Als Ophelia aufwachte, konnte sie sich keinen Millimeter rühren. Die Erinnerungen an die leidenschaftliche letzte Nacht hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben. Als er schließlich von ihr abließ, war sie von seinem Samen benetzt.
Nun strömte Sonnenlicht durch die Glasfenster herein und sie war benommen.
Ophelia blinzelte verwirrt und konnte ihren Kopf nicht bewegen, um sich umzusehen. Ihr gesamter Körper war unter einem größeren begraben. Nicht zu vergessen, ihre Haut fühlte sich rau an, ihre Glieder waren schmerzend und ihre Schenkel zitterten noch immer.
Nach einigen Blicken sah Ophelia, wer sie bedeckte, und erinnerte sich an das, was zu diesem Moment geführt hatte. Ihr Gesicht glühte, als sie sich daran erinnerte, wie oft sie seinen Namen geschrieen und den Höhepunkt erreicht hatte.
"Es ist schon Morgen...", flüsterte Ophelia leise, drehte den Kopf und roch den schwachen Duft einer erlöschenden Kerze in der Zimmerecke.
Als sie an ihren Ehemann dachte, blinzelte Ophelia.
"Ähm...", sie blickte auf und sah zunächst seinen kräftigen Hals. Dann seine markante Kieferlinie, und schließlich seinen Mund, der von häufigen Küssen und Saugen gezeichnet war, aber nie auf den Mund geküsst.
Warum küsste Killorn sie nicht auf die Lippen? Er nahm sich, was er von ihrem Körper wollte, aber nie diese intime Geste?
Ophelia berührte ihre Lippen, spürte ihre Rauheit und fragte sich, ob es daran lag, dass gerade dieser Teil von ihr unattraktiv war. Alles andere an ihr schien ebenso wenig anziehend, doch das schien ihn nicht zu stören.
"Aber du, im Vergleich...", starrte Ophelia ihn fassungslos an. Sie lagen auf der Seite, ihr Körper eng an seinen gepresst, und seine Arme hielten sie besitzergreifend umfasst.
Killorn hatte sein Gesicht in ihr Haar vergraben. Erst als Ophelia sich zurücklehnte, konnte sie ihn richtig sehen. Sein wildes Haar - dunkel wie die Nacht, doch weich wie Wolle - faszinierte sie. Seine Wimpern waren lang, seine Augen vom Schlaf fest geschlossen, und seine Stirn lag in Sorgenfalten.
Killorn musste von der Rückreise erschöpft sein. Sie fragte sich, ob er die ganze Fahrt über überhaupt geruht hatte. Die Erschöpfung zeichnete sein Gesicht noch reifer. Seine Lippen waren voll und weich, fest aufeinander gepresst. Selbst im Schlaf vermittelte er eine Steifigkeit, die die schlimmsten Unwetter fürchten ließ. Er war die Verkörperung von Stärke in dieser Welt, mit seinen breiten Schultern, schlanker Taille und geschicktem Körper.
"Du bist der prächtigste Mann, den ich je gesehen habe...", murmelte Ophelia, da niemand da war, der sie beobachten oder hören konnte.
Ein reisender Arzt hatte einmal gesagt, ihr Verhalten sei nicht physisch, sondern psychologisch bedingt. Zu jener Zeit war die Matriarchin noch wütender gewesen, denn der Geist kann nicht so schnell heilen wie der Körper.
"Mein edler Gemahl", probierte Ophelia die Worte auf ihrer Zunge. Jedes Mal, wenn sie ihn angemessen ansprach, korrigierte er sie.Ophelias Amme sagte einst, eine Ehefrau dürfte niemals die Liebe ihres Gatten genießen. Solche Zuneigung sei der Geliebten vorbehalten, denn wohlhabende und mächtige Männer heirateten nur selten ihre wahre Liebe.
