Die Familienvilla der Lawrences war eine der ältesten Villen in South Hampton City. Sie befand sich im Herzen der Stadt und jeder Quadratzentimeter des Anwesens war seinen Preis wert.
Die Vorderseite des Anwesens war von künstlichen Hügeln und Flüssen umgeben, und tief im Inneren befand sich ein kleiner Dschungel mit üppiger Vegetation. Das Gebäude selbst widersprach dem traditionellen Design von South Hampton; es war schlicht und elegant. Dadurch wirkte der Ort wie eine Oase inmitten der Betonwüste.
Nach einem ruhigen Weg tauchte das Hauptgebäude der Villa vor ihnen auf.
Das hohe Tor mit seinem pompösen Design erregte nicht Jeanne's Aufmerksamkeit. Sie ging zusammen mit George ohne zu zögern hinein.
Mehrere elegante Damen unterhielten sich auf der Couch in der Wohnhalle.
Mit Jeanne's Ankunft verstummten sie sofort.
Eine der Damen spottete. "Oh schau mal, wen haben wir hier? Ist das nicht die Prinzessin der Lawrence-Familie? Oh, Entschuldigung, die Ex-Prinzessin."
Ex?
Jeanne grinste und ließ sich von den Kommentaren nicht beirren.
"Schaut mal, sie hat sogar ein eigenes Kind. Ich dachte, es wären nur Gerüchte, aber es stellte sich heraus, dass sie im Ausland einen Sohn bekommen hat und sie ist nicht einmal verheiratet. Ich schäme mich für sie," sagte die andere Frau und kicherte.
Die Frauen fing an Jeanne zu verspotten, als eine der Damen in der Mitte aufstand. Sie trug eine traditionelle Kleidung und obwohl sie schon über 50 war, hatte sie ihre Figur perfekt gehalten.
Sie trat näher an Jeanne heran und zeigte ein warmes und einladendes Gesicht. "Jeanne, du bist endlich zurück. Dein Vater wartet auf deine Rückkehr."
Die Frau war Jenifer - Jeanne's sogenannte Stiefmutter. Die Frau, mit der Alexander während der Ehe eine Affäre hatte.
Vor anderen wirkte Jenifer immer unschuldig und harmlos, aber im Verborgenen unternahm sie alle möglichen Aktionen, um anderen Schaden zuzufügen.
Jeanne grinste. "Jenifer, das musst du jetzt nicht tun. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass du eine von denen warst, die mich damals aus dem Haus geworfen haben."
Jenifer fühlte sich für einen Moment verlegen.
Sie wusste, dass Jeanne schon immer ein streitlustiges Mädchen war und dachte, dass sich die Sache nach so vielen Jahren gelegt haben würde. Zu ihrer Überraschung war ihr Feuer immer noch da und es schien, dass sie zurückgekommen war um Ärger zu machen.
Sie lächelte gelassen und sagte: "Es war die Entscheidung deines Vaters. Aber wie das Sprichwort schon sagt, Blut ist dicker als Wasser. Es ist schön, dich wieder hier zu haben."
"Ja, was auch immer du sagst." antwortete Jeanne grinsend.
Jenifer war gut darin Meinungsverschiedenheiten mit ihrer lässigen Haltung zu überspielen. Vor ihr wirkte jedes Problem bedeutungslos. Sie rief eine der Bediensteten herbei.
"Maria, bringe Jeanne's Gepäck auf ihr Zimmer. Master Lawrence erwartet sie. Sobald du ihr Zimmer hergerichtet hast, bring sie ins Arbeitszimmer des Meisters."
Sie klang sanft, aber ihre Worte deuteten auf etwas anderes hin.
Maria trat heran. "Ja, Madam."
Anschließend führte Maria Jeanne die Treppe hinauf.
Während Jeanne die Treppe hinaufging, konnte sie noch hören, wie die anderen Damen hinter ihrem Rücken über sie spotteten.
"Jenifer, du solltest nicht so nett zu diesem Mädchen sein. Sie ist unhöflich, schamlos und albern. Du solltest es ihr nicht mehr erlauben, einen Fuß in diese Villa zu setzen."
"Es tut mir leid für Master Lawrence, dass er so eine unbeholfene Tochter hat."
"Ich weiß, dass sie von klein auf unhöflich und hitzig war. Sie ist eifersüchtig auf die Errungenschaften anderer. Als sie herausfand, dass Jasmine und Eden zusammen waren, sagte sie sogar, dass sie den vierten Meister der Swans heiraten wird, so dass Eden sie Tante nennen muss, wenn sie sich treffen. Warum sollte der vierte Meister Swan jemanden wie sie heiraten?"
"Komm schon, Mädels. Sie war damals noch ein Kind." hält Jenifer ihre Freundinnen davon ab, über Jeanne zu sprechen, so dass sie großzügig und nachsichtig wirkt.
In diesem Moment trat jemand mit einem klaren Ton durch den Eingang.
"Mama, Eden und ich sind zurück."
Eden?
Jeanne's Füße erstarrten für einen Moment und George bemerkte Jeanne's Pause.
Jeanne zottelte an George's lockigem Haar und setzte ihren Weg fort.
Wieder in der Wohnhalle angekommen, begrüßten Jasmine und ihr Verlobter Eden die anderen.
Jasmine und Eden sahen wie das perfekte Paar aus und waren in der gehobenen Gesellschaft von South Hampton für ihr Liebesglück sehr bekannt.
