In dem Spiel Arcadia gab es vier große Städte, in denen sich die Spieler ausruhen, tägliche Aufgaben annehmen, Gegenstände und Ausrüstungen kaufen und auch frei mit anderen Spielern interagieren konnten, ohne befürchten zu müssen, dass sie angegriffen werden. Die Spieler konnten diese vier Städte betreten, sobald sie eine bestimmte Stufe erreicht hatten. Olkdale war eine dieser vier Städte.
Sobald ein Spieler Stufe 10 erreicht hatte, konnte er die Stadt Olkdale frei betreten. Deshalb wurde diese Stadt auch oft als Stadt der Anfänger bezeichnet. Da jeden Tag viele neue Leute versuchten, Arcadia zu spielen, herrschte in dieser Stadt oft der meiste Verkehr. Nicht nur deshalb, sondern auch, weil einige Spieler nicht wirklich weiter aufsteigen wollten, sondern einfach nur diese VR-Erfahrung machen wollten.
Diese Spieler behandelten Olkdale Town wie eine Art Touristenort. Aufgrund des Realismus des Spiels fühlten sich alle Aktivitäten, die man in der Stadt unternahm, wie echt an. Man hatte das Gefühl, dass man sich nicht in einem Spiel befand, sondern diese Dinge im echten Leben tat. Eine dieser Aktivitäten war das Essen.
In Olkdale gab es eine ganze Reihe von Restaurants, die verschiedene Gerichte anboten - traditionelle chinesische Küche wie Sichuan und Shandong, aber auch westliche Gerichte wie französische und italienische Küche. Der Geschmack war genauso gut wie im echten Leben. Und da es sich um VR handelte, nahmen die Spieler, egal wie viel sie aßen, nicht zu. Das ist einer der Gründe, warum Arcadia auch bei Nicht-Gamern so beliebt war.
In diesem Moment trat im Zentrum der Stadt jemand aus dem Teleportationsportal. Es war ein Elf mit reinem, langem, weißem Haar und einem Paar blauer Augen mit goldenen Sprenkeln darin. Seine Lippen hatten einen rosigen Farbton, seine Haut war weiß und zart. Er trug ein einfaches Hemd, eine Hose und Stiefel, darüber ein elegantes weißes Gewand mit einem aufgenähten Mondsichelmuster.
Fast alle Spieler in seiner Nähe konnten nicht anders, als sich in seine Richtung zu drehen und ihn anzustarren. Sie haben nur ein Wort im Kopf: schön. Auch wenn er ein Mann war, konnte niemand leugnen, dass dieser Spieler eine große Schönheit war. Er sah so majestätisch und nicht von dieser Welt aus, dass sie sich nicht trauten, ihm nahe zu kommen.
"Wer ist das? Ist er einer der großen Götter des Spiels?", fragte eine Anfängerin ihren Begleiter.
"Nein, ich habe sein Gesicht in keinem der Themen im Forum gesehen", antwortete die andere. Im Spielforum wurde oft über Spitzenspieler diskutiert. Wenn dieser Spieler einer von ihnen oder sogar ein alter Spieler war, würde er auf jeden Fall ein Thema im Forum werden. Vor allem mit so einem Gesicht. "Ich glaube, er ist auch ein Anfänger."
Ähnliche Gespräche fanden an verschiedenen Stellen des Portals statt.
"Ist er ein Elf? Aber ich dachte, Elfen in diesem Spiel können nur blondes Haar haben. Wieso ist sein Haar weiß?"
"Vielleicht hat er seinen Charakter angepasst, damit er auffälliger ist. Er ist offensichtlich auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Es ist unmöglich, dass er so aussehen kann, ohne sich bis zum Äußersten zu verschönern", spottete ein männlicher Spieler.
Zwei Mädchen in seiner Nähe hörten, was er sagte, und widersprachen ihm sofort.
"Bist du blöd? In diesem Spiel kann man seine Haarfarbe nicht anpassen. Die Haar- und Augenfarbe, die du haben wirst, hängt von der Ethnie ab, in der du gelandet bist", sagte eines der beiden Mädchen. "Oder hast du bei der Erstellung deines Avatars einen anderen Prozess durchlaufen?"