Ophelia wollte nicht habgierig sein. Sie scheute davor zurück, ihn bei seinem Namen zu nennen, aus Angst, sie könnte diesen missbrauchen und noch tiefer in ihn verliebt sein. Sein Name allein war so befriedigend wie ein geschliffenes Schwert.
Wie viele waren es wohl gewesen? Wie vielen Frauen hatte er sich in den zwei Jahren ihrer Trennung hingegeben? Bei seiner Ausdauer und unbändigen Begierde würde er niemals keusch bleiben.
Mindestens hoffte Ophelia, dass er gesund war. Sie kannte Geschichten über liederliche Frauen und die seltsamen Warzen, die diese hatten, weil sie das Bett mit Fremden teilten.
"Bitte lass es an einer Hand abzählbar sein…" Ophelia fragte sich, ob dies zuviel verlangt war von dem charmanten Kommandanten.
Ein Blick. Mehr brauchte Killorn nicht. Sein durchdringender Blick genügte, dass Frauen sich vor ihm entkleideten. Ein sanftes Lächeln reichte, und eine Frau würde vor ihm knien, bettelnd um seine Gunst. So fühlte sich auch Ophelia.
"Widerlich."
Ophelia erstarrte, in ihr spannte sich jede Zelle an. Sie war so peinlich berührt von ihrem Starren, dass sie schnell zu seinem breiten Nacken blickte. Sie wusste, dass er wach war, weil er sich leicht bewegte.
Killorn stöhnte leise. Der Klang war tief und hallte in seiner festen Brust wider. Ihr wurde heiß im Gesicht, als sie sich an die Laute erinnerte, die sie von sich gegeben hatte, an ihre Hand, die nach der Decke tastete – die er jedoch schnell ergriff – und an ihr Schreien, als er sie fest umschlossen hielt.
"E-entschuldigung…"
Killorn rührte sich nicht einmal. Ophelia beobachtete ihn eingehend, als ihr bewusst wurde, wie erschöpft dieser Mann war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er tagelang hoch zu Ross oder in Wolfsform den Kontinent durchquerte, nur um zurückzukehren – zu ihr.
Ophelia konnte nicht ertragen, ihm ihr unvorteilhaftes Morgengesicht zu präsentieren. In den nächsten Minuten strampelte sie, um sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Endlich brach ihr der Schweiß aus, doch sie suchte immer noch nach ihrem Kleid.
Da sie ihr ganzes Leben lang misshandelt worden war, hatte Ophelia gelernt, sich selbst anzukleiden. Sie bevorzugte es ohne Zofe auszukommen, denn diese waren ihr nie wohlgesonnen. Sie eilte ins Badezimmer, verrichtete ihre Morgentoilette, erfrischte ihr Gesicht am Waschtisch und zog dann frische Unterwäsche, ein Unterkleid, Kniestrümpfe und weitere Kleidungsstücke an.
Ophelia schlüpfte in das purpurne Gewand und machte sich auf den Weg zu den Toren. Sie sah, dass die Zelte fest verschlossen waren und einzig Nachtwachen draußen standen. Ohne bemerkt zu werden, schlich sie sich davon und lief eilig zurück zum Zelt des Hauses Eves. Dort rief sie den nächstbesten Diener herbei.
"Bitte richtet eine Schüssel mit Wasser für den Morgen her", stammelte Ophelia, während sie mit entschlossenem Blick das Dienstmädchen anstarrte.
Die Magd erwiderte jedoch nur mit einem herablassenden Grinsen und ignorierte ihre Herrin. Dann drehte sie sich um und ging davon.'"Hast du mich nicht gehört?" sagte Ophelia in forderndem Ton, doch ihre Stimme zitterte.
Das Dienstmädchen warf irritiert einen Blick über die Schulter. Hass blitzte in ihren Augen auf, als sie Ophelia wortlos verspottete. Ihr hinterhältiger Ausdruck, kombiniert mit kalter Verärgerung, ließ Ophelia die Fingernägel in ihre Handflächen graben.
