Jene schicksalhafte Nacht zwang ihr Leben zu einer drastischen Wendung.
Einige Monate, nachdem sie Shenzhen zusammen mit Li Meili verlassen hatte, befand sich Tang Moyu in der Geburtsabteilung eines der renommiertesten Krankenhäuser in New York City. Sie biß die Zähne zusammen, gequält von den heftigen Wehen in ihrem Unterleib und Rücken. Ihre Hände umklammerten die Seitengitter des Bettes so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Der Schmerz war nicht scharf und kurz, sondern dumpf und langanhaltend, gerade genug, um sie an den Rand ihrer Kräfte zu bringen. Tang Moyus Gesicht erbleichte fahl. Vor Schmerz brach sie in kalten Schweiß aus.
Anders als bei einer einzelnen Schwangerschaft brachte Tang Moyu ihre Zwillinge in der sechsunddreißigsten Woche zur Welt.
Als Li Meili sie so sah, sorgte sie sich um ihre Freundin. Tang Moyu hatte keine Familie, die für sie sorgen konnte, und es schmerzte Li Meili, in dem Wissen, dass dies nicht das letzte Mal sein würde, dass ihre beste Freundin alles alleine durchstehen musste. Es war erst der Anfang.
"Moyu, hab keine Angst. Ich bin bei dir. Deine Kinder werden sicher und gesund auf die Welt kommen. Es wird alles gut werden," beruhigte Li Meili sie.
Tang Moyu schloss ihre Augen, als die Krankenschwestern hereinkamen, um sie in den Kreißsaal zu schieben, während Li Meili vor der Tür wartete.
Sechs Stunden später erklang von drinnen das laute Weinen eines Babys. Der Erstgeborene war ein Sohn, der direkt in einen Brutkasten gelegt und anschließend in das Säuglingszimmer gebracht wurde. Der jüngere Zwilling war ein Mädchen mit einem sehr schwachen Herzschlag, der den Arzt und die Hebamme in helle Aufregung versetzte.
Im Gebärsaal wurde Tang Moyu vor Erschöpfung ohnmächtig.
Als sie erwachte, fand sie Li Meili vor, die auf der Bettkante saß und ein Baby hielt. Sie strahlte Tang Moyu an, als sie sah, dass diese erwachte.
"Sieh mal, Moyu. Du hast solch wunderschöne Babys zur Welt gebracht." Li Meili legte das Mädchen in Tang Moyus Arme, bevor sie den weinenden Jungen aus seinem Bettchen nahm. "Jetzt, jetzt. Tante Mei ist hier für dich. Willst du auch deine Mama kennenlernen?" Sie sprach sanft zum Kind.
Tang Moyu betrachtete die beiden kleinen Geschöpfe, die sie geboren hatte. Wie ihre Freundin sagte, waren es die schönsten Babys, die sie je gesehen hatte. Beide hatten seidig pechschwarzes Haar auf dem Kopf, samtige, jadeartige Haut und rosige Bäckchen. Sie sahen entzückend aus.
Sie blickte auf das schlafende Baby in ihren Armen herab. Das Kleine strampelte, sie sah wie Li Meili ihren Sohn festhielt, und kopierte dann den sicheren Griff ihrer Freundin, um das Baby in ihren Armen zu beruhigen.
Tang Moyu betrachtete ihre Tochter eingehender. Sie konnte kaum glauben, dass ein so bezauberndes und zerbrechliches Kind aus ihrem Leib kam. Sie hatte immer daran gedacht, irgendwann Ehefrau zu sein, hatte es sich jedoch nie vorgestellt, Mutter eigener Kinder zu sein.
Ihre Hand berührte den Kopf des Babys, die Finger glitten abwärts, um das runde Ohr des Kindes zu streicheln.
"So schön", flüsterte sie.
"Wie willst du sie nennen?" fragte Li Meili, als sie sich neben Tang Moyu setzte und einen Blick auf das kleine Mädchen warf. Der kleine Junge in ihren Armen regte sich, blieb aber ruhig.
Tang Moyu strich mit ihrem Zeigefinger sanft über die glatte, rosige Wange ihrer Tochter. Das Baby lächelte, zu ihrem Erstaunen und zu Li Meilis Vergnügen.
"Feixiu." Tang Moyu entschied. "Ihr Name soll Tang Feixiu sein."
Sie war ein kleiner Stern in ihren Armen, der eines Tages hell erstrahlen und wie eine mächtige Sonne die Menschen mit ihrem Licht blenden würde.
"Und der Kleine?" fuhr ihre Freundin fort."Tang Feiyu."
Da sie niemanden außer ihren Kindern hatte, schwor Tang Moyu, dass sie sie mit ihrem Leben beschützen würde.