"Außerdem, selbst wenn er sich bis zum Äußersten verschönert hat, wird das resultierende Gesicht seines Avatars immer noch auf seinem echten Gesicht basieren. Glaubst du, dass ein Affe wie ein Mensch aussieht, wenn du ihn nur schminkst?", sagte der andere.
"Ignorier ihn, ich glaube, er ist nur neidisch, weil er trotz der Verschönerung immer noch so normal aussieht", sagte eine andere Spielerin in ihrer Nähe.
Das Gesicht des männlichen Spielers errötete vor Verlegenheit. Er warf den drei Mädchen einen wütenden Blick zu und stapfte anschließend zornig davon.
"Lasst uns Screenshots von diesem Neuling machen und sie im Forum posten. Er wird sicher ein Hit", sagte eines der Mädchen aufgeregt.
Die anderen beiden stimmten begeistert zu und machten eifrig Screenshots von dem weißhaarigen Elfen.
Luo Yan, der still in der Nähe des Portals stand, ließ sich von dem ganzen Trubel nicht beirren. Er schaute sich um und sah, dass die Stadt aussah wie eine wohlhabende mittelalterliche Stadt. Es war vier Uhr nachmittags. Die Stadt war erhellt durch die Hitze der Sonne. Ein klarer Unterschied zur PC-Version, in der alles wie eine 3D-Animation wirkte.
Seit er vor sechs Tagen mit dieser VR-Version zu spielen begonnen hatte, war dies das erste Mal, dass er sich nicht in einer dunklen Umgebung befand. Das Dorf der Mondelfen war von ewiger Nacht umhüllt. Deshalb freute er sich umso mehr darauf, diese Stadt für Anfänger zu erkunden.
Aber zunächst musste er auf Luo Jin warten. Sie hatten vereinbart, sich hier zu treffen, nachdem Luo Yan mit seinem Nachhilfeunterricht fertig war. Er öffnete sein Statusfenster, um Luo Jin eine Nachricht zu senden. Doch ehe er dazu kam, hörte er eine milchige Stimme, die seinen Namen rief – oder besser gesagt, den Namen, den sein jüngerer Bruder oft benutzte.
"Yan." Luo Yan drehte sich um, sah jedoch nichts. "Schau nach unten", kam es von der milchigen Stimme, ungeduldig knirschend.
Und das tat er. Er erblickte einen Jungen, der etwa sieben Jahre alt zu sein schien. Sein schwarzes Haar zeigte an den Spitzen einen rötlichen Schimmer. Seine Augen waren so rot wie Rubine. Er hatte kleine spitze Ohren und auf seinen dünnen Armen und Beinen runeähnliche Linien. Verärgerung stand ihm ins feine Gesicht geschrieben.
Trotz des kindlichen Aussehens kannte Luo Yan dieses Gesicht sehr gut. "Ah Jin?"
"Wer sonst?", entgegnete Luo Jin verärgert. "Hör auf zu starren! Es ist, als hättest du ein Alien gesehen", fügte er hinzu und versuchte finster zu wirken. Doch bei diesem Aussehen und dieser Stimme wirkte er einfach nur niedlich.
Luo Yan konnte es nicht mehr zurückhalten. Alle Meng-Punkte in seinem Inneren schienen aktiviert zu sein. Er umarmte Luo Jin sofort wie eine Puppe. "Ah Jin, du bist so süß! Sag doch 'Bruder' zu mir."
Luo Jin spürte, wie sein ganzes Gesicht Feuer fing. "Bist du verrückt? Lass mich los!"
"Nicht bevor du mich 'Bruder' nennst."
Jetzt war er wirklich dankbar, Luo Jin überzeugt zu haben, sein Konto nicht zu wechseln. Andernfalls hätte Luo Yan nicht die Gelegenheit gehabt, diese entzückende Kreatur zu sehen und zu umarmen.
Alle Spieler, die diese Szene beobachteten, fühlten sich irgendwie befremdet, als sie den schönen Elfen mit einem albernen Grinsen im Gesicht sahen, wie er im Kreis drehte und ein Kind auf dem Arm hielt. Wo war nur die majestätische und überirdische Schönheit hin?