Nan Hua hob ihren Kopf und blickte zurück. Ein älterer Herr näherte sich ihnen, gefolgt von einem vorsichtig schreitenden Diener. Seine Haare waren weiß geworden, aber er besaß eine robuste Statur und wirkte durchaus lebendig. Bei näherem Hinsehen fiel auf, dass er leicht hinkte.
Der junge Nan Luo versteifte sich. Er drehte seinen Kopf, während er seine Schwester immer noch fest umklammerte. "Großvater...."
"Du Lümmel! Habe ich dir nicht gesagt, du darfst nicht herauskommen, bevor du deine Aufgaben nicht erledigt hast? Soll ich dir den Hintern versohlen?"
"Ahhh! Hilfe!" Nan Luo rannte schnell zur Seite, als sein Großvater drohte, den Gehstock zu erheben, um ihn wirklich zu bestrafen. Die Diener konnten nur machtlos zusehen, wie der Junge herumrannte.
Junger Meister, bitte verhalt' dich.
In Nan Huas Augen blitzte es auf, als sie den alten Mann vor sich betrachtete. Sie spürte, dass er nicht wirklich zornig war. Wie erwartet, ließ der alte Meister Nan seinen Gehstock sinken und trat auf Nan Hua zu.
Der Größenunterschied ließ ihn riesenhaft erscheinen. Er senkte seine Hand und tätschelte ihr sanft den Kopf. "Hua'er, du bist zurück."
"Großvater", rief Nan Hua.
Der alte Meister Nan nickte. Er schmalte seine Augen, als er bemerkte, wie still Nan Hua war. "Hat dich dieses Fräulein aus der Familie Long wieder geärgert?"
Nan Hua blinzelte und schüttelte langsam den Kopf.
"Hua'er! Wenn sie dich ärgert, sag es uns! Ich werde sie verhauen!" Nan Luo, der eigentlich geflüchtet war, eilte an Nan Huas Seite. Die Strafe war ihm egal, denn wer es wagte, seine Schwester zu belästigen, der musste den Preis zahlen.
Hmpf!
Bletak!
Der alte Meister Nan schlug leicht auf Nan Luos Kopf. Er schüttelte den Kopf, als er sah, wie sein Enkel seine Hand hielt und sich kauerte. "Du willst sie verhauen, und was denkst du, wie dein Ruf sein wird? Ein Tyrann?"
"Aber sie hat Hua'er zuerst geärgert!" protestierte Nan Luo.
"Wenn du deiner Schwester wirklich helfen willst, dann bring Beweise." Der alte Meister Nan fühlte sich hilflos angesichts dieser beiden. "Ohne Beweise kannst du diesem kleinen Mädchen nichts anhaben."
Obwohl er auch einfach sein Heer zusammenrufen und das Mädchen der Long-Familie zwingen wollte, wäre das unmöglich. Die Familie Long war ebenfalls eine Familie von Generälen, und das gegenwärtige Oberhaupt war ein großer General. Im Vergleich dazu war sein Sohn lediglich ein Beamter vierten Ranges.
Das war zwar ansehnlich, doch im Vergleich zu anderen Beamten nichts Besonderes. Als Beamter hatte der alte Meister Nan nur wenig Hoffnung, dass sein Sohn die Tradition der Generäle weiterführen würde. Es war bedauerlich, dass sein Sohn sehr schwach war, aber er hatte nur diesen einen Sohn.
Es gab auch keine Aussicht darauf, dass sein Sohn in diesem Leben eine Beförderung erreichen würde.
Der alte Meister Nan konnte auch von seinem Sohn nicht mehr verlangen. Einerseits war er nur Beamter, andererseits hatte er Unordnung in seinem Haushalt und hätte beinahe eine Chance auf Beförderung in der Vergangenheit verpasst.
Selbst jetzt war es noch ein Makel in seiner Laufbahn.
Der alte Meister Nan konnte nur seufzen, wenn er an seinen eigenen Sohn dachte. Leider hatte er nur diesen einen Sohn. So enttäuschend sein Sohn auch sein mochte, er konnte die andere Partei nicht einfach verstoßen.
Zum Glück bekam er von seinem nutzlosen Sohn diese beiden süßen kleinen Knirpse. Mit seinen beiden Enkelkindern war er sehr zufrieden.
Nan Hua betrachtete ihren Großvater und dachte einen Moment nach. Sie musste immer noch herausfinden, wie die Dinge in dieser Welt liefen, aber Gerechtigkeit auf der Grundlage verfügbarer Beweise einzufordern, sollte doch das Gleiche sein, oder?
Sie sah zum alten Meister Nan auf, während in ihrem Kopf langsam Gedanken Form annahmen. Es dauerte nicht lange, bis sie eine Entscheidung getroffen hatte.
Langsam zupfte sie am Ärmel ihres Großvaters.
"Großvater."