Jun Muyang, auch als der Teufel bekannt – zumindest unter seinen Freunden – saß in seinem Heimbüro und überlegte, ob er zur Arbeit gehen, eine Wirtschaftsvorlesung an der Crown University, der renommiertesten Universität in B-Stadt, halten oder zuhause bleiben und den nächsten Schritt dieser Frau beobachten sollte. Diese einfältige Frau wusste es vielleicht noch nicht, aber sie befand sich in größerer Gefahr, als sie ahnte. Ihre Taten hatten sie direkt ins Visier der Rebellen gerückt, die nicht zögern würden, ihr das Leben zu nehmen, wenn sich die Chance ergäbe.
Könnte sie sich und ihre unschuldige Tochter schützen? Das fragte er sich. Stiller Überlegung folgend, dachte er darüber nach, wie er ihr am besten helfen könnte. Vielleicht sollte er ihr Leibwächter zur Verfügung stellen. Oder er könnte ihr zumindest raten, selber welche zu engagieren. 'Aber vielleicht solltest du dich einfach raushalten, denn sie geht dich nichts an', flüsterte eine leise Stimme in seinem Kopf. Für ihn war sie tatsächlich eine Fremde.
Trotzdem hatte sie das Leben vieler Menschen gerettet, und hätte fast selbst dabei ihr eigenes verloren. Es wäre unfair, ihr nicht wenigstens eine Warnung zukommen zu lassen, gab eine andere Stimme zu bedenken. Das stimmte, sie hatte dem Imperium einen großen Dienst erwiesen. Vielleicht sollte er es als Gefälligkeit für seinen mütterlichen Cousin, den Kaiser, tun. 'Aber du wirst immer mehr in ihr Leben und ihre Probleme hineingezogen', mahnte die missbilligende Stimme. 'Doch es ist eine gute Tat. Sie ist ein guter Mensch, und ihr Leben ist es wert, gerettet zu werden.'
Mit diesem Gedanken hatte Jun Muyang sich entschieden, ihr zu helfen. Er würde sie warnen, vorsichtiger zu sein und Schutz für ihre Familie zu suchen.
In diesem Moment vibrierte sein Telefon. Eine weitere Nachricht von seiner Mutter, die nach seinem Liebesleben fragte. Er schnaubte verächtlich und ignorierte sie. Dann ein weiterer Buzz – eine Nachricht von seinem Großvater, der wissen wollte, wann Jun ihm seine Freundin und deren Kind vorstellen würde. Sein Telefon knallte hart gegen den Boden.
Er hob es auf und las nochmals, ob er die Nachricht richtig verstanden hatte, aber es blieb dabei. Dazu war ein Bild der Frau von nebenan und ihrer Tochter angefügt, wie sie sein Haus verließen. Er rief umgehend seinen Großvater an.
"Muyang, wir wissen schon alles. Du musst nicht viel erklären, ich bin nur froh, dass du endlich nachgegeben hast und dir eine Frau genommen hast. Junge, du hast sogar meine Erwartungen übertroffen und mir ein Enkelkind beschert. Jetzt kann ich meinen Ahnen nach meinem Tod würdig gegenübertreten."
"Es ist nicht mein Kind", entgegnete er unmissverständlich.
"Denk nicht einmal daran, es abzustreiten. Du hast die arme Chi schon genug geschädigt, indem du sie nicht geheiratet hast, obwohl sie dein Kind bekommen hat. Du kannst unsere Familie nicht beschämen, indem du es leugnest. Allein schon auf den Bildern kann ich sehen, dass das Kind ein Jun ist – sie hat unsere Nase."
"Alter Mann, ich denke, du verlierst deine Sehkraft. Pass besser auf dich auf, ich werde Wenzhe bitten, sofort einen Termin beim Hausarzt zu vereinbaren. Ich habe andere Dinge zu erledigen."
Damit legte er auf und rief Wenzhe zu sich. Die einzige Person in seinem Umfeld, die seiner Familie Informationen geben könnte, war seine Sekretärin.
"Wenzhe, woher hat mein Großvater ein Bild von der Nachbarin, das zeigt, wie sie mein Haus verlässt?"
Wenzhe, der in diesem Fall unschuldig war, war sehr schockiert, als er die Frage hörte. "Ich bin es nicht, junger Meister. Ich schwöre es bei meiner Familie."
Jun Muyang trommelte nachdenklich mit den Fingern auf seinem Schreibtisch. Dann griff er zum Telefon. Das Bild, das sein Großvater geschickt hatte, war professionell bearbeitet; das konnte nicht Wenzhes Werk sein.
Er öffnete Weibo und sah, dass sein Name an vierter Stelle der Trends stand. Er ging zur naheliegenden Quelle des jüngsten Klatsches im Reich, dem Mighty Little Peepstar. Und tatsächlich hatte der Mighty Little Peepstar gepostet: [Traurige Nachrichten für die Alleinstehenden des Imperiums: Gerüchte besagen, dass der umwerfende Professor, Milliardär und CEO Jun Muyang nicht mehr zu haben ist. Die glückliche Frau ist niemand anderes als Lady Chi Lian aus der untergegangenen Familie Chi. Vielleicht haben die Chis doch noch ihr Aschenputtel hervorgebracht.]
Unter dem Beitrag befand sich ein Bild von Chi Lian, wie sie Jun Muyangs Haus mit Mei-Mei im Arm verließ. Auf einem weiteren Bild stand Jun Muyang sehr nahe bei Chi Lian im Haus. Ihre Gesichter waren so nah, dass es beinahe wie ein intimer Moment aussah.
Dieser verdammte Paparazzo! Er schlug mit der Faust auf den Tisch. "Wenzhe", rief er barsch, "durchsuche mein Haus nach Wanzen."