Es gibt keine schlechtere Zeit eine Katze zu sein, wie die Erdbeersaison. Du kennst doch diese frühsommerlichen Tage, wenn es sonnig, aber noch nicht zu heiß ist? Die Zeit für die allersüßesten Erdbeeren. Und allein daran zu riechen versetzt einen in nostalgische Kindheitserinnerungen zurück.
Durch eine Katzennase riechen sie himmlisch! Viel intensiver und voller, als das mit einer menschlichen Nase je möglich wäre. Aber leider mag ein Katzenmagen keine Erdbeeren (Und auch sonst nicht viel ).
Aber hier bin ich.
Wieder schwach geworden.
Und nun muss ich, als Katze, die Konsequenzen tragen.
Das bedeutet in diesem Fall, dass die Erdbeere wieder da raus will, wo sie auch herein kam.
Also zurück zu schlechten Zeiten eine Katze zu sein: Ich muss mich nicht nur gleich übergeben, wegen einer klitzekleinen Erdbeere, sondern werde aktuell auch noch von einer verrückten alten Dame mit Besen verfolgt. Zu ihrer Verteidigung hat sie mich in ihrem Garten beim Würgen erwischt, nachdem ich eine ihrer Erdbeeren stibitzt hatte - Trotzdem rechtfertigt das nicht ihr übertrieben aggressives Verhalten.
Aber da ich eine Katze mit durchaus hoher Intelligenz bin, gepaart mit mieserablen Kommunikationsfähigkeiten, versuchte ich es erst gar nicht, sie schrittweise von einer Therapie zu überzeugen ( Dort könnte sie lernen, ihre Wut in weniger zerstörerische Bahnen zu lenken, zum Wohle ihres Umfeldes)… stattdessen rannte ich davon.
Nun zu den guten Seiten am Katzendasein. Die körperlichen Fähigkeiten wie Rennen und Springen gehöre zu den wahren Talenten einer Katze.
Und mit einem großen Sprung war ich über den hölzernen Zaun in den Nachbargarten verschwunden.
Hahaa! Mit einem unsichtbaren, selbstzufriedenen Grinsen blickte ich zurück. Nicht so sportlich, meine bewaffnete Feindin, was?
Abgelenkt von meinem kleinen Erfolg, wäre ich fast ungebremst in ein ausgebreitetes Picknick-Büffet gestürzt. Mit einer letzten Gewichtsverlagerung, schaffte ich es die mit Sahne verzierte Torte zu umschiffen und über die restliche reichgefüllte Decke zu springen.
Ein bisschen außer Atem, blieb ich wenige Meter später stehen und schaute erneut zurück.
Fast genauso überrasch, wie meine Wenigkeit, starrten zwei Menschen von der Picknickdecke zurück.
„Awww, was für eine süße Katze. Schau , Erik! Sie ist ganz schwarz, aber auf der Nase hat sie einen kleinen weißen Fleck."
Die Frau, die sprach, vielleicht so um die vierzig Jahre, würde sicherlich gleich anfangen in Baby-Sprache mit mir zu reden, wenn ich ihr auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenke. Der Junge dagegen schaute recht desinteressiert - solche Menschen waren mir lieber. Er schien weder Interesse für mich zu haben (die Katze, die fast sein Picknick gecrasht hatte) noch für das Picknick selbst. Also ein typischer Teenager.
Aber als ich sein Gesicht näher betrachtete, lief es mir kalt den Rücken herunter. Ich hatte diesen Jungen definitiv noch nie getroffen, doch er erinnerte mich so sehr an IHN. Die selben braun-grünen Augen, die dunklen, fast schwarzen Haare. Genau wie die Person, der ich die Schuld für mein aktuelles Leben gab, und die ich einfach nicht vergessen konnte: meinen eigenen Bruder.
Wäre die verrückte Alte nicht am Zaun aufgetaucht, wild Namen rufend, währe ich wohl immer noch wie festgefroren - diesen Jungen anstarrend. Aber wieder mit der Realität konfrontiert, und dem immer noch vorhandenen Gefühl mich übergeben zu müssen, rannte ich erneut.
„Hast du gesehen, wie sie dich angeschaut hat? Ich glaube die mag dich…" war das letzte was ich noch hörte.
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Zehn Minuten später, versteckt hinter ein paar öffentlichen Büschen, konnte ich endlich die Erdbeere loswerden.
Ich war noch nicht lange in dieser Nachbarschaft, und bis auf die Katastrophe heute, war es hier eher ruhig.
Es schien auch nicht zu viele andere Katzen zu geben. Mir waren nur zwei verwöhnte Perserkatzen aufgefallen und ein junger Kater, der nicht mal allein auf einen Baum klettern könnte, geschweige wieder herunter käme.
Als Streuner, und das war ich schon länger, muss man sich oft neue Territorien suchen. Aber man versucht immer so lange wie möglich zu bleiben.
Denn wenn man kein eigenes Zuhause hatte, dann wurden die Verstecke mit Aussicht, die Sonnenplätze und Gassenlabyrinthe zu Ankerpunkten. Natürlich auch die wenigen Menschen, die den Streunern eine Schüssel Futter raus stellten.
Ich mochte die Gegend. Hier würde ich also gerne etwas bleiben.
Ein leises Rascheln von hinten schreckte mich hoch. Doch da war alles schon schwarz mit einem penetranten Geruch nach Pappkarton. Es war klar: ich war schon wieder in Schwierigkeiten.