechtes Blut fiel aus.
Ihre Gefühle beeinflussten den Geschmack ihres Blutes, und diese Vereinigung kam sowohl Menschen als auch Vampiren zugute. Je besser das Blut, desto mächtiger konnten sie werden.
Als ihre Absätze auf die Stufen des Podiums trafen, wandte er sich ihr zu. Ihr Duft traf ihn plötzlich und heftig, und im ersten Moment konnte er nur blinzeln. Es war der Duft einer jungen Frau im Übergang. Er runzelte die Stirn – wider Erwarten fand er den Geruch angenehm.
Beinahe gleichzeitig traf der intensive Geruch von Angst auf ihn. Er war so ausgeprägt, dass er ihn fast visuell wahrnehmen konnte. Sie zitterte vor Angst, doch sie gab sich stark.
Sie starrte zu seinen Füßen, während er ihr Gesicht musternd betrachtete und sich wünschte, sie möge zu ihm aufsehen. Doch sie hielt den Blick gesenkt, selbst als der Priester zu ihnen trat. Verärgert fixierte er sie mit seinem Blick; es kam ihm vor, als würde sie ihn ignorieren.
Kaum waren die Worte des Priesters verhallt, näherte er sich ihr und hob ihren Kopf mit Daumen und Zeigefinger an. Er vernahm ihr leises Keuchen, während er den Schleier zurückstrich.
Ihr Mund war leicht geöffnet, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie drohten zu fallen, hielten jedoch an und ließen ihre Augen wie in einem Glaskasten wirken. Noch nie hatte er ein schöneres Braun gesehen.
Ohne weiter nachzudenken, presste er seine Lippen auf die ihren. Kaum berührten sich ihre Münder, schloss sie die Augen und erwiederte den Kuss, spielte mit seiner Zunge.
Jael weiteten sich die Augen und er zog sich zurück. Ein leises Knurren entwich ihrer Kehle. Sie öffnete die Augen, zog sich ebenfalls zurück und beendete den Kuss. Jael entging nicht, dass ihre Wangen rot angelaufen waren. Sie neigte den Kopf und die Menge jubelte, klatschte und tobte.
Er nahm ihre Hand, die sich in seiner klein anfühlte, und ging langsam die Treppe vom Podium hinunter. Sie hielt ihren Blick gesenkt, während ihre Wangenröte zunahm. Er fand sie hübsch.
Kaum waren sie vom Podium herunter, kamen der Menschenkönig und seine Frau auf sie zu. „Herzlichen Glückwunsch", sagten sie gleichzeitig. Jael missfiel das Lächeln der Königin zutiefst.
Nach der Begrüßung durch den König kamen einige andere, um ihnen zu gratulieren. Jael interessierte sich nicht sonderlich für sie, bemerkte jedoch, dass es die wichtigsten Personen im Menschenreich waren. Die Aristokraten, so wurden sie genannt.
Einige Vampire näherten sich ihm und sie verbeugten sich alle, bevor sie auch nur ein Wort sprachen. Er spürte, wie seine Braut sich jedes Mal versteifte, wenn ein Vampir herantrat. Er musste sich das Grinsen verkneifen - Menschen hatten wirklich Angst vor ihnen.
Er spürte sie, bevor er sie überhaupt sah; warum auch nicht, schließlich floss ihr Blut durch seine Adern. Nun war es an ihm, sich zu versteifen.
Er war weder ängstlich noch besorgt, sie würde es nicht wagen, sich ihm zu widersetzen, doch aus irgendeinem Grund, den er sich nicht erklären konnte, fühlte er sich seltsam. Vielleicht weil seine Geliebte und seine Frau nur wenige Meter voneinander entfernt standen.
Er musste fast kichern, hier dachte er wie ein Mensch. Nur so konnte er sich erklären, dass er Lady Jevera wirklich nicht als seine Geliebte ansah.
Er hatte ihren starren Blick gespürt, sobald er den Saal betreten und das Podium bestiegen hatte. Er hatte sich absichtlich geweigert, in ihre Richtung zu sehen. Seiner Meinung nach war sie ein wenig zu dramatisch.
„Herzlichen Glückwunsch", murmelte sie düster. Er starrte sie unverwandt an.
Lady Jevera stand in ihrer ganzen Pracht da und starrte den Vampirkönig intensiv an. Sie hasste es, dass sie nichts dagegen tun konnte, hasste es, dass er nicht so aussah, als würde er lieber bei ihr sein.
Sie wandte sich an die neue Braut, lächelte gezwungen und klein. Sie würde keinen Tag in der Vampirwelt überleben, und sie sah keineswegs aus wie eine Frau, die Jael gefallen würde. Sie sollte sich erleichtert fühlen, tat es jedoch nicht. Sie zuckte zusammen, als ein heißer Stich der Eifersucht ihr totes Herz durchbohrte.
„Danke", erwiderte eine sanfte Stimme, und Jeveras Maske fiel, sie zeigte offen ihre Abscheu vor der Braut. Dann ging sie fort, ohne zurückzublicken.