Während er Jasmine's Hände in seinen eigenen hielt, warf Eden einen Blick auf die Treppe und sah eine vertraute Gestalt.
Jasmine bemerkte Eden's Reaktion und sah in dieselbe Richtung. Ihre Mimik veränderte sich schlagartig, als sie die Frau erkannte und rief laut: "Ist Schwesterchen wieder da?"
Jenifer nickte. "Geh und begrüße deine Schwester später."
"In Ordnung." antwortete Jasmine gehorsam, doch tief in ihrem Inneren brodelten finstere Gedanken.
Sie glaubte, dass Jeanne keine Ahnung hatte, warum sie nach sieben Jahren zur Familie Lawrence zurückgerufen worden war.
…
Nachdem Jeanne ihr Gepäck abgelegt hatte, bat sie George zu warten, während sie das Zimmer von Master Lawrence besuchte.
Master Lawrence, oder Jonathan Lawrence, war das Oberhaupt der Familie und Jeanne's Großvater.
Jonathan war an einen Rollstuhl gebunden und musste die meiste Zeit in seinem Zimmer verbringen. Vor 3 Jahren hatte er einen Schlaganfall erlitten, der seinen Unterkörper gelähmt hatte.
Jeanne wusste nicht, ob es Karma war oder nicht, aber sie wünschte es. Sie glaubte, dass Gott Mitleid mit ihrem Großvater hatte.
Sie ging in das Zimmer und sah, dass Jonathan gerade von seinem persönlichen Bediensteten vom Balkon hereingeschoben wurde.
"Du bist wieder da." Jonathan's Stimme klang gealtert.
Jeanne nickte.
"Komm in das Arbeitszimmer. Ich habe etwas mit dir zu besprechen."
Jeanne beobachtete, wie der Bedienstete den Mann in das geräumige Arbeitszimmer führte. Ab dem Moment ihrer Begegnung fühlte es sich nicht an wie eine Familienvereinigung nach so vielen Jahren. Es fühlte sich eher an wie zwei Fremde, die über Geschäfte sprachen, oder noch schlimmer, wie Feinde, die verhandeln.
Jeanne setzte sich gegenüber Jonathan.
Jonathan sagte: "Du warst viele Jahre im Ausland. Es ist an der Zeit, sich niederzulassen."
"Ja." antwortete Jeanne und nickte. Sie schaffte es irgendwie, ihren Groll auf den Mann zurückzuhalten und sagte nicht, dass er und seine Familie es waren, die sie vor sieben Jahren aus der Villa geworfen hatten.
Sie musste zumindest ein gewisses Maß an Respekt vor dem Mann bewahren, denn er war derjenige, der die Kontrolle hatte, der König, der über sein Königreich herrschte. Sie war nicht mehr das junge Mädchen, das glaubte, es könne ungehindert gegen die ganze Welt antreten.
"Du wirst älter. Deine Schwester wird heiraten, also glaube ich, dass es an der Zeit ist, darüber nachzudenken, wo du dich niederlassen willst."
"Du hast mich also nicht zurückgerufen, weil du willst, dass ich dich ein letztes Mal sehe, sondern weil du willst, dass ich heirate?"
"Ich bin noch am Leben und top fit. Darüber musst du dir keine Sorgen machen." Jonathan hatte einen düsteren Ausdruck im Gesicht.
Jeanne schmunzelte.
Jonathan fügte hinzu: "Der zweite Sohn der Familie Locke, Theduss. Er ist 5 Jahre älter als du und war früher mit seiner Karriere beschäftigt und hat seine familiären Pflichten vernachlässigt. Er wird dieses Jahr 30 und ich habe mich mit ihnen über die Bedingungen abgesprochen. Du wirst ihn morgen treffen und ihr könnt euch vor der Hochzeit sehen."
Jeanne spottete. "Karriere? Du meinst wohl, dass Thedus erst kürzlich freigelassen wurde, weil er vor einigen Jahren den Tod eines Mannes verursacht hat, oder? Es gibt so viele reiche Mädchen hier in South Hampton, aber niemand will ihn heiraten."
"Die Vergangenheit ist jetzt Vergangenheit. Es stört ihn nicht, dass du ein Kind hast und du hast das Glück, dass diese Hochzeit für dich arrangiert wird. Lerne, dankbar zu sein!" sagte Jonathan streng.
Dankbar? Der Mann wollte, dass sie einen Kriminellen heiratet und sie sollte dafür dankbar sein?
"Wenn du schon mit der Familie Locke gesprochen hast, werde ich mich damit abfinden," antwortete sie.
"Es ist gut, dass du zustimmst."
"Aber Großvater, ich habe gehört, dass die Ökonomie der Lawrence Familie in letzter Zeit einige Probleme hat. Ich frage mich, wie viel Geld die Familie Locke für meine Mitgift gegeben hat."
Jonathan reagierte bitter auf ihre Frage.
"Ich frage nur, um herauszufinden, wie viel ich wert bin."
"Du solltest dankbar sein, dass ich dich für die Hochzeit zurückgerufen habe. Ich habe dich nicht zurückgerufen, um mein Arrangement für dich in Frage zu stellen."
"Du hast recht, Großvater", antwortete Jeanne.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem scharfen Grinsen, das ihr schönes Gesicht bedrohlich wirken ließ.