Eines Tages, sagte sich Ophelia. Eines Tages würde sie ...
"Mach es selbst." Mit einem leisen Kichern ging das Dienstmädchen davon.
So wurde Ophelia immer behandelt. Sie hatte es immer hingenommen, von den Dienern ignoriert zu werden. Warum sollten sie auch ein uneheliches Kind bedienen wollen, das oft weniger wert war als ein Bauer?
Würde ein gewöhnlicher Diener sich für einen Bauern erniedrigen?
Bevor Ophelia es sich versah, näherte sie sich der Dienerin und tippte ihr auf die Schulter. Ophelia würde alles tun, um das Grinsen aus dem Gesicht der Dienerin zu wischen. Also tat sie es.
"Was wollt Ihr jetzt..."
PAK!
Das Dienstmädchen stieß einen spitzen Atemzug aus und griff ungläubig ins Gesicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie von ihrem Herrn geschlagen. Mit zitternder Hand berührte sie die Stelle und spürte ein Kribbeln unter ihren Fingerspitzen.
"Du..."
PAK!
Ophelia versetzte der Magd eine Ohrfeige auf der anderen Seite des Gesichts. Entsetzt sah sie zu, wie das Gesicht der Magd zu beiden Seiten hin scharlachrot anlief. Ihre Handfläche brannte als Erinnerung an ihre brutalen Strafen.
"Holt das Wasser. Sofort." Ophelia richtete sich auf. Bei einer anderen Gelegenheit hätte sie dieses Fehlverhalten vielleicht hingenommen. Doch Ophelia wollte eine gute Ehefrau sein und ihrem Mann das Morgenwasser bringen.
Bevor Ophelia reagieren konnte, hob die Magd die Hand. Ophelia ergriff das fremde Handgelenk und ihre Augen blitzten warnend auf.
"Wiederhole mich nicht", zischte Ophelia.
"Braucht Ihr Hilfe?"
Ophelias Kopf drehte sich, als sie von der Unterbrechung der unbekannten Dienerin überrascht wurde. Sie hielt inne, berührt von deren freundlichem Ausdruck. Keine der Dienerinnen des Hauses Eves war je freundlich zu ihr gewesen, war diese Person neu?
"Begleitet mich, Mylady, ich helfe Euch", fuhr das Dienstmädchen mit seinem freundlichen Gesichtsausdruck fort. "Der Brunnen ist weit von hier, aber wir können das Wasser gemeinsam holen. Wäre das in Ordnung?"
Ophelia ließ die Magd los, an der sie festgehalten hatte. Dann glättete sie ihr Kleid und nickte.
"Führt den Weg," entschied Ophelia.
Das Dienstmädchen senkte höflich den Kopf. Die Ungewöhnlichkeit der Situation verwirrte Ophelia, doch sie sagte nichts.
Ophelia folgte dem Dienstmädchen von den Zelten weg in die Richtung, aus der sie sich erinnerte, dass Wasser geholt wurde.
"Es ist ein ziemlich langer Weg," sinnierte das Dienstmädchen.
Ophelia tat so, als würde sie den Kommentar des Dienstmädchens nicht hören. Sie ging eine ganze Weile mit dem Dienstmädchen, bis sie tiefer in den Wald gingen. Ein unheilvolles Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus.
"Das ist nicht der Weg zum Brunnen," stellte Ophelia laut fest und blieb mitten in der Bewegung stehen.
"Nein, das ist er nicht, Mylady."
Bevor Ophelia reagieren konnte, stürmten Dutzende von Männern aus den Bäumen hervor. Sie schrie entsetzt auf und drehte sich um, doch es war zu spät. Rote Augen. Weiße Zähne. Sie war von allen Seiten des Waldes umzingelt, ohne Ausweg.
Eine eiskalte und unheimliche Stimme erfüllte die Luft. Ein Mann trat aus der Gruppe hervor und offenbarte seinen mörderischen Blick.
"Hallo, Schwägerin."