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Chapter 49 - Natürliches Element

Ein paar Minuten lang lag Sunny einfach auf dem Boden und ließ den Regen auf sein Gesicht prasseln. Von Zeit zu Zeit zuckte ein Blitz am Himmel entlang und tauchte alles in blendendes Licht. Ansonsten war es fast völlig dunkel. Ohne sein Attribut hätte er Schwierigkeiten gehabt, die Umrisse von Nephis und Cassie auszumachen, die in der Nähe ruhten.

Nach einiger Zeit beschlich ihn jedoch ein Gefühl von Unbehagen: etwas stimmte nicht. Sunny runzelte die Stirn und versuchte herauszufinden, woher dieses Gefühl kam. Schließlich bemerkte er, dass es sein Schatten war. Es versuchte, seine Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken.

`Bitte, lass mich ausruhen. Ich möchte mich einfach nur ausruhen.'

Er war zu erschöpft, um irgendetwas zu tun. Sowohl sein Körper als auch sein Geist waren müde. Aber der Schatten beharrte darauf. So knurrte Sunny schließlich leise, drehte sich auf den Bauch und stand langsam auf. Nephis drehte den Kopf und sah zu ihm hinüber.

"Was ist los?"

Er verzog das Gesicht.

"Ich weiß es noch nicht. Etwas fühlt sich falsch an."

Cassie zitterte und rückte näher an Neph heran. Sunny folgte der Warnung seines Schattens und schaute sich um, bemüht, Anzeichen von Gefahr in ihrer Umgebung zu erkennen.

Auch mit seinem geschärften Blick bemerkte er zunächst nichts Ungewöhnliches. Der obere Teil der Klippen lag hoch über dem stürmischen Meer und bildete eine kleine Insel. Die Oberfläche war uneben, und einige vorspringende Felsen unterbrachen die Sicht. Zwischen ihrer Gruppe und dem nächsten Grat befand sich ein großer, scheinbar willkürlicher Bereich mit Erdhaufen und hohen Felsbrocken.

Nephis stand auf und beschwor ihr Schwert.

"Siehst du etwas?"

Sunny runzelte die Stirn.

"Nicht wirklich ..."

In diesem Moment blitzte ein weiterer Blitz auf und erhellte kurz die kleine Insel. Seine Augen weiteten sich vor Schrecken.

Die hohen Felsbrocken, die sie umgaben, waren unregelmäßig geformt und unbeweglich - deshalb hatte Sunny sie auf den ersten Blick nicht wahrgenommen.

Überall um sie herum lagen lautlos Aasfresser auf dem Boden.

Sunny erstarrte vor Angst. Die Haare in seinem Nacken sträubten sich und stellten sich zu Spitzen auf. Eins, zwei, drei... er konnte sie vor Panik nicht mehr zählen und biss die Zähne zusammen. Sieben... nein, acht von ihnen.

Offenbar hatten die drei Menschen nicht die einzige Idee gehabt, auf diesen Klippen Schutz vor dem dunklen Meer zu suchen. Er zitterte.

Diese Klippen waren eine Todesfalle ...

Als Nephis etwas an seiner Mimik bemerkte, wurde ihr mulmig:

"Sunny?"

Er drehte langsam den Kopf zu ihr und flüsterte:

"Sag nichts. Bewege dich nicht. Bleib einfach, wo du bist."

Ohne einen Grund zu erfragen, folgte sie seinen Anweisungen. Eine stumme Frage stand jedoch auf ihrem Gesicht.

Cassie tat es ihr gleich.

Mit geschlossenen Augen versuchte Sunny, seinen panischen Geist zu beruhigen. Es gab keine ausweglosen Situationen, jede Herausforderung hatte eine Lösung. Er musste nur eine finden …

Die Aasfresser griffen noch nicht an. Vielleicht schliefen sie oder warteten geduldig den Sturm ab, um nicht noch schrecklichere Monster anzulocken. Vielleicht hatten sie die Menschen auch einfach nicht bemerkt. Es war schließlich unbekannt, wie gut diese Geschöpfe sehen konnten. Vermochten sie es, im Dunkeln zu sehen? Wahrscheinlich nicht oder zumindest nicht so gut wie er.

Es gab noch Hoffnung.

Sunny öffnete die Augen und betrachtete die Insel erneut – diesmal mit anderen Gedanken. Er sah die Dunkelheit, das Tosen des Sturms, das die meisten Geräusche übertönte, und den großen Abstand zwischen den Aasfressern.

Dies war seine Welt: wie gemacht für einen Meister der Schatten. Hatte er nicht immer davon geträumt, ein lautloser Killer zu werden? Das war jetzt seine Chance. Er musste nur alles perfekt umsetzen: sich durch die Dunkelheit bewegen, angreifen, ohne den Feind zu alarmieren, jeden einzeln mit einem präzisen Schlag töten.

Immer und immer wieder. Er kannte ihre Stärken und Schwächen bereits - jetzt musste er dieses Wissen nur noch umsetzen. Und selbst wenn er einen Fehler machen würde, standen ihm noch andere Möglichkeiten offen. Echo und Nephis würden ihren Teil übernehmen, wenn es gefährlich würde.

Ja, das könnte funktionieren. Es musste einfach klappen.

Sunny blickte zurück zu Changing Star und Cassie.

"Ich kümmere mich darum."

Ehe sie reagieren konnten, verschwand er in den Schatten.

Im Schutze der Dunkelheit kroch Sunny näher. Seine Schritte waren leise und behutsam, sein Atem kontrolliert. Er legte eine Reihenfolge fest, um die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, zu minimieren, und schlich sich auf das erste Ziel zu – einem massigen Aasfresser weit entfernt von der Gruppe.

In den Schatten versteckt, fühlte sich Sunny plötzlich ruhig und konzentriert. Es war, als sei er endlich in seinem Element angekommen.

Während er sich der Silhouette des Aasfressers näherte, bremste er ab und umrundete sein Ziel. Das Monster bemerkte die lauernde Gefahr nicht, die mit jeder Sekunde näher kam. Nun hielt Sunny den Atem an und bereitete sich auf den Angriff vor.

Es gab keine zweite Chance.

'Schaff es!'

Mit diesen Gedanken stürzte er sich lautlos vorwärts.

Einen Schritt, zwei Schritte. Sunny sprang und landete mühelos auf dem Panzer des Monsters. Das azurblaue Schwert lag bereits in seiner Hand, der Stahl dunkel. Einen Augenblick später rammte er es in die Schwachstelle auf dem Rücken des Aasfressers, durchstieß das Chitin und zerschmetterte dessen Gehirn. Das leise Knacken des zerbrechenden Panzers wurde im Regen fortgespült.

Es war geschafft.

Sunny spürte einen Triumpf in seinem Herzen, doch er unterdrückte das Gefühl schnell. Es war nicht die Zeit zum Feiern – noch warteten sieben Ziele in der Dunkelheit auf ihn.

Er zog sein Schwert aus dem getöteten Aasfresser und sprang von dessen Leiche herunter.

Dabei runzelte Sunny die Stirn.

Warum hatte der Zauber geschwiegen?

Weder seinen Sieg noch die Absorption der Schatten hatten sie angekündigt.

Mit einer Gänsehaut drehte Sunny sich zu dem Aasfresser um. Er befürchtete zunächst, dass die Bestie vielleicht noch lebte ... doch das war nicht der Fall.

Sie war tot – so tot wie nur möglich.

Bei genauerem Hinsehen jedoch bemerkte Sunny etwas, das er zuerst übersehen hatte.

Als er es erkannte, erstarrte sein Gesicht mit Schrecken.