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Fünf Jahre später...
Ein lautes Summen durchbrach die Stille des Zimmers, gefolgt von einem leisen Stöhnen, das von der Frau ausging, die sich in der Mitte des Bettes zusammengerollt hatte, in der Hoffnung, das Summen würde aufhören und sie noch fünf Minuten schlafen lassen, bevor sie ihren Tag begann.
Es hörte jedoch nicht auf und zwang sie, sich auf die Seite zu drehen, wobei sie eine Hand unter der Bettdecke hervorholte, um die Schlummertaste ihres Weckers zu drücken.
Endlich, ein Moment der Ruhe. Doch einen Moment später war dieser Moment vorbei, als sie trappelnde Schritte hörte, die in ihre Richtung kamen.
"Mami? Bist du schon wach?" Die süße, charmante Stimme eines kleinen Mädchens drang an Tang Moyus Ohren.
Ein Paar süßer kleiner Brötchen blieb am Rande ihres Bettes stehen, wobei eines von ihnen versuchte, die Decke wegzuziehen, die sie ganz zudeckte. Tang Moyu stöhnte erneut auf und spürte ein leichtes Eintauchen ihres Bettes, als ihre Tochter beschloss, dass ihre Mutter genug geschlafen hatte und versuchte, sich zu ihr unter die Decke zu schleichen.
Ein paar kleine Arme versuchten, sie unter der Decke zu umschlingen, aber es gelang ihnen nicht. Tang Moyu öffnete ein Auge und blickte in das grinsende Gesicht ihrer Tochter, die mit ihren pummeligen kleinen Fingern in die Seite stupste.
"Mami, wach auf! Aufwachen! Die Sonne ist schon aufgegangen!" Das kleine Mädchen, dessen Haare zu Zöpfen zusammengebunden waren, quietschte laut, als Tang Moyu versuchte, sie auf das Bett zu drücken und ihre Seiten zu kitzeln. "Ahhh! Yu Gege, hilf mir! Mami hat sich in ein Kitzelmonster verwandelt!"
"Urgh, es geht schon wieder los", hörte Tang Moyu ihren Sohn murmeln, während er die Laken über ihnen zurechtzog und das Sonnenlicht, das aus den Fenstern strömte, auf sie fallen ließ.
"Zu hell. Xiao Bao, kannst du Mami bitte noch ein bisschen schlafen lassen?" Tang Moyu drehte sich zu ihrem Sohn um und bedeckte ihre Augen mit einem Arm, um sie vor dem plötzlichen Licht aus dem Fenster zu schützen, das auf ihr Gesicht traf.
Der kleine Junge sah sie finster an, der Unmut stand ihm ins Gesicht geschrieben, während seine Zwillingsschwester immer noch versuchte, sich an ihrer Mutter zu rächen, indem sie Tang Moyu erneut mit dem Zeigefinger in die Seite stieß, aber keine Reaktion von ihrer Mutter bekam.
"Aber Mami hat doch versprochen, dass sie mit mir und dem Kleinen Stern ausgehen würde. Hast du nicht gesagt, dass du heute nicht arbeiten musst?" Er erinnerte sie daran.
Tang Moyu nahm ihren Arm von ihren Augen und seufzte. Sie betrachtete ihren vierjährigen Sohn, der die gleiche Haarfarbe wie sie hatte, aber die Form seines Gesichts und seine Augen stammten eindeutig nicht von der Familie Tang. Tang Feiyu war zu klug für sein Alter, so dass sie sich fragte, ob er das von seinem Vater geerbt hatte, einem Mann, dessen Identität sie noch nicht kannte.
"Yu Gege, bitte sei nicht so streng mit Mama. Sie ist müde von der Arbeit, nicht wahr?" Das kleine Mädchen schmollte ihren älteren Bruder an.
Im Gegensatz zu ihrem älteren Bruder hatte Tang Feixiu die Augenfarbe und den Teint von Tang Moyu. Allerdings stand die fröhliche und unbekümmerte Persönlichkeit dieses Kindes in krassem Gegensatz zu Tang Moyu.
"Also gut. Lass uns den Tag nicht mit einer weiteren Runde Streit beginnen. Geh dich in deinem Zimmer waschen, und wir frühstücken ein wenig, bevor wir losgehen, okay? Tang Moyu ahnte schon, worauf das hinauslaufen würde.
Sie zwang sich, aus dem Bett zu klettern, ihre nackten Füße spürten den weichen Teppich unter sich, bevor sie zum Badezimmer ging, das an ihr Zimmer angeschlossen war. Sie konnte das leise Gemurmel der Zwillinge hören, als sie sich auf den Weg zurück in ihr Zimmer machten.